Mit freundlichen Grüßen ...

10.07.2003

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Herrn Uli Kemp

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München, 07.07.2003

Der PC ist nicht tot, er sieht nur so aus

Sehr geehrter Herr Kemp,

gestern fand meine Tochter in ihrer Jackentasche zehn Euro. Das Geld war mindestens schon ein halbes Jahr darin. Natürlich tadelte ich sie: totes Kapital, das auf ihrem Sparkonto ein paar Cent Zinsen gebracht hätte. Meine Tochter brachte allerdings wenig Verständnis für meine Argumente auf, sondern freute sich über ihren Fund, denn unvermittelt hatte sie zehn Euro, die sie vorher nicht hatte. Von solchem toten Kapital, meinte sie, könne sie noch jede Menge gebrauchen.

Ja, das mit dem Totsein ist so eine Geschichte. Es gibt Sachen, die sind tot, aber irgendwie auch nicht. Sprachen zum Beispiel. Latein und Altgriechisch, an manchen Schulen sind sie noch immer sehr lebendig, man kann sie sogar an Universitäten studieren. Oder Firmen, gerade seit dem renovierten Insolvenzrecht. Früher war es so, dass ein Unternehmen, nachdem es Konkurs gemacht hatte, einfach weg war. Tot halt. Heute ist es anders. Eine Firma meldet Insolvenz an. Man geht davon aus, dass dieser Betrieb das Zeitliche gesegnet hat und vergisst ihn. Dann, plötzlich, irgendwann, taucht die totgeglaubte Firma wieder auf und will mitspielen. Oft geht das nur eine Zeit lang gut, und dann ist das Unternehmen wieder verschwunden. Tot, scheintot, nur vorübergehend tot oder total tot? Man weiß es nicht so genau.

Oder nehmen Sie den PC. Vor einigen Jahren erklärten seriöse Männer mit ernster Miene und Bestimmtheit: "Der PC ist tot." Der eine oder andere fragte zwar nach, woran er denn gestorben sei, aber kaum jemand stellte die Aussage an sich in Frage. Heute, ein paar Jahre später, müsste der PC schon längst zu dem geworden sein, was er mal war, also Staub. Ist er aber nicht. Die Branche, auch in Deutschland, hat zwar schon mal mehr PCs verkauft als im Jahr 2003, aber trotzdem sind es immer noch ganz schön viele. Von daher gesehen wäre folgende Schlagzeile längst fällig: "Das Geschäft mit dem Tod. Computerbranche verkauft jährlich mehrere Millionen PCs."

Über unseren früheren Bundeskanzler Helmut Kohl sagte man: "Kohl ist nicht dick. Er sieht nur so aus." Mit dem PC, könnte man meinen, verhält es sich genauso: "Der PC ist nicht tot. Er sieht nur so aus." Aber stimmt das auch? Zweifel sind angebracht. Denn während Altkanzler Kohl nicht nur dick aussah, sondern um die Hüften rum wirklich etwas mollig war, sieht der PC in seiner grauen Farbe zwar ziemlich tot aus, zeigt sich im Alltagsleben aber ganz schön lebendig.

Und das bringt mich wieder auf meine Tochter, die ja wie oben geschildert ein sehr positives Verhältnis zu totem Kapital hat. Ich glaube, dass Sie, sehr geehrter Herr Kemp, ein ebenso positives Verhältnis zu dem toten PC haben. Kleiner, aber feiner Unterschied: Während meine Tochter möglichst viel totes Kapital bekommen möchte, wollen Sie möglichst viele tote PCs loswerden. Dass der PC längst totgesagt worden war, ist Ihnen vermutlich ebenso egal, wie es meiner Tochter egal ist, dass die wiedergefundenen zehn Euro totes Kapital waren. Hauptsache sie sind da.

Trotzdem die Frage an Sie: Können Sie sich noch erinnern, wieso man damals den PC für tot erklärte? Jedenfalls sollten wir dankbar dafür sein, dass diese Leute nicht Ärzte geworden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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