Mit freundlichen Grüßen ...

03.05.2001

ComputerPartner

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IBM Deutschland GmbH

Geschäftsführung

Herrn Erwin Staudt

Pascalstr. 100

70569 Stuttgart

München, 30.04.01

Was Louis Gerstner von Thomas Gottschalk lernen kann

Sehr geehrter Herr Staudt,

bestimmt kennen Sie die Sendung "Wetten, dass ...?" mit Thomas Gottschalk. Da gibt es immer ein paar prominente Gäste, die wetten, ob ein Wettkandidat eine bestimmte Leistung erbringt oder nicht. Liegen sie falsch mit ihrer Wette, müssen die Promis zur Bestrafung etwas Unangenehmes tun, wozu sie sich vorher verpflichtet haben.

IBM-Chef Louis Gerstner hatte auch eine Wette abgegeben. Das war 1996, auf einem Partnerkongress von IBM in San Diego im Februar 1996. Herr Gerstner hatte damals gewettet, dass IBM es schafft, den Anteil des indirekten Geschäfts am weltweiten IBM-Umsatz von damals rund 25 Prozent auf 60 Prozent bis zum Jahr 2000 mehr als zu verdoppeln. Ich war seinerzeit in San Diego dabei und habe ausführlich über diesen "Big Shift" (Gerstner) in der IBM-Vertriebsstrategie von IBM berichtet (in unserem Online-Heftarchiv unter www.computerpartner.de können Sie sich die Artikel auf den Bildschirm holen; in der Suchmaske am besten "IBM San Diego" eingeben und die Suche auf das Jahr 1996 begrenzen).

Nun ist das Jahr 2000 vorbei, und es stellt sich die Frage, ob Herr Gerstner und die gesamte IBM das selbst gesteckte Ziel erreicht haben. Das ist nach meinen Informationen nicht der Fall. Die Wette ist verloren. In Deutschland lag der Anteil des Partnergeschäfts nach Angaben von Herrn Moll, Ihrem Direktor der Business-Partner-Organisation, im vergangenen Jahr bei 24 Prozent. Das ist, gemessen an dem in San Diego verkündeten Ziel, eine klare Zielverfehlung. Nein, ich korrigiere mich: Das ist keine Zielverfehlung, das ist ein Desaster.

Freilich kann man sagen: 24 Prozent sind auch nicht schlecht. Immerhin reden wir hier nach meiner Einschätzung von rund fünf Milliarden Mark Umsatz. Aber das ist ein typischer Verlierer-Satz ("Ich wäre ja gerne acht Meter weit gesprungen, aber 6,5 Meter sind doch auch nicht schlecht.") Big Blue hat das Ziel selbst aufgestellt, also muss das Unternehmen sich auch daran messen lassen.

Auf weltweiter Basis soll der Anteil des indirekten Vertriebs bei rund einem Drittel des IBM-Umsatzes liegen, also auch meilenweit unterhalb der Zielmarke.

Da stellt sich natürlich die Frage: Woran liegts? War der "Big Shift" von Herrn Gerstner vielleicht doch nicht so ernst gemeint? Oder hat es IBM einfach nicht auf die Reihe gekriegt? Oder liegt es an den Vertriebspartnern, die nicht so mitgezogen haben wie erwartet? Interessant wäre auch die Antwort auf die Frage: Und jetzt? Üblicherweise werden bei Zielverfehlungen - und erst recht wenn sie so deutlich ausfallen - Konsequenzen gezogen. Welche Konsequenzen zieht IBM? Oder geht man bei Ihnen im Hause ganz locker darüber hinweg nach dem Motto: Schade, nicht geschafft, und was gibt es sonst noch Neues?

Ich glaube, die Antwort auf die Frage "Woran liegts" muss lauten: IBM-Chef Gerstner hatte damals in San Diego, als er die "Big-Shift-Wette" einging, ein wesentliches Element einer Wette vergessen: Er hat nicht gesagt, was er tut, wenn er die Wette verliert. Deshalb, weil das Ziel nicht sanktioniert war und daher eine Zielverfehlung keine negativen Konsequenzen hat, bestand nicht der Druck, um mit der erforderlichen Konsequenz die Erreichung des Ziels zu verfolgen. Jetzt hat man es nicht geschafft, so what?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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