Mit freundlichen Grüßen ...

01.11.2001

ComputerPartner

Chefredaktion

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Compunet Computer AG

Vorstand

Herrn Dr. Johannes Meier

Europaring 34-40

50170 Kerpen

München, 29.10.2001

"Tausche Franz Beckenbauer gegen Britney Spears"

Sehr geehrter Herr Dr. Meier,

wenn es stimmt, dass Marketing die Kunst des sparsamen Umgangs mit der Wahrheit ist, dann sind Sie auf diesem Gebiet ein Meister. Denn in Ihrer E-Mail an alle Compunet-Mitarbeiter vom 19. Oktober - "Subject: Gerüchte zum Verkauf von GE Compunet an Computacenter sind falsch" - haben Sie zwar die Wahrheit gesagt. Gleichzeitig aber haben Sie den anderen, wichtigen Teil der Wahrheit verschwiegen. Die hohe Kunst des Marketings eben.

Rückblick:

15.10.: ComputerPartner-Online veröffentlicht die Exklusivmeldung "Jetzt also doch: Computacenter kauft Compunet". Dabei stützen wir uns auf "für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise", wie man sagt. Da wir ziemlich sicher sind, dass unsere Information stimmt, geben wir sogar eine entsprechende Pressemitteilung heraus.

16.10.: Noch nie hatte eine Meldung auf ComputerPartner-Online mehr Hits als die über den Compunet/Computacenter-Deal. Zahlreiche, zum Teil sehr emotionale, Kommentare auf www.computerpartner.de zeigen die Brisanz der Meldung und mit welchen Integrationsproblemen bei dieser Übernahme zu rechnen ist (auch heute noch lesenswert). Aber auch Enttäuschung: Keine der großen Tageszeitungen hat unsere Meldung aufgegriffen. Wohl aus Angst vor einer Falschmeldung.

19.10.: Die ComputerPartner-Schwesterzeitschrift "Computerwoche" veröffentlicht unsere Meldung dreispaltig auf der Titelseite. Um 10:40 Uhr schicken Sie, sehr geehrter Herr Meier, eine E-Mail an alle Mitarbeiter. Der Text: "Normalerweise hasse ich es, Gerüchte zu kommentieren. Aber das Gerücht, dass GE Compunet an Computacenter verkauft wird, ist falsch. GE Compunet steht nicht zum Verkauf." Mein Kollege Vaske von der Computerwoche ruft mich an und sagt mir mit leicht vorwurfsvollem Unterton, er habe soeben mit Ihnen telefoniert, unsere Meldung sei ja wohl eine Ente. Ich bin deprimiert.

25.10.: Die Wende: Compunet und Computacenter geben eine gemeinsame Presseerklärung heraus. Wichtigster Inhalt: Compunet kauft die deutsche Computacenter-Organisation, die beiden Compunet-Schwestergesellschaften in Großbritannien und Frankreich gehen ganz oder teilweise an Computacenter (dazu unser Bericht auf Seite 15). Na, wer sagt's denn! Unsere ursprüngliche Meldung erweist sich als ein Treffer ins Schwarze. Gut, nicht Computacenter übernimmt Compunet, sondern Compunet übernimmt Computacenter-Deutschland, aber das sind Details. Fühle mich großartig, wir sind die Größten, haben den besten Kontakt zum Markt. Rufe Kollege Vaske an, um ein bisschen anzugeben. Der ist aber leider nicht da.

Später tauchen Fragen auf: Was ist das für ein seltsames Agreement, wie bei Autogrammkartensammlern "Tausche Franz Beckenbauer gegen Britney Spears"? Wollte oder konnte Computacenter Compunet nicht kaufen? Kapituliert Computacenter mit dem Verkauf der deutschen Tochter vor den Verhältnissen in Deutschland? Welche Strategie verfolgt die Compunet-Mutter General Electric eigentlich? Soll der Geschäftsbereich Capital IT Solutions (Gecits), zu dem auch Compunet gehört, nun abgestoßen oder ausgebaut werden? Welchen Sinn macht das alles?

Natürlich: Was Compunet in Deutschland betrifft, so ist das Unternehmen mit rund 2,5 Milliarden Mark Umsatz und 3.800 Mitarbeitern zweifellos in der Lage, auch als eigenständiges Gebilde zu bestehen. Aber wahrscheinlicher ist für mich, dass Compunet für einen Käufer weiter herausgeputzt wird. Kann ein Hersteller (Dell?), kann ein anderer großer Dienstleister, kann ein Börsengang sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass das Kapitel schon abgeschlossen ist. General Electric ist mit dem Geschäftsbereich Gecits sicher noch nicht da, wo die Amerikaner sein wollen. Die Frage ist nur: Wo wollen sie sein?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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