Mit freundlichen Grüßen ...

07.08.2003

ComputerPartner

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Tobit Software AG

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Herrn Tobias Groten

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München, 04.08.2003

Müssen alle Visionäre zum Arzt?

Sehr geehrter Herr Groten,

"Visionäre nicht mehr gefragt". So lautete kürzlich die Schlagzeile in der "Süddeutschen Zeitung" über einem vierspaltigen Artikel, der sich mit der Situation in der Softwarebranche befasste. Weil sich die Zeiten geändert haben und viele Softwarefirmen (Stichwort: Intershop) in großen Schwierigkeiten oder bereits vom Markt verschwunden sind, schlage heute "die Stunde der Finanzmanager, deren Ratschläge vorher oft ungehört verhallt waren". Schlechte Karten dagegen für "Visionäre und technische Pioniere", zumal sich "die meisten Visionen nicht erfüllt" hätten.

Während Visionäre, glaubt man dem Artikel in der "Süddeutschen", in der Softwarebranche nicht gefragt sind, werden sie an anderer Stelle schmerzlich vermisst. In der Politik zum Beispiel. Viele Menschen klagen ja derzeit darüber, dass unsere politischen Häuptlinge so ganz ohne Visionen daherkommen. Selbst die in die Zukunft gerichtete "Agenda 2010" unseres Bundeskanzlers sei, so die Kritik, visionenfrei. Wenn es also stimmt, dass es im Bereich der Politik ein Visionen-Defizit gibt, und wenn es außerdem richtig ist, dass Visionäre in der Softwarebranche derzeit überflüssig sind, was läge da näher, als dass die Visionäre aus der Softwarebranche in die Politik wechseln?

Aber langsam, nur nichts überstürzen! Zunächst einmal gilt es zu bedenken, dass Politiker manchmal bockig und verstockt sind, vor allem die, die was zu sagen haben. Denken Sie nur an unseren ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt ("Schmidt-Schnauze"). Der war ja nicht so der Freund von Visionen. "Wer Visionen hat, soll mal zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen", lautet sein klares Statement zum Thema.

Tja, unter "Visionen" lässt sich eben das eine oder das andere verstehen. Altkanzler Schmidt setzt Visionen mit Halluzinationen gleich. Für mich sind Visionen Vorstellungen davon, wie etwas in Zukunft sein könnte. Die Bedeutung von Visionen in diesem Sinne kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und zwar immer und überall. Menschen, die diese Vorstellungen entwickeln und andere dafür begeistern können, sind in allen Lebensbereichen wichtig, in der Wirtschaft und in der Politik, in den Schulen und den sozialen Einrichtungen, im Sport und in der Kultur.

Antoine de Saint-Exupéry, der berühmte Schriftsteller, hat in seinem Buch "Der kleine Prinz" die Rolle des Visionärs in nur einem Satz treffend beschrieben. Dieser Satz heißt: "Wenn du ein Boot bauen willst, dann sag den Menschen nicht, welches Holz sie nehmen sollen, welches Werkzeug und wie sie das Boot bauen sollen, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer."

Visionäre nach diesem Verständnis haben immer Konjunktur, auch in der Softwarebranche. Oder nicht?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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