Mit freundlichen Grüßen ...

06.09.2001

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Brain International AG

Vorstand

Herrn Hans-Peter Eitel

Gerberstr. 11

79206 Breisach

München, 03.09.2001

"Optimismus ist der Mangel an Informationen."

Sehr geehrter Herr Eitel,

die Sache mit dem Optimismus ist nicht ganz einfach. Zum einen ist es gut, wenn man ihn hat, zum anderen tut man sich häufig schwer damit, vor allem der Deutsche. Am vergangenen Donnerstag schlagzeilte der Münchner Merkur in ein und derselben Ausgabe: "Studie beweist: Optimisten leben länger" (Seite 1), und auf der Wirtschaftsseite: "Pessimismus setzt sich wieder durch". Dass die Pessimismus-Schlagzeile im Wirtschaftsteil steht, hat seinen Grund: Hier geht es um Zahlen, um Fakten, um Tatsachen. Und wer die Fakten kennt, kann offenbar kein Optimist sein. "Optimismus ist der Mangel an Informationen", heißt das passende Bonmot.

Über die gegenwärtigen Fakten in der Wirtschaft braucht man nicht lange zu diskutieren. Sie sind wenig erfreulich. Also eine schlechte Zeit für Optimismus? Langsam. An dieser Stelle wird es Zeit, denke ich, an den dicken Mann mit der Zigarre zu erinnern, an den sogenannten Vater des deutschen Wirtschaftswunders, an Ludwig Erhardt (1897 - 1977). Dem wird nämlich folgender Satz zugeschrieben: "Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie." Und gleichzeitig möchte ich einen weiteren Experten zu Worte kommen lassen, nämlich den - heute 72-jährigen - Immunbiologen und Aphoristiker Gerhard Uhlenbruck. Der behauptet: "Psychologie ist zu 50 Prozent Fehlinterpretation."

Interessant, nicht wahr? Nun lässt sich aus diesen beiden Thesen folgender kleiner Syllogismus fabrizieren: Wenn Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist, und wenn Psychologie zu 50 Prozent Fehlinterpretation ist, dann ist Wirtschaft zu x Prozent (sagen wir: mindestens 25 Prozent) Fehlinterpretation. Lassen wir die Details mal beiseite, entscheidend ist, dass die Sache mit den Fakten nicht mehr so überzeugend ist. Und wenn die Tatsachen gar nicht so eindeutig und unumstritten sind - Philosophen haben zu diesem Thema Bibliotheken gefüllt -, warum sollten wir ihnen dann mehr Beachtung schenken als nötig? Vor allem dann, wenn dies auch noch so negative Folgen hat? Also schlechte Laune, miese Stimmung, Sorgenfalten, Magengeschwüre, Verkürzung des Lebens (was dann auch schon wieder eine Gnade wäre).

Der Philosoph Hans Vaihinger hat in seinem Anfang dieses Jahrhunderts erschienenen faszinierenden Werk "Die Philosophie des Als-ob" nachgewiesen, dass einige der bedeutendsten wissenschaftlichen Errungenschaften auf der Unkenntnis und zum Teil sogar auf dem bewussten Ignorieren von Fakten basieren. Er nannte dies den "Fiktionalismus". Manchmal, so seine These, bringen einen die Fakten nicht weiter, sie verhindern sogar einen Durchbruch, wohl hingegen die Fiktionen, indem man "so tut, als ob". Ich denke, hin und wieder ist es wirklich gut ("zielführend", wie man heute sagt), wenn man "so tut, als ob". Denn das Prinzip der "self-fulfilling Prophecy" funktioniert prinzipiell im Guten natürlich genauso wie im Schlechten.

Sie selbst, sehr geehrter Herr Eitel, sind ja auch Optimist, trotz der Fakten. Ich habe mir mal die letzten Quartals- und Halbjahresberichte sowie die entsprechenden Pressemitteilungen von Brain International angesehen, und da sind Sie immer "zuversichtlich" (13.2.2001), sogar "sehr zuversichtlich" (4.5. und 25.7.), Sie freuen sich über eine "hervorragende Startposition für den Turnaround" (11.4.), und Sie haben "Anlass zu der Hoffnung" (8.8.). Das alles ist so optimistisch, trotz der negativen Fakten und Zahlen. Und: Die Entwicklung von Brain zeigt tatsächlich einen positiven Verlauf. Natürlich nicht nur wegen der optimistischen Einstellung des Vorstands, aber dieser Kräfte freisetzende Optimismus hat sicherlich auch seinen Anteil.

Kennen Sie übrigens den? Was ist der Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Pessimisten? Der Optimist sagt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben - der Pessimist befürchtet, dass das wirklich so ist.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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