Mit freundlichen Grüßen ...

04.01.1999

MCE Computer PeripherieGeschäftsführung

Herrn Klaus Reichl

Alte Landstraße 17

85521 Ottobrunn

München, 29.03.1999

Sehr geehrter Herr Reichl,

"ein Freund", singen die Comedian Harmonists, "das ist das Beste, was es gibt auf der Welt." Und haben sie nicht recht? Mit einem wirklichen guten Freund kann man Pferde stehlen, durch dick und dünn gehen, mal richtig einen saufen, über Probleme mit seiner Frau, seinem Chef, seinen Mitarbeitern, seiner Prostata sprechen. Und vor allem: Freundschaft ist beständig. "Ein Freund", heißt es im Lied, "bleibt immer Freund, auch wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt."

Nun gibt es bekanntlich auch den sogenannten Geschäftsfreund. Dabei soll es sich um eine Unterordnung der Gattung Freund handeln. Mit dieser sogenannten Geschäftsfreundschaft hat es allerdings seine besondere Bewandtnis. Denn während aus gutem Grund die normale Freundschaft dort endet, wo Geld ins Spiel kommt, fängt die sogenannte Geschäftsfreundschaft an diesem Punkt erst an. Ein Geschäftsfreund ist per Definitionem immer jemand, mit dem man in geschäftlicher Verbindung steht, und dabei geht es nun einmal ums Geld. So daß man statt von Geschäftsfreunden besser von Geldfreunden sprechen sollte, wobei das Geld durchaus nicht immer im eigenen Besitz ist, sich aber gerne dorthin bewegen darf. Um es kurz zu machen: Der Begriff des Geschäftsfreundes ist eine reine Fiktion, ein Unwort, weil er etwas bezeichnet, was es eigentlich gar nicht gibt. Der Geschäftsfreund ist ein Fabelwesen genauso wie das Einhorn, Rumpelstilzchen und der Wolpertinger.

Da kommt US-Erfolgsautor Michael Crichton ("Nippon Connection") den tatsächlichen Verhältnissen schon näher: "Business is war", meint er. Die Computerbranche macht da keine Ausnahme. Da bestellt zum Beispiel ein Fachhändler Anfang dieses Jahres bei MCE 760 IBM-Festplatten zum Einzelpreis von 302 Mark. Gesamtes Bestellvolumen: Knapp 230.000 Mark netto. Noch bevor die Platten zur Auslieferung kommen, rasseln die Preise in den Keller. Bei Macrotron kostet die Harddisks plötzlich 50 Mark weniger pro Stück als bei MCE zum Zeitpunkt der Bestellung. Macht bei 760 Einheiten eine Ersparnis von immerhin 38.000 Mark. Doch MCE stellt sich bei der Anfrage des Fachhändlers stur. "Leider sind wir nicht in der Lage, die von Ihnen gewünschte Änderung des Abrufauftrages durchzuführen und bestehen daher auf den ursprünglich vereinbarten Preis von DM 302", teilt MCE-Mitarbeiter Manfred Schlapp dem Fachhändler lapidar mit. Begründung? Fehlanzeige.

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Wie kann es angehen, fragt man sich, daß der weltweit größte IBM-Festplattendistributor "nicht in der Lage" ist, Preisreduzierungen seines Lieferanten an seine Kunden weiterzugeben? Selbst wenn die Platten bei MCE auf Lager liegen, gibt es doch so etwas wie Lagerwertausgleich. Nicht bei MCE? Bei dem betreffenden Fachhändler, der seit Jahren bei Ihnen kauft und in der Vergangenheit immer zufrieden mit Ihrer Leistung war, haben Sie jedenfalls viel Porzellan zerschlagen. Er fühlt sich über den Tisch gezogen. Kann man es ihm verdenken?

Wie war das jetzt mit den Geschäftsfreunden? "Wer solche Freunde hat", fragt sich der Fachhändler mit verbittertem Unterton, "wozu braucht der noch Feinde?"

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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