Mit freundlichen Grüßen ...

27.09.2001

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Seiwert-Institut

Herrn Prof. Dr. Lothar J. Seiwert

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München, 24.09.2001

HP und Compaq rechnen mit dem Kunden - aber rechnen sie richtig?

Sehr geehrter Herr Professor Seiwert,

leider habe ich es noch nicht geschafft, Ihr Buch "Der Kunde ist König" zu lesen, das ich als Zuhörer einer Ihrer Vorträge geschenkt bekommen haben, aber ich habe es mir immer noch vorgenommen. Ihren Vortrag jedenfalls fand ich klasse. Man merkte, dass Sie sich mit dem Kunden als solchem sehr intensiv beschäftigt haben und sich auf diesem Gebiet gut auskennen. Deshalb wende ich mich an Sie.

Sie haben sicherlich mitgekriegt, dass HP seinen Konkurrenten Compaq übernehmen will und die Marke Compaq anschlie-ßend vom Markt verschwinden soll. HP-Chefin Fiorina und ihr Kollege Capellas von Compaq haben eine ganze Kuhhaut von Argumenten voll geschrieben, um die Sinnhaftigkeit dieser Verschmelzung zu belegen. Eins ihrer Argumente ist das von den angeblichen Vorteilen für die Kunden. Diese sollen unter anderem darin liegen, dass die Kunden in Zukunft "das Beste aus beiden Firmen" erhalten und dass sie aufgrund der breiten Produktpalette "alles aus einer Hand" bekommen.

Meine Meinung: Diese Argumente ziehen nicht, im Gegenteil. Aus Kundensicht ist eine Fusion der beiden Firmen alles andere als wünschenswert. Der wesentliche Grund: Die heutigen Compaq-Kunden haben sich nicht nur für Compaq entschieden. Sondern Sie haben sich gleichzeitig gegen HP entschieden. Und die heutigen HP-Kunden haben sich nicht nur für HP, sondern gleichzeitig gegen Compaq entschieden. Und eins ist sicher: Die Kunden hatten ihre Gründe für diese Entscheidung.

Worin liegt nun der Vorteil der Fusion? Positiv gewendet darin, dass Frau Fiorina dem Kunden die Entscheidung abnimmt, die Qual der Wahl der Wahl erspart. Aber tut sie das wirklich? Sie scheint davon auszugehen, dass der Kunde, der von der Last der Entscheidung zwischen HP und Compaq befreit ist, in Zukunft automatisch ein HP-Kunde sein wird. Ich fürchte, dass dies ein frommer Wunsch ist, der wenig Aussichten hat, in Erfüllung zu gehen.

Denn eines der wesentlichen Charaktereigenschaften von Kunden ist ihre, wenn man so will, masochistische Veranlagung. Sie wollen die Qual der Wahl, sie wollen die Alternativen und die Entscheidungsmöglichkeit. Und sie werden auch nach einer Fusion von HP und Compaq die Alternative und die Entscheidungsmöglichkeit suchen. Diese Alternative ist, wie man hört, vor allem IBM. Und viele sagen schon heute: Wenn HP sich so aufstellen will wie die IBM, dann nehme ich doch lieber gleich das Original und nicht die Kopie.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus einer anderen Branche: Nehmen wir an, BMW würde seinen Konkurrenten Audi über-nehmen, und die Marke Audi würde vom Markt verschwinden. Werden dann alle bisherigen Audi-Fahrer automatisch auf BMW umsteigen? Und werden dann noch alle BMW-Kunden auch weiterhin BMW fahren wollen? Ich glaube nicht. Vielmehr werden sich viele Audi- und viele BMW-Kunden neu orientieren und einen Hersteller mit in die Auswahl nehmen, der bisher nicht auf ihrer Liste stand. Mercedes zum Beispiel.

Was meinen Sie, sehr geehrter Herr Professor Seiwert, wie die Kunden von HP und Compaq auf die Übernahme reagieren?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

PS: Das Argument "alles aus einer Hand" überzeugt mich ebenfalls nicht. Denn schon heute bekommt der Kunde ja alles aus einer Hand. Nämlich bei einem der vielen tausend HP- und Compaq-Vertriebspartner.

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