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14.09.2000

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Bundeskanzleramt

Herrn Bundeskanzler

Gerhard Schröder

Schloßplatz 1

10178 Berlin

München, 11.09.2000

Sehr geehrter Schröder,

haben Sie sich auch so auf die Olympischen Spiele gefreut? Endlich ist es so weit, jetzt geht es los. Mir persönlich ist es ja egal, wer gewinnt - Hauptsache spannende Wettkämpfe und die Deutschen bringen viele Goldmedaillen mit nach Hause. Für das Gros der Athleten gilt freilich wieder das Motto "Dabeisein ist alles". Doch einige wollen mehr: Aufs Treppchen, und zwar am besten nach ganz oben.

Zu ihnen gehören Jan Ullrich und Tim Lobinger, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Ullrich will ja am 30. September seinen amerikanischen Konkurrenten Lance Armstrong beim Zeitfahren abhängen, und der Lobinger träumt von einem Sieg im Stabhochsprung (stößt aber auf starke Konkurrenz auch aus dem eigenen Land; unter anderem gehört dazu der Sohn von Heide Rosendahl, die Doppelolympiasiegerin von München 1972). Eins ist klar: Ullrich und Lobinger haben nur dann eine Chance, wenn sie nicht nur top in Form sind, sondern wenn sie auch das beste Material zur Verfügung haben, das derzeit am Markt zu haben ist. Mit einem zehn Jahre alten Hollandrad mit Drei-Gang-Sachs-Nabenschaltung braucht Ullrich gar nicht anzutreten. Und mit einem Bambusstab würde sich Lobinger auch schwer tun, die Sechs-Meter-Marke zu überspringen.

Kurzum: Wer heute zur Weltspitze zählen will, der braucht als unabdingbare Voraussetzung ein hervorragendes Arbeitsgerät, das technisch auf dem allerneuesten Entwicklungsstand ist. Und das gilt nicht nur im Sport. Das gilt auch in der Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrund muss ich Ihnen leider sagen: Für die von Ihnen und Ihrer Regierung geplante Verlängerung der Abschreibungszeiten für IT-Equipment (also Computer und so'n "Gedöns") habe ich überhaupt kein Verständnis. Wie man hört, wollen Sie die Abschreibung auf Abnutzung (AfA) von PCs von vier auf sechs Jahre erhöhen, für Großrechner (Server) von fünf auf acht, für Drucker von vier auf sieben und für Monitore von fünf auf neun Jahre. Bei allem Respekt, sehr geehrter Herr Bundeskanzler: Das ist wirtschaftspolitischer Nonsens, das ist Gift für die Volkswirtschaft. Denn damit zwingen Sie die Unternehmungen in Deutschland, Arbeitsgerät einzusetzen, das längst veraltet ist.

Wenn Sie das Ziel der Steuerreform, die "Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit" der deutschen Wirtschaft, wirklich ernst nehmen, dann müssen diese geplante Verlängerungen der AfA-Zeiten für IT-Equipment ganz schnell wieder vom Tisch. Angesichts des rasanten Innovationstempos der Informationstechnik kann es sich keine Unternehmung leisten, einen PC sechs Jahre einzusetzen. Dann ist die internationale Konkurrenz schon längst über alle Berge. In einem vom Bundesfinanzministerium verbreiteten Papier zur Steuerreform heißt es, dass für die Reform der AfA-Tabellen "realitätsnähere Nutzungsdauern" zugrunde gelegt werden sollen. Großartig! Dann aber müssen Sie die Abschreibungszeiten für PCs, Notebooks und Server nicht verlängern, sondern verkürzen.

Ein PC ist kein Auto; das kann man zur Not statt fünf auch acht Jahre fahren, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leidet. Aber ein Computer ist für ein Unternehmen das, was das Fahrrad für Jan Ullrich und der Hochsprungstab für Tim Lobinger ist: mitentscheidend für den Erfolg. Aus diesem Grund bitte ich Sie eindringlich, die Abschreibungszeiten für PCs, Notebooks und Server den wirklichen Nutzungsdauern in den Betrieben anzupassen und auf drei Jahre zu verkürzen.

Wenn die Pläne, so wie ich sie kenne, umgesetzt werden, dann hat die deutsche Wirtschaft keine Chance, bei der Olympiade der internationalen Wirtschaft ganz vorne mitzumischen. Dann muss sie sich mit dem olympischen Motto zufrieden geben: "Dabeisein ist alles." Wollen Sie das, Herr Bundeskanzler?

Mit olympischen Grüßen

Damian Sicking

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