Mit freundlichen Grüßen ...

30.08.2001

ComputerPartner

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Gravis AG

Vorstand

Herrn Archibald Horlitz

Franklinstr. 8

10587 Berlin

München, 27.08.01

...kauf dir 'ne Kuh, ein Kälbchen dazu - und dann verkauf es wieder

Sehr geehrter Herr Horlitz,

nach dem, was sich bei der Teles AG in den vergangenen Monaten getan hat, konnte die Nachricht vom Freitag letzter Woche nicht wirklich überraschen: Nur anderthalb Jahre nach der Übernahme aller Anteile stößt die Teles AG die Einzelhandelstochter Gravis AG wieder ab. Der Gravis-Vorstand - neben Ihnen als Vorstandsvorsitzendem sind dies die Herren Wilfried Gast und Martin Wuppermann - kauft das Unternehmen wieder zurück. Mitsamt den Tochterfirmen Meilenstein GmbH und HSD Consult GmbH.

Wenig überraschend ist dieser Vorgang deshalb, weil die Teles AG in diesem Jahr so ziemlich alle Aktivitäten einstampft oder verkauft, die nicht zum aktuellen Kerngeschäft - Web-Hosting, Web-Learning, Web-Highspeed-Access - gehören. So haben die Berliner in diesem Jahr nicht nur den Geschäftsbereich ISDN-TK-Anlagen und -Endgeräte eingestellt, sie haben auch den Geschäftsbereich Teles.PBX verkauft. Überdies zog sich Teles mit der Aufgabe der Celogig S.A. wieder aus Frankreich zurück, beendete die Aktivitäten in Irland und legte schließlich den erst vor einem Jahr gekauften Distributor More still.

Als Teles-Chef Professor Schindler damals, Ende 1999, noch die Taschen voller Geld hatte, schien es ihm ein gute Idee zu sein, eine Computer-Einzelhandelskette zu kaufen, um darüber seinen Internet-Mehrwertdienst Sky-DSL an den Mann zu bringen. Schon damals hatte ich mich gefragt, warum Schindler sich eine Kuh kauft, wenn er doch nur einen Liter Milch braucht, falls Sie mir diese Analogie einmal erlauben (siehe ComputerPartner 1/2000, Seite 6). Wenig später ist Schindler eine Sky-DSL-Vertriebskooperation mit Vobis eingegangen, gekauft hat er das Unternehmen aber nicht (obwohl Vobis-Chef Rakow gerade einen Käufer gesucht hatte und immer noch sucht). Jetzt geht es plötzlich auch bei Gravis: Nach dem Verkauf soll die Vertriebsvereinbarung für den Teles-Internetdienst bestehen bleiben.

Jedenfalls sind Sie jetzt wieder Herr im eigenen Haus. Das ist sicher ein schönes Gefühl. Nett finde ich, dass Sie Herrn Schindler per Pressemitteilung "für die bisherige offene und faire Zusammenarbeit" danken. Der Mann hat ja im vergangenen Jahr so viel Prügel bezogen, da kann er ein wenig Anerkennung und Freundlichkeit sicher gut gebrauchen. Balsam für die geschundene Seele. Das vergangene Jahr unter dem Dach des Teles-Konzerns scheint von den Zahlen für Sie ja auch nicht so schlecht gewesen zu sein. Das "bisher erfolgreichste Geschäftsjahr in der nunmehr 13-jährigen Firmengeschichte mit einem Rekordumsatz und Ergebnis", lese ich. Genau Zahlen erfährt man zwar nicht, aber nach meiner Überschlagsrechnung müsste der Umsatz bei etwa 100 bis 110 und der Gewinn bei 2 bis 3 Millionen Mark gelegen haben. Keine schlechten Zahlen. Für das laufende Jahr haben Sie sich einen Gruppenumsatz von 120 Millionen Mark vorgenommen.

Und wie geht es jetzt weiter? Sie wollen mit Gravis Gas geben. Sie haben, wie man hört, sogar "Pläne einer europäischen Expansion" in der Schreibtischschublade, die Sie jetzt endlich umsetzen können. Das finde ich interessant, darüber müssen Sie mir mehr erzählen. Vor allem würde mich interessieren, wie diese Pläne im Detail aussehen und wie Sie diese Ausweitung Ihres Aktionsradius' finanzieren wollen. Ich meine, dafür braucht man schon ein paar Mark fünfzig, und die Frage ist, welcher Kapitalgeber heute in einen Computerhändler investiert. Oder können Sie etwa alles aus eigener Tasche bezahlen?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

P.S. In der Unternehmensdarstellung auf Ihrer Homepage www.gravis.de erfährt man, dass Gravis die "Nummer eins im deutschen Apple-Markt" ist. Die Cancom AG in Scheppach behauptet dasselbe von sich. Wem soll man jetzt glauben?

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