Mit freundlichen Grüßen ...

31.01.2002

ComputerPartner

Transtec AG

Vorstand

Herrn Bernhard Bruscha

Waldhörnlestraße 18

72072 Tübingen

München, 28.01.2002

Ein Akt der Verzweiflung

Sehr geehrter Herr Bruscha,

haben Sie das auch gelesen? Wissenschaftler der britischen Universität Oxford haben jetzt herausgefunden, dass Schafezählen zum Einschlafen völlig untauglich ist. Das Gegenteil ist sogar richtig. Wer Schafe zählt, bleibt wach. Wieder einmal eine Lebenswahrheit, mit der wir groß geworden sind, die auf dem Schutthaufen der Irrtümer landet.

Dort landet in diesen Tagen auch die Vorstellung, dass die Anzeigen von IT-Herstellern sachlich, nüchtern, faktenbezogen und vernunftgeprägt sein müssen. Nach dem Motto

"Sex sells . und IT-Einkäufer sind auch nur Männer" beweisen Sie mit Ihrem aktuellen Anzeigenmotiv das Gegenteil. (Das muss etwas mit den Anfangsbuchstaben Ihres Vor- und Zunamens zu tun haben. Die sind schließlich dieselben wie bei Brigit Bardot, der Sexgöttin der 50er und 60er Jahre. Und wie bei Boris Becker, dessen Aktivitäten in dieser Hinsicht inzwischen auch bekannt sind. Und nicht zu vergessen Benjamin Blümchen, den Erfinder des Blümchensex.)

Mit Ihrer aktuellen Anzeige zeigen Sie einmal mehr, dass Sie auf der Höhe der Zeit sind. Die Luder sind im Gespräch, spätestens seit der vorletzten Sendung von "Wetten, dass...?" (oder war es die vorvorletzte?). Wie Sie das hingekriegt haben, sehr geehrter Herr Bruscha, dieses Mädchen vor dieser Flaschenbatterie (die Flaschen sind, psychoanalytisch gesehen, natürlich ein Symbol für Männer und im engeren Sinn für IT-Einkäufer), das hat schon was, ein echter Hingucker. Und dann der Text darunter: "81% aller Nachwuchsluder glauben, dass man durch transtec prominent wird." Super! Zuerst fragt man sich: Was hat das mit Transtec zu tun? Und dann geht einem ein Licht auf. Nichts! Aber es macht uns trotzdem etwas klar, was wir schon geahnt haben. Deutschlands Luder und erst recht Deutschlands Nachwuchsluder sind dumm. Würden sie sonst glauben, dass man mit Transtec prominent wird? Eben. Ich finde, Ihre Anzeige hat einen Hauch Gesellschaftskritik, vielleicht aber auch nicht.

Und vielleicht will uns Ihre Anzeige doch noch mehr sagen. Ich habe da allerdings noch nicht die Kurve gekriegt. Meine Kollegin Cornelia Hefer, die sich mit diesen Dingen auskennt, meint, das Ziel der Anzeige sei nur, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen. Aber das glaube ich nicht. Erstens, weil das abgebildete Nachwuchsluder total bescheuert in den Fotoapparat grinst und von daher schon mal keine positiv-erotische Grundstimmung entsteht. Und zweitens fragt man sich natürlich auch, was für ein Bild die Firma Transtec von ihren Kunden hat: alles triebgesteuerte Wesen, deren Verstand aussetzt, sobald sie den Busen einer Frau sehen? (Für einen Teil mag das ja sogar zutreffen, aber niemand hat es gerne, wenn andere einem das öffentlich mitteilen.)

Ich glaube, dass diese Anzeige ein Akt der Verzweiflung ist, den man nur versteht, wenn man die Geschäftslage von Transtec kennt. Die ist ja alles andere als rosig. Jetzt kann nur noch Sex helfen. Soll ja auch eine gute Einschlafhilfe sein. Schafezählen hilft bei Ihnen und den Transtec-Aktionären wohl schon lange nicht mehr, um in den Schlaf zu finden. Oder?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

Zur Startseite