Mit freundlichen Grüßen ...

11.07.2002

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Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE)

Präsidium

Herrn Hermann Franzen

Am Weidendamm 1A

10117 Berlin

München, 08.07.02

Vom HDE können viele noch viel lernen

Sehr geehrter Herr Franzen,

den deutschen Einzelhändlern geht es schlecht. Ein Drittel von ihnen "liegt im Koma", teilten Sie kürzlich der schockierten Öffentlichkeit mit. Das ist schlimm. Zwei Dinge sind charakteristisch für den Komazustand. Erstens kann niemand sagen, wie lange dieser Zustand andauert. Und zweitens ist ein Komapatient absolut handlungsunfähig. Punkt eins ist offenkundig gegeben: Der Hauptgrund für die katastrophale Verfassung des Einzelhandels liegt nach Ihrer Diagnose darin, dass die Taschen der Verbraucher wie zugenäht sind und sie einfach zu wenig Geld ausgeben. Wann sich die Lage bessert, ist derzeit nicht absehbar.

Wie steht es mit Punkt zwei, der absoluten Handlungsunfähigkeit des Komapatienten? Ich denke, so ganz ohnmächtig ist der Handel nicht. Er muss auf die Kosten achten und jede Möglichkeit nutzen, ein paar Euro zu verdienen. Auch ungewöhnliche Maßnahmen sind erlaubt und ausdrücklich erwünscht. Not macht erfinderisch, Originalität ist gefragt. Es gibt ja doch immer noch die eine oder andere Einnahmequelle, an die man bisher noch gar nicht gedacht hatte.

Der HDE geht hier mit gutem Beispiel voran, da kann man noch richtig etwas lernen. Beispiel Pressefotos. Wer, wie meine Kollegin Gabi Nehls, einen Beitrag über den HDE veröffentlichen will und den Text mit einem Foto des Präsidenten, also von Ihnen, schmücken will, der muss 80 Euro berappen. Das ist mal etwas Neues, das hat's noch nicht gegeben. In der Regel haben die Pressestellen immer ein, zwei Fotos ihrer wichtigsten Funktionsträger im Schuhkarton und schicken es einem gerne zu. Aber klar:

Wo steht eigentlich geschrieben, dass Unternehmen, Verbände und Organisationen ihre Pressemitteilungen oder die Fotos ihrer Führungsmannschaft den Medien kostenlos zur Verfügung stellen müssen? Na bitte! Ich kann mir Ihre Argumentation gegenüber den Verlagen schon denken: "Mein Foto verhilft euch dazu, eure Produkte zu verkaufen. Aber wo liegt mein Vorteil? Ich will an diesem Geschäft teilhaben. Also her mit der Kohle." Ein interessanter Ansatz, wie ich finde. Sie haben jedoch auf halber Strecke halt gemacht. Konsequent wäre es, wenn Sie auch noch ein Zeilenhonorar verlangen würden. Vielleicht kommt das ja noch, wenn der Leidensdruck weiter steigt. Stören Sie sich bitte nicht daran, wenn jemand einwirft, das sei Scheckbuchjournalismus und daher unseriös.

Apropos unseriös: Was ist eigentlich dran an dem Vorwurf, dass HDE-Hauptgeschäftsführer Holger Wenzel, der in Personalunion Generalsekretär der Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände (BDH) ist, verbotenerweise zum Boykott aufgerufen habe? Vor wenigen Tagen konnte man lesen, dass das Bundeskartellamt wegen des Verdachts ermittelt, der Dachverband der Handelsverbände habe Teile der Industrie dazu aufgerufen, die Konkurrenzfirmen des Dualen Systems Deutschland (DSD) zu boykottieren. Besonders pikant wird die Sache dadurch, dass die großen Handelsfirmen am DSD beteiligt sind. Jetzt soll der Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände ein Bußgeld von 500.000 Euro drohen (oder 6.250 Franzen-Fotos). Echt kleinlich vom Kartellamt, nicht wahr? Ich meine, in diesen harten Zeiten muss jeder sehen, dass er irgendwie über die Runden kommt. Ideen sind gefragt, Aktionen, Taten. Dass die Handelsverbände in dieser Hinsicht ganz vorne stehen, wundert mich nicht. Ein Handelsverband ist ein Verband, der handelt, ist doch logisch.

Ich wollte Ihnen, sehr geehrter Herr Franzen, nur mitteilen, dass wir Ihr Foto dann doch nicht genommen haben. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass auch die Medien auf ihre Kosten achten müssen. Allerdings haben wir auch auf die Veröffentlichung des Artikels verzichtet. Das wäre dann so ein unschöner Textfriedhof geworden, und "Friedhof" in Zusammenhang mit dem Handel erschien uns nicht angemessen. Ich hoffe auf Ihr Verständnis und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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