Mit freundlichen Grüßen

06.11.2003

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Herrn

Bill Gates senior

USA

München, 03.11.2003

Seit gestern bin ich ein Fan von Ihnen

Sehr geehrter Herr Gates,

gestern veröffentlichte die "Welt am Sonntag" (WamS) ein Interview mit Ihnen, und natürlich habe ich es gelesen. Schon allein aus Neugier. Man will ja schließlich wissen, was der Vater des Microsoft-Chefs und also des reichsten Mannes der Welt so von sich gibt. Und ich muss Ihnen sagen: Ich war überrascht, positiv überrascht, eigentlich sogar begeistert. Dieses Interview ist das Beste, was ich seit einiger Zeit gelesen habe. Natürlich geht es darin auch um Ihren Sohn, um seinen Erfolg, um sein Scheitern, um das Konkurrenzverhalten von Microsoft. Doch viel spannender als Ihre Einschätzung, dass Bill "the kid" "noch mindestens zehn Jahre" bei Microsoft bleibt, fand ich Ihre Ausführungen zum Thema Steuern.

Wie Sie wissen, wird das Thema Steuern hier bei uns in Deutschland derzeit kontrovers diskutiert. Sollen die Steuern erhöht werden oder doch lieber gesenkt? Und welche Steuern überhaupt? Und um wie viel? Jetzt hat sich endlich der deutsche Kabarettist Volker Pispers - ein bissiger, aggressiver und intelligenter Mensch - in die Debatte eingemischt. Er sagt: "Die Steuern müssen nicht erhöht werden. Sie müssen auch nicht gesenkt werden. Die Steuern müssen bezahlt werden." Womit wir wieder bei Ihnen wären.

In dem WamS-Interview kritisieren Sie, dass Firmen, aber auch vermögende Privatpersonen wie in Deutschland zum Beispiel Michael Schumacher, ihren Haupt(wohn)sitz in so genannte Steueroasen verlegen, um in ihrem "Heimatland" keine Steuern mehr zahlen zu müssen beziehungsweise ihre Steuerlast zu verringern. Dieses Verhalten ist, sagen Sie, unmoralisch.

Eine Firma wie Microsoft, so ihre Argumentation, verdankt ihren Erfolg zu großen Teilen dem amerikanischen Gemeinwesen. Die USA geben beispielsweise rund 90 Milliarden Dollar im Jahr für die Forschung aus. Die Ergebnisse dieser Arbeit kommen der Wirtschaft und den Unternehmen zugute. Der Staat bildet zudem die Menschen, die Experten aus, die jedes Unternehmen und jeder Unternehmer benötigt. "Die Erfolgreichen eines Landes", sagen Sie, "sind auch deshalb so erfolgreich und vermögend geworden, weil ihnen der Staat die Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat. Natürlich mögen es auch hart arbeitende, kluge Menschen sein. Aber wenn man sie im Zentrum von Bangladesch absetzen würde - was würde dann aus ihnen? Sie würden niemals so reich. Es ist also keine Strafe, Steuern zu zahlen. Es ist mehr so, als würde man eine Rechnung bezahlen."

Mir gefällt diese Betrachtungsweise oder Definition - "Steuern sind eine Rechnung, die der Staat einem für erbrachte Leistungen stellt" - sehr gut. Rechnungen müssen bezahlt werden; wer dies nicht tut, ist ein Zechpreller, ein Schmarotzer. Andere müssen dann für ihn mitbezahlen.

Natürlich ist eins klar, und auch dies sagen Sie in dem Interview: Die "Rechnungen" des Staates müssen in ihrer Höhe angemessen und nachvollziehbar sein. Ein Spitzensteuersatz von 50 Prozent ist absurd und kontraproduktiv. Dazu noch einmal ein Zitat aus Ihrem Interview: "Steuern sind keine Frage der Fairness, sondern der Konsequenzen, die daraus erwachsen. Wenn die Höhe der Steuern wirtschaftliche Aktivität und den Arbeitswillen der Menschen senkt, dann ist das nicht der richtige Weg, ein Land zu regieren."

Vieles von dem, was Sie, sehr geehrter Herr Gates, in diesem Interview sagen, ist nicht neu. Aber dass Sie es sind, der es sagt, verleiht dem Inhalt Gewicht und Autorität. Hoffentlich lesen es viele.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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