Mit freundlichen Grüßen ...

28.09.2000

ComputerPartner

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Pricewaterhouse Coopers

Unternehmensberatung GmbH

Vorstand

Herrn Rolf Bergmann

Olof-Palme-Straße 35

60439 Frankfurt

München, 25.09.00

Sehr geehrter Herr Bergmann,

kennen Sie den AWD, den "Allgemeinen Wirtschaftsdienst", den "unabhängigen Finanzoptimierer" von Herrn Maschmeyer? Der AWD nennt sich den größten unabhängigen Finanzberater Europas. Auf seine Unabhängigkeit hält sich der AWD viel zugute. Nicht nur schmückt die Unabhängigkeit den Slogan. Auch in Broschüren und auf der Homepage (www.awd.de) betont Firmengründer Maschmeyer, dass "weder ein Anbieter an unserem Unternehmen beteiligt" sei, noch dass der AWD "eigene Produkte" anbiete. Warum legt Herr Maschmeyer so großen Wert auf diese Unabhängkeitserklärung? Weil das Vertrauen der Interessenten und Kunden in die Unabhängigkeit der AWD-Berater ein wesentliches Element für den Erfolg des Unternehmens ist. (Vertrauen soll ja der Anfang von allem sein, sagen andere, die ebenfalls im Geldgewerbe tätig sind.)

Bei den großen Unternehmensberatungen ist es genauso. Auch hier ist die Unabhängigkeit ein Wert, der nicht hoch genug einzuschätzen ist. Deshalb glaube ich, dass die Ankündigung der Firma HP, die Beratungssparte von Pricewaterhouse Coopers (PwC) für 41 Milliarden Dollar zu kaufen, für Sie nicht unbedingt ein Grund zum Jubeln sein kann. Denn selbst wenn Sie Ihren Kunden Tausend Mal versichern, dass Sie sich von der Muttergesellschaft HP nicht beeinflussen lassen - das glaubt Ihnen draußen keiner. Sie kennen ja den Spruch: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing." Und den kennen auch Ihre Kunden. Den Anspruch der Unabhängkeit können Sie dann in den Wind schreiben. Ob das schlimm ist? Nicht unbedingt, auch dann können Sie erfolgreich sein. Nur wenn HP-PwC, oder wie immer die Company dann heißen mag, mit gezinkten Karten spielt und den Kunden etwas vorgaukelt - eben die Unabhängigkeit -, dann dürfte es Probleme geben.

Die interessante Frage ist für mich: Warum will HP eine Beratunggesellschaft kaufen? In den Kommentaren zu diesem Vorhaben war vielfach zu lesen und zu hören, dass HP damit ein zweites, ertragreiches Standbein aufbauen wolle, um das margen- und renditeschwache Hardware-Geschäft zu stützen. Mag ja sein, dass dies tatsächlich die Beweggründe der amerikanischen HP-Chefin Carly Fiorina sind. Damit würde sich HP aber selber ein Armutszeugnis ausstellen. Ein Produktionsunternehmen, das mit dem Herstellen von Produkten kein Geld mehr verdient: Warum stellt es diese dann noch her? Wenn eine Firma mit dem, was sie am besten kann - im Falle von HP wäre das ja wohl das Herstellen von Druckern, PCs und Servern -, nicht erfolgreich ist, wie soll es dann erfolgreich sein mit etwas, das sie nicht so gut kann beziehungsweise das nicht zur Kernkompetenz gehört? Das wäre ja, wie wenn der Autohersteller Ford, der momentan mit der Produktion von Autos wenig Erfolg hat, Tausende von Fahrschulen akquirieren würde, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Würden Sie Ford raten, so etwas zu tun?

Das wesentliche Motiv für HP, die Beratungssparte von PwC zu kaufen, liegt nach meiner Einschätzung darin, dass man damit der Unabhängigkeit der Berater den Garaus machen will. Es ist ja so: Wer unabhängig ist, empfiehlt vielleicht auch mal ein Produkt, das nicht aus dem Hause Hewlett-Packard stammt. Und solche Berater sind - aus HP-Sicht -, "unzuverlässig". Mit anderen Worten: Was HP mit einer solchen Akquisition wirklich will, ist mehr Sicherheit: die Sicherheit nämlich, dass die Berater auch die "richtigen" Produkte und Lösungen empfehlen, nämlich die von HP. Wenn man böse wäre, könnte man auch sagen: Weil HP-Chefin Fiorina befürchtet, mit ihren Produkten und Lösungen in einer Welt von unabhängigen Beratern schlecht auszusehen und nicht zum Zuge zu kommen, will sie das Pferd von hinten aufzäumen und die unabhängigen Berater kaufen.

Fragt sich nur, ob sich die Berater einfach so kaufen lassen. Ein Unternehmen kann man schlucken, aber die Menschen in dem Unternehmen? Wie verhalten sich Berater, die, anders als bisher, dem Kunden eine bestimmte Lösung anbieten sollen, nicht weil sie besser ist als andere, sondern weil sie aus dem eigenen Konzern kommt? Besteht in so einem Fall nicht die Gefahr, dass die besten Mitarbeiter dann zu einem Wettbewerber wechseln? Zu einem Beratungsunternehmen, das diesen Zwängen nicht unterliegt und unabhängig agiert. Und dadurch mehr Vertrauen bei den Kunden genießt? Der Bräutigam HP sollte sich umsehen und auch seine Auserwählte. Sonst könnte es nämlich sein, dass die eigentlichen Gewinner nicht die Partner dieser unheiligen Allianz sind, sondern die wirklich unabhängigen Beratungsfirmen - die ihren Kundenauftrag ernst nehmen und nicht die eigene, sondern die beste Hardware empfehlen. Das wäre dann ein Schuss ins eigene Knie.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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