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04.10.2002

ComputerPartner

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Hynix Semiconductor Deutschland GmbH

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Herrn J. Park

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München, 30.09.02

Die Schulden von Hynix und der so genannte Schmetterlingseffekt

Sehr geehrter Herr Park,

am Donnerstag vergangener Woche saßen wir in der Redaktion wie jeden Tag zusammen, um die Nachrichten für ComputerPartner-online auszuwählen. Kollege H. berichtete, dass der schwer angeschlagene Halbleiterhersteller Hynix aus Südkorea, immerhin der drittgrößte Computerchip-Produzent der Welt, seine Flachbildschirmproduktion an die chinesische Firma BOE Technology verkaufen wolle. Hynix wolle damit seine Schulden von mehr als fünf Milliarden Euro abbauen.

Der Vorschlag des geschätzten Kollegen H. wurde von der Runde mit der gewohnten professionellen Mischung aus Aufmerksamkeit, Skepsis und völligem Desinteresse aufgenommen. "Wenn ihr mich fragt", sagte Kollege L., "dann finde ich diese Nachricht für unsere Leser genauso interessant und relevant, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt."

Doch mit dieser Bemerkung war er bei dem Kollegen H. an den richtigen geraten. Ob er, L., denn noch nie von dem "Schmetterlingseffekt" gehört habe. "Ist das nicht diese Geschichte mit den Schmetterlingen im Bauch, wenn man 16 und frisch verliebt ist?", fragte Kollegin G. "Blödsinn!", wies Kollege H. sie zurecht und belehrte: "Bekanntlich geht der Schmetterlingseffekt auf den Meteorologen Edward Lorenz zurück, der 1963 entdeckte, dass kleine Faktoren wie zum Beispiel der Flügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika darüber entscheiden können, ob sich Tage später ein Hurrikan auf die Westküste der USA zubewegt oder nicht. Und wenn jetzt Hynix seine Flachbildschirmproduktion verkauft, dann ist das vielleicht auch so ein Schmetterlingsflügelschlag, der irgendwo auf der Welt in der Flach-bildschirmbranche einen Hurrikan auslöst. Vielleicht auch in Deutschland. Daher steht für mich außer Zweifel, dass diese Meldung für die ComputerPartner-Leser von einer ganz außerordentlichen Relevanz ist", sagte H. und blickte herausfordernd in die Runde.

"Jaja, der Schmetterlingseffekt", entgegnete Kollege M. "Dir scheint entgangen zu sein, dass Wissenschaftler der Universität Grenoble den Schmetterlingseffekt längst widerlegt haben. Einer der Forscher, Raoul Roberts, hat es schön formuliert - ich zitiere: 'Ich weiß zwar auch nicht, wie man das Wetter in zwei Wochen vorhersagt; aber was immer uns daran hindert - die Schmetterlinge sind es nicht.'" Nun mischte sich auch der Kollege W., ein promovierter Physiker, in die Diskussion ein. "Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern", sagte er gegen den Kollegen M. gewandt, "dass der Mathematiker Warwick Tucker von der Universität Uppsala in Schweden in seiner Doktorarbeit akribisch nachgewiesen hat, dass der Schmetterlingseffekt tatsächlich wirkt. Seinen Beweis führte Tucker übrigens mithilfe des Konzepts der 'Singulären Hyperbolizität', das auf Morales, Pacifico und Pujals aus dem Jahre 1998 zurückgeht." "War das nicht 1999?", fragte Kollegin F. und schaute angestrengt an die Decke.

Wie man sieht, macht es sich die ComputerPartner-Redaktion nicht leicht, wenn es um die Auswahl der Nachrichten für unsere Leser geht. Das Wichtige vom Unwichtigen, das Relevante vom Irrelevanten, das Unterhaltsame vom Langweiligen sortieren, das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Die nehmen wir sehr ernst.

Ach ja, wir haben dann doch eine Onlinemeldung über den geplanten Verkauf der Flachbildschirmproduktion von Hynix an BOE gebracht. Es hat sich kein Schwein dafür interessiert.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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