Mit freundlichen Grüßen ...

30.03.2000

ComputerPartner

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Strixner + Holzinger GmbH

Geschäftsführung

Herrn Richard Plasa

Schillerstraße 23

80336 München

München, 27.03.2000

Sehr geehrter Herr Plasa,

die Distributoren wissen wieder, wo’s langgeht. Das ist schön. Sie standen für viele ja als die Verlierer in der sogenannten "neuen Wirtschaft" fest, diesem Internet-, E- oder M-Commerce-Zeitalter, wo jeder, der etwas zu verkaufen hat, mal schnell übers Internet die Ware vertickt. Allmählich dämmert es immer mehr Leuten, dass dies so einfach nicht ist und dass man jemanden braucht, der einem dabei hilft. Also die Ware von A nach B und vielleicht auch über C wieder zurück nach A zu bringen, wo sie repariert oder ausgetauscht wird, jemanden, der die Bestellungen entgegennimmt, die Reklamationen bearbeitet, die Reparaturen durchführt etceterapepe. Und genau das, haben sich die Distributoren gedacht, machen wir. Natürlich ist der Name "Distributor" dann nicht mehr ganz passend, und deshalb spricht Karl Pohler, Europachef von Tech Data/Computer 2000, heute viel von "E-Commerce-Outsourcer" (mehr dazu im Interview auf Seite 12).

Bevor mir wieder ein anderer zuvorkommt, sage ich es schnell: Es handelt sich hier um nichts anderes als um einen Paradigmenwechsel der Distribution. Denn in diesem Modell tauschen Hersteller und Distributor ihre Rollen. Der Distributor ist dann nicht mehr der Kunde des Herstellers, sondern umgekehrt der Hersteller der Kunde des Distributors. Was viele Leute, die bei einem Hersteller arbeiten, mächtig freuen wird. Denn dann brauchen sie keine Weihnachtspäckchen mit Baumkuchen und Wein mehr für die Distributoren zu packen, sondern werden ihrerseits von den Distis beschenkt. Als Kunde darf man das ja wohl erwarten.

Freilich, bis es soweit ist, fließt noch viel Wasser Deutschlands Flüsse und Bäche hinunter. Und die Distributoren müssen, wie meine Kollegin Ingrid Schutzmann in ihrem kenntnisreichen Kommentar auf Seite 8 dieses Heftes schreibt, noch viel tun. Heute hat ein großer Distributor in Deutschland vielleicht 10.000 bis 15.000 Kunden, die sich von ihm mal besser und mal schlechter betreut und beliefert fühlen. In ihrer zukünftigen Aufgabe als "E-Commerce-Outsourcer" haben es die Distributoren dann aber plötzlich mit ganz anderen Größenordnungen zu tun: 50.000 Kunden, 100.000, vielleicht 500.000, gar eine Million. Da müssen die Distis schon noch ganz schön feste in die Hände spucken, um diese Aufgabe zu stemmen. Fester als jetzt, ganz bestimmt.

Ein Honigschlecken wird die Realisierung des neuen Geschäftsmodells der Distributoren auch deshalb nicht, weil sich kluge Leute aus anderen Branchen ebenfalls mit diesem Thema befasst haben und ihre Unternehmen in diese Richtung entwickeln wollen. Die Logistiker und Speditionen zum Beispiel. Und auch die klassischen Versender. Gerade am letzten verregneten Sonntag konnte man in der "Welt am Sonntag" von Michel Otto lesen, dass der Otto-Versand schon "in Kürze" den Internet-Direktanbietern entsprechende Dienstleistungen anbieten werde.

Um diesen Paradigmenwechsel komplett zu machen, müsste man natürlich auch noch den Händler mit einbinden. Also Sie. Etwa in der Art, dass nicht mehr Sie der Kunde des Distributors, sondern der Distributor Ihr Kunde wäre. Das könnte so aussehen, dass Sie für den Disti ("E-Commerce-Outsourcer") irgendwelche Dienstleistungen erbringen. Welche das sein könnten, darüber müsste man gründlich nachdenken. Ebenso müsste die Rolle des Endanwenders überdacht werden. Bleibt er der finale Kunde in der Kette, so wie heute in der "alten Wirtschaft", oder wird auch er paradigmengewechselt?

Tief grübelnd verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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