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27.02.2003

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Siebel Systems Deutschland GmbH Geschäftsführung

Herrn Peter-Mark Droste

Adalperostr. 31

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München, 24.02.2003

Kundenpflege ist oft rausgeschmissenes Geld

Sehr geehrter Herr Droste,

wenn Firmen zum Verkauf angeboten werden, dann streichen die Alteigentümer gerne heraus, dass sie viele Stammkunden haben. Unternehmen investieren hohe Summen in Kundenbindungsprogramme, um die Käufer bei der Stange zu halten. Und viele Firmenchefs trichtern ihren Angestellten gebetsmühlenartig ein, dass die Akquisition eines Neukunden acht oder neun Mal so teuer ist wie die Pflege eines Bestandskunden. Der Stammkunde - der beste und wertvollste Kunde, den ein Unternehmen haben kann?

Nein, behaupten die Wissenschaftler Werner Reinartz und Visawanathan Kumar. Sie haben festgestellt, dass viele Stammkunden nicht das bringen, was sie sollen, nämlich Geld und Gewinn. Stattdessen sind sie oft üble Verlustbringer. Dementsprechend sind die Investitionen der Firmen in diese Kunden vielfach rausgeschmissenes Geld. So berichteten Reinartz und Kumar kürzlich in der Zeitschrift "Harvard Business Manager" (Heft 1/2003) von einem amerikanischen Hightech-Service-Unternehmen, das über mehrere Jahre jeweils zwei Millionen Dollar in ein Kundenbindungsprogramm steckte, um dann feststellen zu müssen, dass rund die Hälfte der Kunden, die in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig kauften - also Stammkunden waren -, kaum Gewinne brachten. Die höchsten Gewinne brachten hingegen Zufallskäufer, die in kurzer Zeit Produkte mit hoher Marge kauften und dann wieder verschwanden.

Der Fehler, den viele Unternehmen begehen, liegt nach Angaben der Wissenschaftler darin, dass sie sich zu wenig um die Profitabilität der Stammkunden kümmern. Und diese ist allzu oft "armselig". Nach der Beobachtung von Reinartz und Kumar führen die Verfechter der Kundenbindungsprogramme in der Regel drei Argumente ins Feld:

1. Treue Kunden kosten weniger

2. Treue Kunden zahlen höhere Preise

3. Treue Kunden werben für das Unternehmen ("Mund-zu-Mund-Propaganda")

Alle drei Thesen sind falsch, so das Ergebnis der Praxisuntersuchung der Wissenschaftler.

Dennoch empfehlen Reinartz und Kumar nicht, komplett auf Kundenbindungsprogramme zu verzichten. Damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten. Aber die Methode, um zu entscheiden, ob weiterhin in eine Kundenbeziehung investiert werden soll oder nicht, müsse den Zusammenhang zwischen Treue und Profitabilität (nicht Umsatz!!!) eines jeden Kunden genauer darstellen. Eine nicht ganz triviale Aufgabe für die Unternehmen. Aber: "Glücklicherweise macht die Technik diese Aufgabe jeden Tag einfacher", schreiben Reinartz und Kumar.

Mein Kollege Eberhard Heins, Experte für Stammkunden und deren Pflege sowie für die entsprechenden Hilfsmittel(CRM-Software), meint ja, die Aussagen von Reinartz und Kumar seien banal, weil längst bekannt. Ich bin da nicht so optimistisch, vor allem in Bezug auf die vielen kleinen und mittleren Betriebe. Denn wenn Heins Recht hätte, warum haben dann so wenige Firmen ein CRM-System im Einsatz und werfen stattdessen viel Geld für unnütze Kundenbindungsprogramme zum Fenster raus?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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