Mit freundlichen Grüßen ...

30.10.2003

ComputerPartner

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Herrn

Dr. Reinhard Sprenger

Kleinharnscheidt 49b

45239 Essen

München, 27.10.2003

Erfolg ist die beste Motivation, heißt es. Aber was passiert mit der Motivation, wenn der Erfolg ausbleibt?

Sehr geehrter Herr Dr. Sprenger,

am kommenden Sonntag, dem 2. November, werden wieder mehr als 30.000 Menschen beim New-York-Marathon teilnehmen. Mit dabei auch zahlreiche "Business People" aus Deutschland, vom Vorstand bis zum Vertriebsbeauftragten. Sie sind Teil einer großen Bewegung: Noch nie zuvor gab es so viele Manager, Unternehmer und andere Leistungsträger in der deutschen Wirtschaft, die solch extreme Herausforderungen wie Marathon, Triathlon, Alpenüberquerung per Mountainbike oder Rennrad und Bergläufe wie zum Beispiel auf die Zugspitze suchen.

Warum ist das so? Warum tun sich so viele Menschen diese Qual an, auch die, die beruflich schon eine hohe Arbeitsbelastung haben und unter einem enormen Leistungsdruck stehen? Ich denke, dass die Antwort auf diese Fragen auch in der momentan schlechten konjunkturellen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland liegt.

Leistungssportler und Leistungsträger in der Wirtschaft sind gleichermaßen erfolgsorientiert. Sie arbeiten für den Erfolg, sie quälen sich für den Erfolg. Der Erfolg ist das, was diese Menschen antreibt. Erfolg ist, jeder weiß es, die beste Motivation. Was aber, wenn der Erfolg dauerhaft ausbleibt? Dann haben die erfolgsorientierten Menschen ein Problem. Der Leistungssportler hängt dann vielleicht seinen Sport an den Nagel (wie kürzlich Langstreckenläufer Dieter Baumann) und beginnt seine "zweite" Karriere im Berufsleben. Und der Leistungsträger in der Wirtschaft? Kaum anzunehmen, dass zum Beispiel ein Top-Verkäufer seinen Job an den Nagel hängt, weil er nichts mehr verkauft und daher keine Erfolgserlebnisse mehr hat. Wer zahlt dann die Miete? Eher wahrscheinlich ist, dass dieser Verkäufer andere Möglichkeiten sucht, Erfolgserlebnisse zu erhalten. Wenn er sie nicht innerhalb seiner beruflichen Tätigkeit findet, dann sucht er sie eben außerhalb: zum Beispiel auf der Straße, nämlich den 42,195 Kilometern des Marathonlaufs. Kurz: Weil die Wirtschaft derzeit nur wenige Erfolgserlebnisse bietet, laufen viele Leute aus der Wirtschaft derzeit Marathon.

Diese Menschen verfügen über den großen Vorzug einer Misserfolgskompensationskompetenz. Sobald im beruflichen Umfeld Erfolge wieder möglich sind, werden diese Menschen diese Möglichkeiten in der Regel auch wieder ausschöpfen. Aber was ist mit denen, die nicht über dieses Vermögen der Misserfolgskompensationskompetenz verfügen? Wie hält man diese Menschen bei Laune? Wie motiviert man sie?

Sie, sehr geehrter Herr Dr. Sprenger, sind ja der Experte für Motivation. Wenn ich den Grundgedanken Ihres Buches "Mythos Motivation" richtig verstanden habe, dann besteht die Hauptaufgabe einer Führungskraft darin, dem Mitarbeiter die Chance auf Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Ein von sich aus unmotivierter Mitarbeiter, so Ihre These, lässt sich dauerhaft nicht motivieren, genauso wie man aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen kann. Ich denke aber, dass sich heute weniger die Frage stellt, ob und wie man einen nicht motivierten Mitarbeiter motivieren kann. Sondern heute stellt sich die Frage: Was macht die Führungskraft mit einem motivierten und erfolgsorientierten Mitarbeiter, wenn der Markt an sich keine Erfolgserlebnisse bietet? Schenkt sie ihm dann ein paar Laufschuhe und schickt ihn zum Training in den Stadtpark?

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort. In der Zwischenzeit gehe ich noch eine Runde laufen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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