Mit freundlichen Grüßen ...

29.03.2001

ComputerPartner

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Deutsche Messe AG

Vorstand

Herrn Hubert Lange

Messegelände

30521 Hannover

Hannover, 26.03.01

Tüten und Paläste

Sehr geehrter Herr Lange,

in diesem Jahr passt das Cebit-Wetter zur Stimmung in der Branche: Regen, Kälte, grauer Himmel. Kein Wunder, dass viele Unternehmen krank sind und leiden. Auch einige Aussteller haben sich mit letzter Kraft nach Hannover geschleppt. Hoffentlich gibt ihnen die Cebit nicht den Rest. Auf der anderen Seite habe ich nicht zuletzt durch Gespräche hier auf der Messe den Eindruck gewonnen, dass die veröffentlichte Stimmung schlechter ist als die Lage. (Das Wetter ist dagegen wirklich so mies.)

Dennoch ist Sparen angesagt, und das bekommen in diesem Jahr auch die Souvenir-Jäger auf der Cebit zu spüren. Gestern sah ich einen Messebesucher, der eine riesige Tüte schleppte. An sich nichts Ungewöhnliches. Dieser Mann hatte aber nicht wie sonst üblich Kugelschreiber und Gimmicks in seiner Tüte, sondern wiederum jede Menge Tüten, nämlich von anderen Ausstellern. Zuerst tat er mir Leid, aber dann dachte ich, dass es sich vielleicht um einen Tütensammler handelt, der am nächsten Wochenende die Frau seiner schlaflosen Nächte mit der Frage "Darf ich dir meine Tütensamm-lung von der Cebit zeigen?" abschleppen will. Vielleicht symbolisiert der Tütenmann aber auch einen Trend: Auf der Cebit zählt nicht der Inhalt, sondern die Tüte, die Verpackung.

Ja, die Cebit. Jedes Jahr dieselbe Frage: Warum geht man eigentlich hin? Als Besucher, und als Aussteller sowieso. Bei den Kosten! Es gibt welche, die haben sich jetzt verweigert. Das sind unter anderem die Headhunter. Nicht alle, aber einige. Warum? Weil viele Aussteller aus Angst vor Abwerbung gar nicht mehr ihre Top-Leute nach Hannover schicken, sondern nur noch ihre B-Mannschaft.

Aber auch wichtige Aussteller sind nicht gekommen. Andere wiederum stehen auf der Warteliste. Und da hätte ich jetzt mal eine Frage. Im Vorfeld der Cebit tauchte das Gerücht auf, dass irgend jemand beim Kartellamt gegen die herrschende Praxis der Standvergabe auf der Cebit geklagt hätte. Zwar konnte dieses Gerücht durch unsere Ermittlungen nicht bestätigt werden, aber ich habe mich ein bisschen umgehört bei Leuten, die sich mit diesem Thema gut auskennen. Dabei erfuhr ich Folgendes: Die Deutsche Messe AG ist kein Unternehmen wie andere auch, sondern steht unter staatlicher Aufsicht. Ähnlich wie die Lotterien. Auch Steuergelder spielen hier eine Rolle. Nun schreibt das Gesetz nach meinen In-formationen vor, dass der Zugang sowohl zu Lotterien als auch zur Cebit jedem Interessenten offen stehen muss und niemand ausgeschlossen werden darf, der die Zugangskriterien erfüllt.

Mit anderen Worten: Firmen, die auf der Cebit ausstellen wollen und in das Messekonzept passen, müssen von Rechts wegen dazu auch die Möglichkeit haben. Die Deutsche Messe AG aber hat die Unternehmen auf der Warteliste mit dem Argument "Wir sind leider voll" abgeblockt. Nun fragt sich: Was heißt "voll"? Natürlich: Wenn zum Beispiel eine Firma Alcatel in Halle 17 einen riesigen Palast von mehreren tausend Quadratmetern Fläche aufbaut, und die Firma Lucent einen kaum kleineren daneben, dann ist die Halle ruck, zuck voll und keiner passt mehr rein. Hätten Alcatel und Lucent - für andere gilt das gleiche - sich mit weniger Fläche beschieden, wäre Platz für zusätzliche Aussteller gewesen. Dass diese Praxis denjenigen Unternehmen, die auf der Warteliste stehen, sauer aufstößt, kann ich gut nachvollziehen. Erstaunlich eigentlich, dass sich bisher noch niemand gegen diese Praxis gewehrt hat. Andererseits: Wer will es sich schon mit der Messegesellschaft verscherzen?

Mit diesem Problem haben Sie, sehr geehrter Herr Lange, ja nun nichts mehr zu tun. Nach 31 Jahren Betriebszughörigkeit zur Messegesellschaft in Hannover war dies nun Ihre letzte Cebit. Zum 1. April übergeben Sie die Verantwortung an Ihren Nachfolger Ernst Raue. Soll sich der jetzt mit diesem Thema herumschlagen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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