Mit freundlichen Grüßen

17.08.2000

ComputerPartner

Chefredaktion

Tel.: 0 89/3 60 86-388

Fax: 0 89/3 60 86-389

E-Mail: dsicking@computerpartner.de

Hewlett-Packard Company

Frau Carly Fiorina

3000 Hanover Street

Palo Alto, CA 94304-1185

USA

München, 14.08.2000

Sehr geehrte Frau Fiorina,

in letzter Zeit ist sehr häufig die Garage, in der alles seinen Anfang nahm, zu sehen. Die Garage, in der die HP-Gründer Hewlett und Packard tüftelten und schraubten und sich schmutzige Fingernägel holten. Auf den Pressemappen, auf der HP-Homepage zum Runterladen, auf Veranstaltungen werden Nachbauten hingestellt, und sogar im TV-Werbespot ist die HP-Garage zu sehen. Ihr Beispiel hat Schule gemacht. Denn inzwischen behauptet fast jede Firma, die etwas auf sich hält, in einer Garage erfunden worden zu sein. Jetzt weiß ich auch, weshalb es so schwierig ist, einen Parkplatz zu finden: Die Autos stehen alle draußen.

Ich wollte mich schon seit einiger Zeit für die vielen schönen Garagenbilder von Ihnen revanchieren und habe deshalb ein paar Fotos von unserer Garage geschossen. Eins davon habe ich diesem Schreiben beigelegt. Der Knabe auf dem Foto bin übrigens ich. So sieht also die ComputerPartner-Garage aus. Sie können das Foto gerne behalten, ich habe noch ein paar.

Ich habe mich in den letzten Tagen des Öfteren gefragt, wieso die Herren Hewlett und Packard eigentlich in ihrer Garage gewerkelt haben und nicht - sagen wir mal - im Wohnzimmer von Herrn Hewlett. Ich glaube, die Antwort ist die, dass Frau Hewlett die beiden jungen Erfinder einfach rausgeschmissen hat. Im Wohnzimmer, wird sie ihnen gedroht haben, habt ihr nichts zu suchen, es sei denn frisch gewaschen und gekämmt. So blieb den beiden jungen Unternehmern nichts anderes übrig, als sich zu verkrümeln - in die Garage eben.

Ich behaupte sogar Folgendes: Hätte Frau Hewlett die beiden Männer nicht aus dem Wohnzimmer vertrieben, HP wäre nicht zu dem erfolgreichen Unternehmen geworden, das es heute ist. Durch die kompromisslose Trennung von Wohnung und Werkstatt waren die Männer gezwungen, Pausen zu machen und sich zu erholen. Um dann mit frischen Kräften wieder ran ans Werk zu gehen. Die Garage von HP lässt sich somit als Symbol für die Notwendigkeit der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sehen. Notwendig, um dauerhaft Erfolg zu haben. (Ich glaube, dass die Aussichten einer "Wohnzimmer-Unternehmung", die ersten fünf Jahre zu überstehen, viel geringer sind als bei einer "Garagen-Unternehmung". Beweise für diese These habe ich natürlich keine.)

Heute hört und liest man, dass bei vielen Startups die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zerfließen. Dass es hier kaum noch Unterschiede gibt. Diese Entwicklung ist gefährlich. Gefährlich für die Mitarbeiter, gefährlich für das Unternehmen, gefährlich für die Anteilseigner. Denn für den Raubbau an den psychischen und physischen Kräften muss man eines Tages bezahlen. Der Mitarbeiter mit dem Burnout-Syndrom, das Unternehmen mit zurückgehender Leistungsfähigkeit, die Aktionäre mit fallendem Unternehmenswert. Es ist wie im Sport: Wer dauerhaft Leistung erbringen will, braucht ein optimales Verhältnis von Spannung und Entspannung. Im Leistungssport gibt es dafür den Ausdruck der "lohnenden Pause". Auch das ist ein Zeichen von Professionalität: sicherstellen zu können, dass man seine Erholungszeiten nehmen kann.

Insofern ist die HP-Garage viel mehr als nur ein Zeichen für Erfindertum und Entrepreneurship. Irgendwie ist sie ein Symbol für das Leben als Ganzes. Was ich von unserer ComputerPartner-Tiefgarage nicht unbedingt behaupten möchte.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

Zur Startseite