Mit freundlichen Grüßen ...

18.07.2002

ComputerPartner

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Tally Computerdrucker GmbH

Geschäftsführung

Herrn Gebhart Morent

Glockeraustr. 4

89275 Elchingen

München, 15.07.02

Wenn Dell Tally kaufen würde, wären alle überrascht

Sehr geehrter Herr Morent,

in der vergangenen Woche las ich in meiner Frühstückszeitung, dass der deutsche Strandkorb in diesem Jahr 120 Jahre alt wird (was man manchen Exemplaren an Nord- und Ostsee auch ansieht). Beim Lesen dieses Beitrags musste ich spontan an Tally denken. Ich war selbst erstaunt über diese Assoziation, aber inzwischen ist mir der Grund klar: Was der Strandkorb für die ostfriesischen Inseln, das ist Tally für die Druckerbranche: wetterfest, beständig, solide. Und irgendwie dazugehörig.

Ebenfalls in der vergangenen Woche landete eine Mitteilung aus Ihrem Haus auf meinem Schreibtisch. Dieser war zu entnehmen, dass Tally das Firmengelände in der Elchinger Glockerau an die Firma Brüninghaus-Hydromatik verkauft und einen neuen Standort in der Gegend sucht. Mein erster Gedanke war: Wen interessiert das? Naja, die Lokalpresse, aber die hatte bereits Ende Mai darüber berichtet. Da ich aber weiß, dass Tally immer nur dann eine Presseinfo herausgibt, wenn das Unternehmen wirklich etwas zu sagen hat, muss mehr dahinter stecken. Aber was?

In dem Anschreiben zu der besagten Presseinfo ist zu lesen, dass Tally "Deutschlands einziger großer Druckerhersteller" sei. Das ist insofern zweifelsohne richtig, als dass Tally in Deutschland sitzt und hier sogar auch produziert. Aber ist Tally ein deutsches Unternehmen? Darüber lässt sich diskutierten, denn seit 1996 gehört Tally zur britischen Beteiligungsgesellschaft Legal & General Ventures (LGV). Diese Investment-Company beabsichtigte ursprünglich, ihre Neuerwerbung Tally Gewinn bringend an der Börse zu platzieren. Aber das klappte bisher nicht. Und wie es aussieht, wird auch in absehbarer Zeit nichts daraus werden.

Nun haben solche Gesellschaften wie LGV in der Regel kein Interesse an langfristigen Beteiligungen, und die amerikanischen und britischen schon gar nicht. Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die LGV ihr Engagement bei Tally beenden möchte. Die Frage ist nur: Wer kauft einen Druckerhersteller, und dann noch in Zeiten wie diesen?

Ja, wer? Seit einiger Zeit wabern Gerüchte durch die Branche, dass die Firma Dell plant, einen Druckerhersteller zu übernehmen. Es sind bereits einige Kandidaten genannt worden, aber sogleich kam das Dementi. Tally hat bisher keiner auf der Rechnung. Warum eigentlich nicht? Gut, Tally ist nicht HP, und mit einem Umsatz von 190 Millionen Euro spielt Tally auch nicht gerade in der Bundesliga. Aber das Unternehmen mit seinen 1.000 Mitarbeitern, davon ein Drittel in Deutschland, ist weltweit vertreten und hat sogar einen Produktionsstandort in den USA (Kent). Und ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, sehr geehrter Herr Morent, den Kaufpreis für Tally zahlt Dell sicher aus der Portokasse (wobei die Portokasse des Direktversenders Dell natürlich ganz schön groß ist).

Und wie das Leben manchmal so spielt: Als wir uns in der vergangenen Woche bei Ihnen im Hause nach den Beteiligungsverhältnissen erkundigten, da erfuhr der erstaunte Anrufer, dass in dieser Hinsicht bei Tally momentan Veränderungen im Gange seien, über die man aber noch nicht reden dürfe oder könne oder wolle, und man spürte, dass unser Anruf gerade furchtbar ungelegen kam.

Geben Sie es zu, sehr geehrter Herr Morent, Ihre Pressemitteilung über den Verkauf des Firmengeländes war nur eine Nebelkerze, um von dem wirklich Wichtigen bei Tally abzulenken. Aber wir haben das Manöver durchschaut. Deshalb leugnen Sie nicht: Tally wird an Dell verkauft. Und die Branche ist verblüfft.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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