Actebis Holding GmbH
Geschäftsführung
Herrn Michael Urban
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München, 04.11.2002
Actebis - ein Distributor in der Krise
Sehr geehrter Herr Urban,
zum dritten Mal ließ ComputerPartner in diesem Jahr IT-Händler und Systemhäuser in Deutschland ihre "Channel Champions" wählen. Unter anderem wollten wir wissen: Wer ist aus Handelssicht der beste Distributor in Deutschland? Die Händler haben gewählt, die Ergebnisse liegen vor und sind auf Seite 46 dieser Ausgabe zu lesen.
Natürlich gibt es Gewinner und Verlierer. Actebis gehört zu den Verlierern. Genau genommen ist es ein Absturz, der kaum brutaler hätte ausfallen können. In sämtlichen abgefragten Kategorien erteilten die Umfrageteilnehmer Actebis schlechtere Noten als im Vorjahr. Bei der allgemeinen Einschätzung durch die Händler landete Actebis hinter dem Wettbewerber Lion auf dem 30. und damit fünftletzten Platz. Beim Aspekt "Zuverlässiger Partner", dem wichtigsten Kriterium für die Zusammenarbeit zwischen Distributor und Händler, wurde Actebis innerhalb eines Jahres vom 4. auf den 20. Platz nach hinten durchgereicht. Eine Ohrfeige, die weh tun muss. Die vor allem auch deshalb weh tun muss, da die beiden anderen großen Broadliner Ingram und Tech Data ihre guten Positionen aus dem Vorjahr verteidigen beziehungsweise sogar ausbauen konnten.
Actebis' Absturz in der Händlergunst hat viele Gründe. Zusammengefasst haben sie die Konsequenz, dass die Händler sich bei Actebis nicht mehr so gut aufgehoben fühlen wie früher. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass Ihre Kunden sofort zur Konkurrenz überlaufen, aber die Gefahr ist riesengroß. Und dementsprechend ist der Handlungsbedarf auf Ihrer Seite riesengroß.
Dabei haben Sie so viel vor. Vor kurzem erklärten Sie der staunenden Öffentlichkeit, Actebis/Peacock wolle im kommenden Jahr an Ingram vorbeiziehen, wozu eine Steigerung des Deutschlandumsatzes auf rund zwei Milliarden Euro ausreiche. Was man leider nicht hören oder lesen konnte, war, sehr geehrter Herr Urban, wie Sie das anstellen wollen. Denn selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, den Actebis/Peacock-Umsatz in Deutschland im kommenden Jahr auf zwei Milliarden Euro zu steigern - Ihren Lieblingsgegner Ingram werden Sie damit nicht einholen können. Bereits im vergangenen Jahr setzte Ingram (inklusive Compu-Shack) rund 2,2 Milliarden Euro in Deutschland um. Derzeit liegen die Erlöse nach Angaben von Deutschlandchef Gerhard Schulz zwar fünf bis zehn Prozent unter Plan, aber immer noch über Vorjahr. Und für das kommende Jahr geht die Firmenleitung von einer weiteren Umsatzsteigerung aus. Wie Sie unter diesen Umständen mit zwei Milliarden Euro Umsatz an Ingram, die vielleicht 2,3 bis 2,5 Milliarden Euro umsetzen werden, vorbeiziehen wollen, das wird ein Kunststück sein, auf das man schon gespannt sein darf.
Aber vielleicht haben Sie ja auch die Währungen durcheinander gebracht. Wie Anfang vorigen Jahres, als Sie den Europaumsatz von Actebis des Jahres 2000 auf 8,5 Milliarden Mark bezifferten und hinzufügten, dass sich Actebis damit in etwa auf dem Niveau der Wettbewerber Ingram und Tech Data befinde. Das war natürlich Unsinn. Der Europaumsatz von Ingram zum Beispiel lag im Jahr 2000 bei 7,5 Milliarden Dollar. Dollar, nicht Mark! Also bei dem damaligen Dollar-Mark-Wechselkurs fast doppelt so viel wie die 8,5 Milliarden Mark von Actebis.
Was mich in diesem Zusammenhang natürlich auch interessieren würde, sehr geehrter Herr Urban: Wenn Sie im kommenden Jahr den Umsatz in Deutschland auf zwei Milliarden Euro steigern wollen, wo werden Sie denn in diesem Jahr herauskommen? Branchenbeobachter meinen, der Actebis-Umsatz liege um mehr als 30 Prozent unter Vorjahr. Interessant ist diese Frage auch vor dem Hintergrund, dass der Actebis/Peacock-Umsatz bereits vor zwei Jahren 4,5 Milliarden Mark, also 2,3 Milliarden Euro betrug. Da scheint eine ganz schöne Talfahrt stattgefunden zu haben.
Ich hoffe und wünsche Ihnen sehr, dass es Ihnen recht bald gelingt, die Krise bei Actebis zu lösen und das Unternehmen zu alter Stärke zurückzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking