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16.08.2001

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Herrn Günter Junk

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München, 13.08.01

Elefanten haben ein gutes Gedächtnis, Großunternehmen nicht

Sehr geehrter Herr Junk,

große Firmen werden gerne als Elefanten bezeichnet, weshalb man auch von einer "Elefantenhochzeit" spricht, wenn sich zwei große Firmen zusammen tun. Es ist an der Zeit, die Elefanten gegen dieses schreiende Unrecht in Schutz zu nehmen. Der Vergleich von Großfirmen mit Elefanten ist nämlich völlig unangemessen. Der wesentliche Grund: Elefanten haben bekanntlich ein gutes und langes Gedächtnis. Die großen Firmen haben dies aber nicht. Und das ist schlecht, weniger für die Elefanten, aber für die großen Firmen.

Wenn die Großunternehmen Elefanten wären, dann hätten sie aus der Geschichte gelernt und im Gedächtnis gespeichert, dass es ins Auge geht, wenn man glaubt, alles besser machen zu können als andere. Der Elefant selbst kann ja bekanntlich außer-gewöhnlich gut trompeten und mit den Beinen stampfen. Dagegen zeigt er wenig Geschick, wenn es darum geht, einen Baum hinaufzuklettern oder eine Erdnuss zu öffen. Und weil der Elefant weiß, wo seine Stärken und Schwächen liegen, versucht er erst gar nicht, Bäume hinaufzuklettern oder Erdnüsse zu öffnen. Man kann nicht überall Spitze sein, denkt sich der Elefant, und überlässt diese Dinge lieber den Spezialisten.

Die so genannten Elefanten in der Wirtschaft sind aus einem anderen Elfenbein geschnitzt. Wo die echten Elefanten ein Gedächtnis haben, sitzt bei den Wirtschaftselefanten die Phantasie - die Allmachtsphantasie. Sie glauben, nur weil sie groß sind, können sie auch alles, und zwar viel besser als die kleinen Spezialisten. Vor allem Industriebetriebe sind von dieser Geisteshaltung durchdrungen. Auch wenn die Wirtschaftsgeschichte schon tausend Mal den Gegenbeweis erbracht hat, die Großunternehmen versuchen immer wieder, Bäume hinauf zu klettern und Erdnüsse ("Peanuts" - mehr sag' ich nicht) zu öffnen, bildlich gesprochen.

Die IT-Branche bildet keine Ausnahme. In den vergangenen fetten Jahren dehnten viele Hersteller ihre Aktivitäten immer weiter aus und stießen in Randbereiche vor, die von Spezialisten bereits gut abgedeckt waren. Ob die Industrie nun meinte, auch den Vertrieb selbst übernehmen oder eigene Beratungsabteilungen so groß wie eine Büffelherde aufbauen zu müssen - einfach nur Produkte herstellen reichte nicht mehr aus. Das Ergebnis: Man verzettelte sich. Das Geschäftsmodell franste immer weiter aus, der Kern geriet aus dem Fokus. Mit der Folge, dass man in den Randbereichen den Spezialisten nicht das Wasser reichen konnte und dass das Kerngeschäft unter der fehlenden Konzentration immer stärker litt. Es ist die alte Geschichte von Daimler-Benz, als der damalige Vorstandschef Edzard Reuter das Unternehmen Anfang der 80er Jahre zum "integrierten Technologiekonzern" ausbauen wollte und breit diversifizierte. Nach Milliardenverlusten wurde dieses Abenteuer einige Jahre später wieder beendet.

Heute kündigen die Hersteller reihenweise an, Mitarbeiter entlassen und Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Das ist nicht nur für die betroffenen Personen und ihre Familien bitter, die Restrukturierungskosten der Firmen gehen in die Milliarden. Jetzt besinnen sich diese Unternehmen wieder auf ihre Kernkompetenz, sie fragen sich, was sie besser können als andere (oder zumindest einmal besser konnten als andere). Die Antwort ist einfach: Die Kernkompetenz eines Industriebetriebes ist die Produktion von Gütern. Sonst nichts. Den Vertrieb dieser Güter, die Beratung, die Planung, die Installation, die Wartung und so weiter - dafür gibt es Spezialisten, von denen die meisten zwar lange nicht so groß sind wie die Industriebetriebe, die sie aber auf ihrem jeweiligen Gebiet trotzdem in den Schatten stellen.

Ich bin überzeugt davon, dass die Krise der Hersteller eine Stärkung des indirekten Vertriebes und der unabhängigen ITK-Dienstleister zur Folge haben wird. Alle Unternehmen sind unter dem Druck der gegenwärtigen Lage mehr denn je gezwungen, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können: auf ihre Kernkompetenz. Das heißt: Die Hersteller sollen herstellen und den Rest den Spezialisten überlassen. Und die Elefanten sollen trompeten.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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