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25.07.2002

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IBM Deutschland GmbH

Personalgeschäftsführung

Frau Dr. Juliane Wiemerslage

Pascalstr. 100

70569 Stuttgart

München, 22.07.2007

Wer viel misst, misst viel Mist

Sehr geehrte Frau Dr. Wiemerslage,

finden Sie Umfrageergebnisse auch so interessant? Wie viel Aufschlussreicheres, Unerwartetes und Unsinniges doch immer zu Tage befördert wird! Hier zum Beispiel: Was ist für Arbeitnehmer das Wichtigste in ihrem Job? Antwort: Das gute Verhältnis zu den Kollegen. Das zumindest sagen fast zwei Drittel der Teilnehmer einer aktuellen Umfrage. Auf Platz zwei und drei der Wichtigkeitsskala folgen "Abwechslungsreiche Tätigkeit" (65,6 Prozent) und "Eigenverantwortliche Tätigkeit" (63,7 Prozent). Das Kriterium "Gehalt" liegt abgeschlagen auf dem zehnten Platz, nur für 28,5 Prozent hat das Geld oberste Priorität.

Ich würde auf diese Umfrage kein Wort verschwenden, wenn nicht immer wieder ähnliche Ergebnisse präsentiert würden. Die Häufigkeit macht sie aber nicht besser. Ich halte diese Ergebnisse für dummes Zeug. Zwar will ich nicht behaupten, dass die Umfrageteilnehmer bei ihren Antworten regelmäßig lügen, also bewusst die Unwahrheit sagen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass viele ihre Antworten völlig unreflektiert ohne tieferes Nachdenken abgeben.

Es gibt einen sehr zuverlässigen Weg, um zu ermitteln, was der Bevölkerung am Arbeitsplatz wirklich am wichtigsten ist, was die motivierenden Faktoren sind. Man braucht nur alle arbeitslosen Familienväter zu fragen. Ich garantiere Ihnen, dass das Ergebnis völlig anders ausfallen würde als das, was man überlicherweise zu lesen bekommt. Das Geld als Triebfeder würde an der Stelle stehen, wo es seinen wahren Platz hat: ganz oben. Die "weichen" Faktoren wie gutes Verhältnis zu Kollegen, Vorgesetzten und Nachgeordneten würden nach unten rutschen. Ist ja auch ganz klar: Wer Hunger hat, der will zunächst einmal satt werden, danach erst denkt er vielleicht daran, es sich gemütlich zu machen. Mit anderen Worten: Die Einstellung, dass das gute Verhältnis zu den Kollegen sowie eine abwechslungsreiche und eigenverantwortliche Tätigkeit das Wichtigste im Job sind, muss man sich erst einmal leisten können.

Ich lasse mich ja gerne eines Besseren belehren, aber ich glaube kaum, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit mit der Keule auf die Jagd gegangen sind, weil das Gemeinschaftserlebnis so schön war oder um sich selbst zu verwirklichen. Eher glaube ich, dass sie deshalb ihre Behausung verlassen haben, um eine großes, fettes Stück Fleisch nach Hause zu schleppen. In dieser Hinsicht hat sich bis heute nicht viel geändert, scheint mir.

Natürlich sind die so genannten weichen Faktoren wichtig, keine Frage. Natürlich macht die Arbeit mehr Freude, wenn man sich im Kollegenkreis gut versteht oder zumindest nicht bekriegt, natürlich ist es angenehmer, wenn die Arbeit abwechslungsreich ist, natürlich freut man sich über Lob und Anerkennung. Alles das ist richtig und wichtig. Aber so richtig und wichtig dies ist, es ist nicht das Entscheidende. Wem es, unabhängig von seiner materiellen Versorgung, auf das Gemeinschaftsgefühl ankommt, der tritt einem Verein von Gleichgesinnten bei, wem es auf die Selbstverwirklichung ankommt, der wird Maler oder Ultramarathonläufer. Aber weder für den, der eine Arbeit sucht, noch für den, der in einem Arbeitsverhältnis steht, sind diese Dinge entscheidend. Entscheidend ist das Geld, das Gehalt, der Lohn, das Honorar.

Sie, sehr geehrte Frau Dr. Wiemerslage, verfügen als Personalchefin und Arbeitsdirektorin der IBM Deutschland natürlich über unvergleichlich mehr Erfahrung in diesem Bereich als ich. Daher würde mich Ihre Meinung zum Thema besonders interessieren.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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