Mit freundlichen Grüßen ...

17.10.2002

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München, 14.10.2002

Ein Meister ist noch lange kein Profi, aber wer dann?

Sehr geehrter Herr Boeker,

die SPD plant, das so genannte Meisterprivileg zu lockern, um Unternehmensgründungen zu erleichtern und auf diese Weise den Arbeitsmarkt zu beleben. Damit entspricht die SPD weitgehend den Forderungen sowohl des Branchenverbandes Bitkom als auch der Initiative D21. Beide verlangen die Abschaffung des Meisterzwangs zumindest im Bereich der Informationstechnik.

Ich bin überrascht, dass das Thema Meisterzwang heute überhaupt wieder auf die Tagesordnung gekommen ist und noch immer so viele und auch so heftige Reaktionen auslöst. Sie selber, sehr geehrter Herr Boeker, haben sich mit einem klugen Kommentar auf unserer Homepage ja auch an dieser Diskussion beteiligt. Es gibt sicher einige Argumente, die für die Lockerung oder die Abschaffung des Meisterzwanges sprechen. Dass man auf diese Weise aber die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen kann, ist Unsinn. Warum?

1. Weil wir in Deutschland keine Unterversorgung an IT-Fachbetrieben, also zu wenig Firmen, haben. 2. Weil der zu verteilende Umsatz nicht größer wird, nur weil es mehr Firmen gibt. Sondern die einzelnen Stücke werden kleiner. 3. Weil mit einer steigenden Zahl von Firmen der Konkurrenzdruck zunimmt. 4. Weil solche Betriebe, denen das Wasser bis zum Hals steht, mit "Rettungsaktionen" der gesamten Branche Schaden zufügen. 4. Weil dies zu einer steigenden Anzahl von Insolvenzen in der IT-Branche führen würde, was die Gespräche auch jedes gesunden Händlers mit seinem Kreditinstitut belasten würde. 5. Weil jeder IT-Betrieb, der Pleite geht, die Zahl der Arbeitslosen erhöht.

Hinter der Diskussion "Pro und Kontra Meisterbrief" steht im Wesentlichen die Frage nach der Professionalität einer Branche. Ein Profi in der IT-Branche, wer ist das eigentlich? Die Definition, dass ein Profi in der IT-Branche jemand ist, der, ähnlich wie der Profi-Sportler, mit dem, was er tut, seinen Lebensunterhalt verdient, greift zu kurz. Ein Profi ist vielmehr derjenige, der das, was er tut, professionell tut, das heißt konsequent auf die Erreichung eines Zieles ausrichtet. Vor diesem Hintergrund sind viele so genannte Profis auch in der IT-Branche in Wahrheit Amateure, weil sie sich von ihren wechselnden Launen und Interessen leiten lassen.

Ob jemand ein Profi ist oder nicht, lässt sich freilich nicht daran erkennen, ob er im Besitz eines Meisterbriefes oder eines entsprechenden Hochschulexamens ist. Aber genauso wie sich Sportler qualifizieren müssen, um an bestimmten Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen, ist es notwendig, dass sich auch Personen in der IT-Branche qualifizieren müssen, um bestimmte Aufgaben übernehmen zu dürfen. Und es reicht nun einmal nicht, diese Qualifikation nur zu behaupten, sondern sie muss nachgewiesen werden.

Es ist schon erstaunlich: Wer, sagen wir, bei den Olympischen Spielen im Stabhochsprung teilnehmen will, der muss eine bestimmte Höhe überspringen können, um überhaupt zum Wettkampf zugelassen zu werden. Dafür muss er viele Jahre trainieren, dazu braucht er auch jemanden, der ihm zeigt, wie man mit einem Stab über die Latte kommt und sich anschließend bei der Landung nicht sämtliche Knochen bricht, also einen Trainer. Wer dagegen ein Unternehmen gründen will und damit zwangsläufig Verantwortung aufnimmt für Kunden, Lieferanten und vielleicht auch Mitarbeiter und deren Familien, der soll einfach loslegen dürfen? Ist irgendwie absurd, finden Sie nicht?

Man sollte bei der Diskussion um den Meisterbrief nicht vergessen, dass ein wesentlicher Inhalt dieser Ausbildung in der Vermittlung unternehmerischer Fertigkeiten besteht. Der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Heinrich Traublinger, behauptet, dass die "Insolvenzgefahr eines Betriebs, den ein Meister gründet, nur halb so groß ist wie die in allen anderen Wirtschaftsbereichen". (Allerdings meine ich, dass es ausreichen muss, wenn ein Unternehmensgründer, der nicht selber einen Meisterbrief hat, einen Meister anstellt.) Der "Meister" allein macht zwar nicht den Profi, aber er ist eine gute Grundlage, um über die Latte zu kommen und sich nicht dabei den Hals zu brechen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

PS: Das Thema "Meister oder nicht" spaltet die Branche - und unsere Redaktion. Lesen Sie dazu auch den Beitrag meines Kollegen Klaus Hauptfleisch auf Seite 30.

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