Mit freundlichen Grüßen ...

17.05.2001

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Universität Münster

Prof. Dr. Klaus Backhaus

Universitätsstr. 14-16

48143 Münster

München, 14.05.2001

Plädoyer für eine konservative Unternehmensführung

Sehr geehrter Herr Professor Backhaus,

Revolutionen scheinen derzeit modern zu sein. Vielleicht sollte man besser sagen: Das Reden von Revolutionen. Menschen, von denen man dies nicht gedacht hätte, entpuppen sich plötzlich als Revolutionsanhänger. Wie zum Beispiel der italienische Medienzar und konservative Politiker Silvio Berlusconi, der sich in einem "Welt"-Interview am letzten Samstag als Revolutionär outete ("Ich will die Revolution."). Und wie zum Beispiel der amerikanische Wirtschaftsprofessor Gary Hamel. Der ist in der breiten Bevölkerung vielleicht nicht so bekannt wie Berlusconi, aber in der Managementszene soll er ein Star sein, manche sagen sogar ein Superstar. Auch in Deutschland steht Hamel derzeit hoch im Kurs: Das Manager-Magazin widmete ihm einen netten vierseitigen Artikel, und die Zeitschrift Absatzwirtschaft druckte ein langes Kapitel aus seinem aktuellen Buch.

Das neueste Buch von Hamel heißt "Das revolutionäre Unternehmen". Auf 356 Seiten ruft der US-Professor die Unternehmen überall auf der Welt zum Umsturz auf. Denn, ich zitiere: "Nur wer sich permanent neu erfindet und so das revolutionäre Unternehmen schafft, ist künftig erfolgreich." Leider kann ich hier nicht detailliert auf seine Ausführungen eingehen, aber eigentlich lohnt es sich auch nicht. Denn das Buch von Hamel ist eine Mischung aus Banalitäten und dummem Zeug. Aber da ich befürchte, dass es sich gut verkauft, möchte ich gerne meinen Senf dazu geben.

Man muss nicht viele Worte über Hamels Thesen verlieren, weil ihre Absurdität einen geradezu anspringt. Dazu folgendes Beispiel: Wie Sie vielleicht wissen, stehen die beiden Fußballvereine VfL Bochum und Eintracht Frankfurt als Absteiger aus der ersten Bundesliga fest. Nach der Lehre Hamels kann sie jetzt nur noch eine interne Revolution vor dem weiteren Niedergang retten (eigentlich hätte sie schon längst erfolgen müssen). Wie könnte die Revolution aussehen? Die könnte etwa so aussehen, dass die Präsidenten der beiden Vereine beschließen, ihre Mannschaften wegen erwiesener Erfolglosigkeit nicht mehr beim Fußball, sondern ab der kommenden Saison beim Wasserball teilnehmen zu lassen. Das wäre eine Revolution! Das wäre Selbstmord.

Dieses beliebte Gefasel davon, dass sich Unternehmen permanent neu in Frage stellen müssen und permanent neu erfinden müssen, ist genau so ein Unsinn. Denn wer sich wirklich daran halten würde, der wäre unfähig zu handeln. Unternehmen und ihre Mitarbeiter brauchen Stabilität, Konstanz und auch das Vertrauen darin, dass es richtig ist, was sie tun.

Im vergangenen Jahr hatten wir die Revolution in der Wirtschaft. Sie nannte sich "New Economy". Ihre Unternehmen haben das getan, was Hamel fordert: gegen Regeln verstoßen. Die "New-Economy-Revolution"

ist nach kurzer Zeit für viele beteiligte Firmen blutig zu Ende gegangen.

Revolutionen sind für Unternehmen genauso gefährlich wie für Staaten und Fußballclubs. Man kann sie nicht kontrollieren, sie zeigen Nebenfolgen, die man nicht bedacht hat, und das Ergebnis ist häufig, dass man anschließend schlechter dasteht als vorher. Die Revolution kann und darf in den Unternehmen nicht die Regel, sie kann und darf immer nur die Ausnahme sein, die Ultima Ratio, das letzte Mittel. Die Regel muss die konservative Unternehmensführung sein, das Bewahren des Erreichten und das kontinuierliche Anpassen an die Marktentwicklungen.

Mich würde interessieren, was Sie, sehr geehrter Herr Professor Backhaus, über die Thesen des Herrn Hamel denken.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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