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01.02.2001

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Herrn Heinrich Straub

Emmericher Str. 17

90411 Nürnberg

München, 29.01.2001

Sehr geehrter Herr Straub,

in Skandinavien läuft derzeit ein Experiment, dessen Verlauf und Ausgang auch für den Handel in Deutschland interessant ist. Dieses Experiment betrifft die Neudefiniton der Rollenverteilung von Distributor und Händler beziehungsweise Systemhaus.

Dieses Experiment ist insofern für uns in Deutschland interessant, da auch hierzulande die großen Distributoren laut über dieses Thema nachdenken. Sie würden gerne von ihren Kunden, den Händlern und Systemhäusern, einige Aufgaben übernehmen. Dazu zählen vor allem das Warenlager und die Logistik. Auch die Rechnungsstellung soll zum erweiterten Dienstleistungsangebot der Distributoren gehören. "Wir wollen der Back-Room für die Händler sein", sagte Ingram-Macrotron-Chef Michael Kaack schon vor mehr als einem Jahr. Die Aufgabenverteilung der Spieler im Markt würde dann so aussehen: Der Hersteller sorgt für die Kunden, der Distributor sorgt dafür, dass die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort ist, und der Händler beziehungsweise das Systemhaus sorgt dafür, dass das ganze Gedöns beim Anwender auch funktioniert.

Die Pro-Argumente sind bekannt, und sie sind auch nicht schlecht. Aber es gibt auch gewichtige Gegenargumente, und die sind in den Augen der deutschen Systemhaus-Chefs offenkundig noch besser. Wäre es nicht so, hätte sicher schon das eine oder andere Unternehmen in Deutschland sein Lager und seine Logistik komplett an den Distributor outgesourced. Das ist mir aber nicht bekannt.

Und es ist gut so, dass sich die deutschen Systemhäuser bei diesem Thema zurückhalten. Denn das Experiment in Skandinavien verläuft anders als geplant. Das schwedische IT-Handelsunternehmen IMS hatte mit Ingram Micro eine tiefgreifende Kooperation vereinbart. Weil sich IMS als reine Consulting- und Service-Company neu aufstellen wollte, hatte das Unternehmen alles, was damit nichts zu tun hatte, an Ingram ausgelagert. Selbst der Großteil der Verkaufsmannschaft siedelte zu dem Distributor über. Ein radikaler, ein mutiger Schritt. Ein tollkühner Schritt, wie sich heute zeigt. Der Versuch ging komplett in die Hose. Nicht nur lagen die Umsätze weit unter den Planzahlen. Die IMS-Geschäftsführung musste auch feststellen, dass sie ohne das Hardware-Geschäft den Kontakt zu den Kunden beziehungsweise gleich die Kunden verlor. Mit anderen Worten: Elchtest nicht bestanden.

Ähnlich die Erfahrungen, die der skandinavische Händler Alfaskop mit dem Distributor Scribona machte. Auch hier blieb man unter Plan. Auch in diesem Falle zeigte sich, dass die Neupositionierung eines Systemhauses als reines Consulting- und Dienstleistungsunternehmen nur in der Theorie gut funktioniert, in der Praxis aber in den Untergang führen kann. Was die beiden skandinavischen Systemhäuser vor allem böse überraschte:

- das Servicegeschäft erwies sich als nicht so ertragreich wie gedacht

- der Neuorientierung des Systemhauses folgte eine Neuorientierung der Kunden: Sie wechselten zu einem Komplettanbieter.

Aus diesem Experiment im hohen Norden kann man lernen. Der Grundsatz, dass Hardware den Service nach sich zieht, und sich ohne Hardware auch der Service nicht an den Mann bringen lässt, mag zwar von gestern sein, aber er ist noch immer nicht überholt. Vor allem im Segment kleine und mittelständische Firmenkunden gilt nach wie vor das "Alles-aus-einer-Hand-Prinzip". Ein Systemhaus, das das bekannte Rundumsorglos-Paket nicht anbieten kann, hat zumindest in dieser Zielgruppe einen Nachteil. Aber ich glaube, das wissen Sie besser als ich. Oder wie sehen Sie als Chef eines mittelständischen Systemhauses die künftige Rollenverteilung im Dreieck von Handel/Systemhaus, Distribution und Industrie?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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