Mit freundlichen Grüßen ...

01.08.2002

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CE Consumer Electronic AG

Vorstand

Herrn Erich Lejeune

Denninger Straße 15

81679 München

München, 29.07.02

Mit den Clowns kamen die Tränen

Sehr geehrter Herr Lejeune,

der Absturz des Neuen Marktes und vieler Technologie- und Internet-Firmen hat uns einen Verlust beschert, der heute erst ansatzweise wahrgenommen wird. Ich meine den Verlust der Entertainer auf dem Chefsessel.

Rückblick: Vor drei Jahren, Ende 1999, konnte man in der angesehenen "Wirtschaftswoche" lesen: "Erfolgreiche Manager müssen heute vor allem Entertainer sein." Wenn in den USA von dem "CEO" die Rede war, dann meinte man immer öfter den "Chief Entertainment Officer" statt des "Chief Executive Officers". Der Trend aus Amerika fiel in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Viele Vorstände und Geschäftsführer entdeckten ihre Showmaker-Qualitäten und drängten sich ins Rampenlicht. Andere, die nicht über dieses Talent verfügten, mussten sich Vorwürfe ihrer Aufsichtsgremien gefallen lassen. Sie aber nicht, sehr geehrter Herr Lejeune, im Gegenteil. Sie sind für mich derjenige Manager, der diesen Typus des "Chief Entertainment Officers" am reinsten verkörpert.

Sie sind als Buchautor in Erscheinung getreten. Sie haben eine eigene Show im Fernsehen. Sie haben sich als "Deutschlands Motivator Nummer 1" (Lejeune über Lejeune) feiern lassen, und immer wieder waren Sie mit einem strahlenden und positiven Lächeln in Münchens Zeitungen abgebildet, mal als Honorarkonsul von Irland, mal als frisch gebackener Inhaber des Verdienstordens, mal aus dem Grunde, weil Sie irgendwo waren, wo auch andere wichtige Leute waren. Mit anderen Worten: Erich Lejeune war prominent.

Doch der Wind hat sich gedreht, die Show ist vorbei. Die Thomas Gottschalks an der Spitze der Unternehmen haben ausgespielt. "Die Stars an der Spitze sinken in der Gunst des Publikums derzeit genauso schnell wie die Kurse ihrer Unternehmen an der Börse", schrieb die Tageszeitung "Die Welt" vergangene Woche. Warum das so ist, hat der amerikanische Publizist Jim Collins herausgefunden. Er hat die Fernsehauftritte der Chefs von 1.435 Firmen gezählt. Das Resultat: Je häufiger ein Vorstandsvorsitzender vor der Kamera steht, desto mieser ist die Performance seines Unternehmens.

Einige der "Popstars" der deutschen Wirtschaft haben mittlerweile glänzende Pleiten hingelegt. Die britische Beratungsfirma Oliver, Wyman & Company hat jetzt ermittelt: Je prominenter und schillernder der Chef, desto heftiger wird die Pleite. Der wesentliche Grund: Viele dieser Manager bauten ihren Ruf auf die Ausweitung ihres Imperiums durch Firmenübernahmen auf und ließen sich als kühne Eroberer feiern. Oliver, Wyman & Company nennen das den "Tycoon-Faktor". Solange die Konjunktur und die Banken mitspielten, lief das prima. Doch das ist vorbei. Fazit des britischen Beratungshauses: Die Chefs mit dem höchsten Tycoon-Faktor führen die größten Pleitefirmen (Global Crossing, Worldcom, Qwest, Enron, Tyco).

Sie, sehr geehrter Herr Lejeune, sind ja auch ein Tycoon. Ihr Unternehmen, die CE Consumer Electronics AG, hat in den vergangenen Jahren auf dem Weltmarkt Firmen aufgekauft, dass einem ganz schwindelig werden konnte. Doch auch bei Ihnen ist die Euphorie erstickt. CE ist inzwischen nicht mehr das Vorzeigeunternehmen. Dass Sie vor kurzem zugeben mussten, Korrekturen in der Bilanz in Höhe von 47 Millionen Euro vornehmen zu müssen, lässt aufhorchen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir selber einmal auf die Schulter klopfen. Als ich mich Ende 1999 in einem Kommentar mit diesem Phänomen der Showmaker in der Wirtschaft beschäftigte, schrieb ich: "Man sollte dem Trend nicht zu viel Bedeutung zumessen. Mit Zaubertricks oder Hochseilakrobatik mag der "Chief Entertainment Officer" sein Publikum für kurze Zeit beeindrucken. Auf Dauer aber reicht das nicht aus." Wie wahr! Vor allem die vielen kleinen Aktionäre, die sich von den Strahlemännern und Unterhaltungskünstlern blenden ließen und ihr sauer verdientes und erspartes Geld in deren Unternehmen investierten, sind eine Erfahrung reicher: Erst kamen die Clowns, dann kamen die Tränen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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