Mit freundlichen Grüßen ...

25.02.1999

Medion AG Chefredaktion- Vorstand -

Herrn Gerd Brachmann

Gänsemarkt 16 - 18

45127 Essen

München, 22.02.1999

Sehr geehrter Herr Brachmann,

in einem Woody-Allen-Film fragt die Tochter Ihren Vater, wer denn nun eigentlich der Boß sei, er oder ihre Mutter. "Natürlich bin ich der Boß", entgegnet der Vater, "Mama ist nur diejenige, die die Entscheidungen trifft." Zuweilen denke ich, daß diese Szene auch bei mir zu Hause hätte gedreht werden können. Zum Beispiel als es kürzlich darum ging, was wir mit dem Geldbetrag anfangen sollen, der sich aufgrund jahrelanger Entsagung und konsequenten Verzichts auf unserem Bankkonto angesammelt hat. Während meine Frau gerne ein neues Auto hätte, spiele ich mit dem Gedanken, ein paar Aktien zu erwerben. Interessehalber habe ich mir einmal Ihren Verkaufsprospekt zur Aktienemission aus dem Internet gezogen (www.medion.de/Company/unternehmen.html) und ihn mit meiner Frau nach dem Abendbrot intensiv studiert. Es wurde ein netter Abend.

Wir waren uns einig, daß die bisherige Medion-Geschäftsentwicklung absolut beeindruckend ist. Eine Umsatzexplosion in nur drei Jahren von 335 Millionen Mark im Geschäftsjahr 1995/96 auf 1,075 Milliarden Mark in 97/98 (30.6.) ist schließlich nicht die Regel. Und eine Beinahe-Verdreifachung des operativen Gewinns im selben Zeitraum auf 48 Millionen Mark kann sich ebenfalls sehen lassen. Auch das erste Halbjahr des aktuellen Geschäftsjahres lief offenkundig gut. Die Umsatzerlöse kletterten weiter auf 963 Millionen Mark (+ 65 Prozent), und der Gewinn von 49 Millionen Mark (+ 23 Prozent) lag sogar über dem des gesamten Vorjahres. Alle Achtung!

Gleichwohl gilt auch im Geschäftsleben die alte Fußballregel "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel". Mit anderen Worten: Für uns als potentielle Aktieninhaber ist die Frage weitaus interessanter, ob Medion diese gute Entwicklung auch fortsetzen kann. Hier hat meine Frau ganz erhebliche Bedenken, vor allem nachdem sie die von Ihnen selbst im Verkaufsprospekt aufgeführten Risiken (Seite 12 bis 15) gelesen hatte. Hauptsächlich die Abhängigkeit von Ihren Großabnehmern (95 Prozent des Umsatzes im Geschäftsjahr 97/98 erzielten Sie mit Ihren fünf größten Kunden) hat sie verschreckt.

Den Rest gegeben hat ihr die Information, daß Aldi, Ihr größter Abnehmer, das PC-Geschäft womöglich einstellen werde. Damit war das Thema gegessen. Auch mein Einwand, daß Sie bereits Maßnahmen eingeleitet haben, um diese Abhängigkeit zu reduzieren und weitere Geschäftsfelder vor allem im Ausland (Außenstellen in Frankreich und England sind ja bereits gegründet) erschließen wollen, konnte sie nicht umstimmen. Ich versuchte es dann noch mal mit dem Hinweis auf Ihre recht ordentliche Eigenkapitalrendite von mehr als zehn Prozent im letzten Jahr ("Du zahlst 100 Mark ein und kriegst 110 Mark wieder raus, ist doch ein gutes Geschäft"), doch sie warf mir nur noch ein die Diskussion beendendes "Und außerdem ist der angestrebte Stückpreis pro Aktie von 80 bis 90 Euro viel zu hoch!" zu. Es war, wie gesagt, ein netter Abend.

Seien Sie uns also bitte nicht böse, daß wir keine Medion-Aktien erwerben werden. Wir kaufen jetzt ein neues Auto für meine Frau.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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