Mit freundlichen Grüßen ...

13.09.2001

ComputerPartner

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Hewlett-Packard Company

Frau Carly Fiorina

3000 Hanover Street

Palo Alto, CA 94304-1185

USA

München, 10.09.01

Stoppen Sie den Unsinn!

Sehr geehrte Frau Fiorina,

man kennt das Muster aus der Politik. Ein Präsident, der innenpolitisch unter Druck steht, versucht sich durch außenpolitische Großtaten zu retten. Das kann im schlimmsten Fall ein Krieg ein.

Ich habe den Eindruck, dass die geplante Übernahme von Compaq durch HP auf demselben Muster basiert. Weil die interne und externe Kritik an Ihnen seit Monaten immer lauter wird und die Zahl derer, die Sie für überfordert halten, ständig zunimmt, kann nur noch etwas Großartiges, Atemberaubendes Sie retten. Zumindest vorübergehend. Daher bin ich überzeugt: Die Ankündigung, HP wolle Compaq übernehmen, ist im Wesentlichen Ihr Versuch, Ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob Sie oder Ihr Kollege Mike Capellas von Compaq den Heiratsantrag zu dieser Elefantenhochzeit gestellt hatten. Wie man hört, soll Capellas ja ebenfalls das Wasser bis zum Hals stehen.

Mit Vernunft hat diese Übernahme, so sie denn von den Aktionären und den Kartellbehörden abgesegnet wird, wenig zu tun. Natürlich lassen sich Argumente anführen, um die "Genialität" dieses Zusammenschlusses zu belegen. Aber es sind Argumente von Erbsenzählern. Ein wesentlicher Vorteil soll zum Beispiel darin bestehen, dass das fusionierte Unternehmen pro Jahr 2,5 Milliarden Dollar Kosten sparen könne. Ein billiges Argument. Denn wenn es ums Kosten sparen geht, dann empfehle ich Ihnen, noch zwei, drei weitere Unternehmen zu übernehmen. Auf diese Weise lassen sich noch mehr Kosten sparen.

Mit dem Argument der Größe verhält es sich nicht viel anders. Rein rechnerisch erzielen HP und Compaq zusammen etwa so viel Umsatz wie IBM. Dies ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Schon in solchen Fällen, in denen sich die verschmelzenden Firmen in Bezug auf die Produktpalette, die Kunden und die strategische Ausrichtung hervorragend ergänzen, wird aus 1+1 in den seltensten Fällen 2. Und HP und Compaq sind von diesem Idealfall weit entfernt. Die Überschneidungen bei den Produkten, bei den Services und natürlich bei der Kundenzielgruppe sind riesig. Die Gleichung würde in diesem Falle daher eher so aussehen: 1+1 = 1,2.

Nein, hinter der geplanten Übernahme steht keine unternehmerische Vision. Das war im vergangenen Jahr anders, als Sie die Beratungssparte von Pricewaterhouse Coopers übernehmen, dann aber nicht die geforderten 15 Milliarden Dollar investieren wollten. Das war auch anders im Fall der Übernahme der Digital Equipment Corporation durch Compaq vor einigen Jahren. In diesen beiden Fällen hatten oder hätten wir es mit einer substanziellen Erweiterung des Leistungsangebotes des akquirierenden Unternehmens zu tun. Dies fehlt im Falle von HP und Compaq fast komplett.

Nach dem ersten Schock verschafft sich bei vielen Beobachtern, Marktteilnehmern und Aktienanalysten die Vernunft wieder Gehör. Die geplante Fusion wird zunehmend negativ beurteilt. Von den Mitarbeitern beider Unternehmen sowieso (das ist ein besonderes Kapitel, und gerade die Compaq/Digital-Übernahme hat ja gelehrt, mit welchen Problemen hier zu rechnen ist). Die Skepsis steigt, ob es HP und Compaq angesichts dieser negativen Einschätzung des (Kapital-) Marktes überhaupt bis zum Traualtar schaffen.

Das Beste für beide Firmen wäre es, wenn sie ihre Verlobung so schnell wie möglich wieder lösen würden. Der bereits jetzt entstandene Schaden für HP und Compaq durch die Verunsicherung von Kunden, Analysten und Mitarbeitern wäre allerdings nicht so leicht aus der Welt zu schaffen. Für Sie, sehr geehrte Frau Fiorina, hätte das Platzen des Deals sicher ungute Konsequenzen. Aber Sie sollen ja, wie man hört, eine beneidenswerte Abfindungsregelung haben.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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