Mit freundlichen Grüßen

05.12.2002

ComputerPartner

Chefredaktion

Tel.: 089/3 60 86-388

Fax: 089/3 60 86-389

E-Mail: dsicking@computerpartner.de

GE CompuNet Computer AG

Vorstand

Herrn Dr. Johannes Meier

Europaring 34-40

50170 Kerpen

München, 02.12.02

Wer hat Angst vor Computacenter?

Sehr geehrter Herr Dr. Meier,

zwei Ereignisse bestimmten in der vergangenen Woche die Systemhausszene in Deutschland: Zum einen der Nicht-Einzug von T-Systems-Chef Christian Hufnagl in den Telekom-Vorstand. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Hufnagl der einzige Chef der vier Telekom-Säulen ist, also sozusagen der einzige "Säulenheilige", der nicht im Telekom-Vorstand Sitz und Stimme bekommt. Ob der Grund dafür darin liegt, dass Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke Hufnagl nicht wollte, oder ob Hufnagl selbst ablehnte - nach einem Herzinfarkt wolle er kürzer treten, heißt es -, ein Wechsel an der T-Systems-Spitze gilt als sicher. Angeblich sind Headhunter beauftragt, nach einem neuen Head zu hunten.

Das zweite Ereignis in der vergangenen Woche ist die Erklärung von Computacenter, GE CompuNet (und die Schwester-gesellschaft in Österreich) kaufen zu wollen. Erinnern Sie sich? Vor gut einem Jahr, als GE die deutsche Computacenter-Tochter übernahm und dafür die eigenen Gesellschaften in Großbritannien und Frankreich an Computacenter verkaufte, schrieb ich an dieser Stelle an Sie, dass das Kapitel CompuNet/Computacenter mit diesem bemerkenswerten Deal nach dem Muster "Tausche Autogrammkarte von Franz Beckenbauer gegen Britney Spears" noch nicht abgeschlossen sei. War ja auch nicht wirklich schwierig, das vorherzusagen.

Schon vor zwei Jahren wollte Computacenter CompuNet übernehmen. Damals scheiterte der Deal am Geld. Die Briten waren nicht bereit, so viel zu zahlen, wie General Electric für die deutsche IT-Tochter wollte. Auch im vergangenen Jahr lag der Kaufpreis zu hoch, zumal CompuNet mit 28 Millionen Euro die Rückkehr in die Gewinnzone gelungen war (Vorjahr: 31 Millionen Euro Verlust) und General Electric damit in einer starken Verhandlungsposition war.

Vor diesem Hintergrund fand ich Ihre Antwort auf die Frage interessant, warum Computacenter nun GE CompuNet kaufen will und nicht umgekehrt. "Weil Computacenter nicht zu verkaufen ist", haben Sie gesagt. Mit Verlaub, sehr geehrter Herr Meier, wer soll Ihnen das abkaufen? Ist doch auch nur eine Frage des Geldes. Und da sieht es so aus: Während CompuNet derzeit zum Schnäppchenpreis zu haben ist, müsste GE für Computacenter ganz schön tief in die Tasche greifen. Die Übernahme von CompuNet und die Schwestergesellschaft in Österreich (138 Millionen Euro Umsatz, 250 Mitarbeiter, rund 11 Millionen Euro Verlust) kostet Computacenter maximal 121 Millionen Euro; 57 Millionen Euro zahlen die Briten sofort, weitere 64 Millionen sind abhängig von dem CompuNet-Ergebnis im nächsten und übernächsten Jahr. (121 Millionen sind für ein Unternehmen in der Größenordnung von CompuNet nicht viel - die kleinere Bechtle AG wird derzeit mit rund 140 Millionen Euro bewertet.) Bezogen auf den Umsatz ist Computacenter 2,7 Mal so groß wie CompuNet inkl. Österreich und in Bezug auf den Gewinn sogar 4,8 Mal so stark (basierend auf 2001). Es lässt sich zwar nicht exakt sagen, wie viel General Electric für Computacenter auf den Tisch des Hauses hätte legen müssen, aber mindestens das Doppelte von dem, was die Briten für die GE-Töchter zahlen.

Es sind weniger die Systemhäuser in Europa, welche die Übernahme von CompuNet durch Computacenter mit Sorge betrachten müssen. Es sind vor allem die Hersteller. Und zwar vor allem diejenigen Hersteller, die mit einer eigenen Vertriebs- und Servicemannschaft bei den Top-Großkunden auflaufen (oder beabsichtigen, dies zu tun). Die Briten werden durch die geplante Akquisition ihren Umsatz auf einen Schlag um ein Drittel erhöhen und die Manpower um rund 4.000 Mitarbeiter aufrüsten. Damit baut Computacenter nicht nur die Schlagkraft zum Markt hin drastisch aus, sondern stärkt gleichzeitig die Verhandlungsposition gegenüber den IT-Herstellern. Wer sich schlecht benimmt oder negativ auffällt, wird bestraft, indem man sich verstärkt konkurrierenden Herstellern zuwendet.

Und der Chef von CompuNet - muss der Angst vor Computacenter haben? Zumindest kann er von den Briten eines lernen: wie man über Jahre hinweg profitables Geschäft machen kann (vgl. Artikel auf Seite 12 dieser Ausgabe).

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

Zur Startseite