Mit freundlichen Grüßen...

31.10.2002

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Microsoft GmbH

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Herrn Kurt Sibold

Konrad-Zuse-Straße 1

85716 Unterschleißheim

München, 28.10.2002

Es kommt nicht darauf an, die Welt zu verändern, sondern sie zu verbessern

Sehr geehrter Herr Sibold,

für HP ist die Veränderung ein Dauerzustand. Und wer es bei HP zu etwas bringen will, der braucht ein bestimmtes Chromosom, das Chromosom "C", was für "Change", also Veränderung, steht. Jetzt hat die deutsche HP-Organisation mal wieder etwas ganz Großes vor: Sie will die Welt verändern. Weil das aber selbst für die mächtige HP ein sehr ambitioniertes Vorhaben ist, braucht man Unterstützung: die der Vertriebspartner. "Together we change the world", so lautete dann auch das Motto des Vertriebspartnertages von HP vergangene Woche in Bonn.

Die Welt verändern - das wollten schon viele. Künstler, Philosophen, Politiker, Schurken. Einer der Bekanntesten: Karl Marx. "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kömmt aber darauf an, sie zu verändern", forderte der Prophet des Kommunismus. Im Gegensatz zu Marx haben die HP-Verantwortlichen in Bonn vergessen zu erläutern, was genau sie an dieser Welt verändern wollen, sodass mancher Teilnehmer dieser Veranstaltung beim abschließenden Popsong "HP, you and me, together we change the world" den Refrain nicht mit voller Überzeugung mitschmetterte (manche bewegten sogar nur die Lippen). Man kann sich aber auch so vorstellen, wie die Welt nach dem HP-Ideal aussieht: Wo immer eine Tabelle mit Marktanteilen auftaucht, steht HP auf Platz eins. (In dieser Idealwelt ist HP natürlich auch Sponsor von Ferraris Formel-1-Team mit Michael Schumacher und nicht dieser Verlierertruppe von BMW.)

Sie, sehr geehrter Herr Sibold, sind mit rund 20-jähriger Betriebszugehörigkeit ja ein HP-Veteran. Und auch Sie haben das "C"-Chromosom in Ihrer Erbsubstanz. Dass Sie nun beschlossen haben, nach nur eineinhalb Jahren an der Spitze von Microsoft Deutschland das Unternehmen zu verlassen, ist daher keine wirkliche Überraschung. Als Träger eines "C"-Chromosoms wissen Sie nämlich auch: Wenn man die Welt nicht verändern kann, muss man entweder seine Einstellung dazu verändern oder, wenn das nicht gelingt, sogar sich selbst. Da es Ihnen nun nicht gelungen ist, Unterschleißheim, den Firmensitz von Microsoft, an den Bodensee, Ihren Hauptwohnsitz, zu verlegen, und da es Ihnen und Ihrer Familie nicht gelungen ist, die ständige Pendelei gut zu finden, haben Sie beschlossen, sich selbst zu verändern, nämlich den Job in Unterschleißheim zu kündigen und an den Bodensee zurückzukehren. Ein Prozess wie aus dem Lehrbuch.

Wenn Sie mich fragen, sehr geehrter Herr Sibold: eine sehr respektable Entscheidung. Sie werden Ihre guten Gründe dafür haben. Aus Sicht von Mirosoft ist die Sache natürlich dumm gelaufen. Erst hat sich Ihr Vorgänger Richard Roy (bezeichnenderweise ebenfalls ein Ex-HPler mit "C"-Chromosom, der Mitte vergangenen Jahres das Kommando an Sie übergab) quasi selbst wegrationalisiert und schied Mitte dieses Jahres endgültig aus der Firma aus, um sich seiner Familie zu widmen, und jetzt muss die Stelle des Deutschland-Chefs schon wieder neu besetzt werden. Trotzdem: Ein Chef, der nicht mehr mit ganzem Herzen und Verstand dabei ist, ist für ein Unternehmen auch nichts. Dann ist ein harter Schnitt besser. Und was nicht zu vergessen ist: Es ist wieder ein Arbeitsplatz zu vergeben - zumindest bei Microsoft.

Es kommt aber darauf an, die Welt zu verändern, meinte Karl Marx. Das ist natürlich dummes Zeug. Veränderung ist kein Wert an sich. Es kommt daher nicht darauf an, die Welt zu verändern, sondern sie zu verbessern. Und es ist absolut in Ordnung, wenn dies in einem kleinen Rahmen geschieht. Die Pflege der Beziehung zu seinem Lebenspartner und die Verbesserung der eigenen Lebensqualität ist ein absolut legitimes Ziel, für das man sich nicht rechtfertigen muss - für einen 53-jährigen Mann gilt das sowieso. Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Sibold, dass Ihnen dies gelingt.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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