Mit freundlichen Grüßen ...

18.02.1999

MindShare GmbH- Werbeagentur -

Herrn Neil Steinberg

Geleitstr. 25

60599 Frankfurt

München, 15.02.1998

Sehr geehrter Herr Steinberg,

muß es uns interessieren, daß ein Unternehmen mit dem Namen Free-PC in den USA rund 10.000 Compaq-Rechner verschenkt? Na gut, "verschenken" ist vielleicht nicht der passende Ausdruck, vielmehr handelt es sich um eine Art Tauschgeschäft. Denn um einen dieser Umsonst-PCs zu bekommen, muß der Interessent eine Fülle von persönlichen Informationen etwa über seinen Familienstand, sein Einkommen, sein Auto, seine Zeitschriftenabonnements etcetera abgeben. Free-PC (www.free-pc.com) sucht sich dann aus dem Bewerberpool diejenigen aus, die das Unternehmen für würdig hält. Würdig heißt in diesem Falle: interessant als Werbezielkunde für die Industrie.

Denn wer einen Umsonst-PC erhält, muß dafür Gigabytes an Werbung über sich ergehen lassen.

Das Interesse in der Bevölkerung ist riesig. Innerhalb von nicht einmal einer Woche haben sich bei Free-PC, wie zu erfahren ist, rund 500.000 Kandidaten mit ausgefüllten Fragebögen gemeldet. Und täglich werden es mehr. Damit läßt sich doch etwas anfangen. Die Versicherung des Unternehmens, man werde die Daten streng vertraulich behandeln und unter Verschluß halten, mag man glauben oder auch nicht. Inzwischen soll man bei Free-PC sogar darüber nachdenken, nicht 10.000, sondern eine Million PCs zu verschenken.

Die enorme Resonanz auf diese Aktion ist bemerkenswert. Denn sie zeigt, wie bereitwillig Menschen sehr persönliche Daten über sich preisgeben, wenn man ihnen nur den richtigen Wurstzipfel vor die Nase hält. Das ist, wie wenn man ein Nacktfoto von sich an irgendeine Firma schickt, von der man keine Ahnung hat, was sie mit diesem Nacktfoto macht. Möglicherweise wird es irgendwann im Playboy veröffentlicht.

Muß es uns also interessieren, was die Amerikaner so treiben? Ja, es muß. Denn irgendjemanden gibt es immer, der nach dem Motto "Whatever works in the States, works in Germany" so etwas auch in Deutschland versucht. Und wer einen PC geschenkt bekommt, braucht keinen mehr beim Fachhändler zu kaufen.

Keine Frage ist für mich, daß auch die Deutschen ganz vorne mit dabei sind, wenn es etwas zu verschenken gibt. Nicht einschätzen kann ich dagegen die Bereitschaft der werbetreibenden Industrie in Deutschland, ein Modell ê la Free-PC zu unterstützen. Da würde mich Ihre Meinung als Experte interessieren. Glauben Sie, daß ein solches Marketingkonzept funktioniert, sich also für die beteiligten Firmen rechnet?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

P.S.: Inzwischen ist von einem US-Unternehmen mit Namen One Stop Communications (OSC) zu hören, das 2.500 Apple-iMacs unter die Leute bringen will, ebenfalls in Geschenkpapier eingewickelt. Bei OSC soll sich der Beschenkte verpflichten, über drei Jahre hinweg jeden Monat mindestens 100 (in Worten: hundert!) Dollar im firmeneigenen Online-Shop auszugeben - also insgesamt 3.600 Dollar. Zudem muß der Kunde OSC als Internetprovider wählen und dafür 19,95 Dollar im Monat zahlen. Klingt nach einer Art Bertelsmann-Buchclub.

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