Mit freundlichen Grüßen ...

14.12.2000

ComputerPartner

Chefredaktion

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Intraware AG

Vorstand

Herrn Lars Bornemann

Brückenmühle 93

36100 Petersberg

München, 11.12.2000

Sehr geehrter Herr Bornemann,

Quizfrage: Wie macht man aus einem gesunden Unternehmen einen Pflegefall? Antwort: Man geht mit ihm an den Neuen Markt. Die Beispiele aus der IT-Branche sind bekannt: CPU, NSE, Teamwork, Datadesign, Gedys. Und vor kurzem erschreckte auch Intraware die Branche mit schlechten Nachrichten: Ein Verlust von 9,4 Millionen Euro in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres bei einem Umsatz von 8,8 Millionen Euro - das war nicht das, was man den Anlegern beim Börsengang im Früh-jahr versprochen hatte. Inzwischen haben Sie die Umsatzprognose für das Gesamtjahr von 17,5 auf 10 Millionen Euro herun-tergestuft (das bedeutet Stagnation auf Vorjahresniveau). Der Jahresfehlbetrag wird voraussichtlich bei rund 15 Millionen Euro liegen. Mit anderen Worten: Ihnen regnet es verdammt nass rein.

Ich finde das deprimierend. Denn habe ich nicht Ende April Ihrem damaligen Vorstandskollegen und Unternehmensgründer Joachim Weber geschrieben, er möge bitte vorsichtig sein, damit es Intraware nicht so ergehe wie Datadesign (ComputerPartner 16/00, Seite 3)? Was hatte Datadesign getan? Riesige Wachstumspläne geschmiedet, Personal eingestellt, bis der Arzt kam - und dann blieben die Umsätze aus. Ergebnis: Das Unternehmen drohte in roter Tinte zu ersaufen. Und hatte Intraware nicht ebensolche phantastischen Wachstumsziele? Jährliche Umsatzzuwächse von durchschnittlich 40 bis 50 Prozent und ein Anstieg der Belegschaft von seinerzeit 160 auf 770 Mitarbeiter im Jahr 2004. Und jetzt? Eine Wiederholung der Datadesign-Geschichte. Auch bei Ihnen bleiben die Umsätze aus, und die Kosten rennen Ihnen davon.

In seinem netten Antwortschreiben (ComputerPartner 18/00, Seite 103) versicherte mir Herr Weber, dass dieses Schicksal von Datadesign seinem Unternehmen nicht drohe. Das sei sozusagen ausgeschlossen. Als einen der Gründe gab er die tollen Software-Produkte Ihres Hauses an, die Intraware natürlich auch selber einsetze. Diese Controlling- und Analyse-Software ermögliche es nämlich, Fehlentwicklungen wie die bei Datadesign "schon im Ansatz zu erkennen". Mittels dieser Software, erklärte mir Herr Weber, weiß man immer, "welche Maßnahme im Unternehmen welche Konsequenzen hat". Die Software sei, meinte Herrn Weber, "hervorragend" dazu geeignet, "Unternehmen in gesundem Wachstum zu unterstützen und ihnen zu helfen, (...) Fehler im Ansatz zu vermeiden." Bei Intraware nutzt man diesen Vorteil selbstverständlich auch: "Wenn sich Grundlagen unserer realistischen Planung ändern, werden wir dies schnell erkennen und präzise korrigieren." Da war ich beruhigt. Und mir war klar: Diese Software muss jedes Unternehmen haben.

Jetzt, angesichts der Geschäftsentwicklung von Intraware in den vergangenen Monaten, frage ich mich allerdings: Was ist Ihre Software wirklich wert? Was taugt Ihr Frühwarnsystem, wenn es nicht einmal bei seinem "Erfinder", nämlich der Intraware AG, funktioniert? Wenn es erst dann Alarm auslöst, wenn der Dachstuhl bereits in hellen Flammen steht? Wie wollen Sie dies Ihren potentiellen Kunden erklären? Pointiert formuliert: Intraware gleicht dem Anlageberater, der von der Sozialhilfe lebt.

Inzwischen gibt es Herrn Weber bei der Intraware AG nicht mehr. Ich weiß nicht, was sich Herr Weber persönlich hat zuschulden kommen lassen, oder ob er lediglich die unternehmerische Verantwortung übernommen hat. Die wichtige Frage ist jetzt die: Wie soll es weitergehen, wie wollen Sie das verlorene Vertrauen der Anleger, aber auch und vor allem der Kunden und Ihrer Vertriebspartner zurückgewinnen?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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