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18.12.2003

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Herrn Geheimrat

Johann Wolfgang von Goethe

Frauenplan 1

99423 Weimar

München, 15.12.2003

Die IT-Branche, die Branche der Dichter und Denker

Sehr geehrter Herr von Goethe,

Pisa-Studie hin, Dieter Bohlen her, die Deutschen sind immer noch ein Volk der Dichter und Denker. Den Beweis traten vor Weihnachten einige IT-Firmen ein, die ihre Einladungen zur Weihnachtsfeier in Versform verschickten. Hier zwei besonders gelungene Exemplare:

"Weihnachten ist nicht mehr weit, drum wird's für den Stammtisch Zeit

Ho, Ho, Ho Creative gibt einen aus - in Bälde kommt der Nikolaus.

So spannt jeder g'schwind sein Rentier an, eilt zum Spektakel so schnell er kann.

Und ward ihr immer artig und fein, werdet ihr es nicht bereuen.

Der Nikolaus hat mit dabei den Sack voll Creative-Allerlei.

Nur für das böse, schlimme Kind legt er die Rute hin geschwind."

Ist doch toll, oder? Na gut, beim Rhythmus stimmt es nicht so ganz, aber dafür reimt es sich. Wie bei jedem guten Gedicht hat auch dieses eine tiefere Ebene, damit man nachdenken kann. So werden es die Journalisten "nicht bereuen", wenn sie "immer artig und fein" waren, denn offenbar gibt es für sie ein Geschenk. Dies ist ein aufschluss- reicher Hinweis darauf, welches Journalistenbild man bei Creative offenbar hat: "artig und fein" sollen die Pressevertreter sein, sonst bekommen sie die Rute. (Hier drängt sich die Schlagzeile auf: "Creative droht unlieb- samen Journalisten Prügel an.")

Noch besser gefällt mir das folgende Verslein von Western Digital:

"O Tannenbaum, o Tannenbaum, mit WD da wirst du umgehauen.

Wir kommen zu dir in den Wald und sägen so lang bis es knallt.

Ein Schlückchen Glühwein wärmt uns auf, nach dem anstrengenden Christbaumkauf.

Danach kehren wir im Brauereigasthof Aying ein und stürzen uns auf Leckereien.

O Tannenbaun, o Tannenbaum, da bist du längst schon umgehauen."

Auch hier fällt zunächst wieder der freie und geradezu waghalsige Umgang mit dem Rhythmus auf. Intellektuell besondern anspruchsvoll die zweite Zeile. Denn nicht nur der erfahrene Laubsägearbeiter fragt sich verdutzt: Was knallt denn da, wenn man sägt? Der Dichter gibt hierauf natürlich keine Antwort, das ist ja gerade das Tolle. Auch die Präzision der Aussagen beeindruckt. So kehren die Waldarbeiter nicht irgendwo ein, keine x-beliebige Schankstätte suchen sie auf, nein, sie lassen sich im "Brauereigasthof Aying" nieder. Wunderbar gelungen ist dem Dichter auch die Spannung zwischen Freude und Melancholie, die dem Weihnachtsfest ja anhaftet. Während die einen feiern und eine gute Zeit haben ("stürzen uns auf Leckereien"), geht?s den anderen dreckig ("da bist du längst schon umgehauen").

Sie sehen also, sehr geehrter Herr von Goethe, es ist gar nicht so schlimm, wie die Zeitungen immer schreiben. Schon allein diese beiden kleinen Gedichte zeigen überdeutlich: Deutschland ist noch immer die Kulturnation, die man in der ganzen Welt kennt. Ihr Erbe, sehr geehrter Herr von Goethe, lebt. Zumindest in der IT-Branche.

Mit vorzüglicher Hochachtung!

Damian Sicking

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