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Media-Markt Management GmbH
Geschäftsführung
Herrn Klaus-Peter Voigt
Wankelstr. 5
85046 Ingolstadt
München, 07.01.2003
Ein "billiges neues Jahr für alle" - und rote Zahlen für den Handel
Sehr geehrter Herr Voigt,
es gibt Leute, die sagen, dass Fernsehen dumme Menschen dümmer und kluge Menschen klüger macht*). Ich habe die Zeit zwischen den Jahren zu einem Selbstversuch genutzt, um diese These zu überprüfen. In den vergangenen zwei Wochen habe ich also viel Zeit vor der Glotze verbracht, und was soll ich Ihnen sagen: Ich bin tatsächlich klüger geworden. So weiß ich jetzt, dass das Jahr 2003 ein ganz billiges Jahr wird. Woher ich das weiß? Ganz einfach, durch die Fernsehwerbung.
Der Baumarkt Hornbach zum Beispiel behauptet, dass man sich auf seine kleinen Preise blind verlassen kann und lässt als Beweis in seinem Werbespot einen Blinden bei sich einkaufen. Diese Reklame finde ich allerdings nicht so überzeugend, denn was fängt ein Blinder mit einem typischen Baumarktprodukt wie einer Wasserwaage an? Besser dagegen Ihre Kollegen von Saturn. Für den Einzelhandel ist es bekanntlich wichtig, seine Zielgruppe zu kennen und sie in ihrer Sprache anzusprechen. Hier machen die Leute von Saturn einen exzellenten Job; mit psychologischem Feingefühl sprechen sie ihrer Zielgruppe, den deutschen Geizhälsen, aus der Seele und bestätigen ihnen, dass Geiz nicht etwas ist, für das man sich schämen muss, sondern etwas ganz anderes: "geil", also irgendwas mit Erotik zu tun hat.
Am besten aber gefällt mir die Neujahrswerbung vom Media-Markt. Super, mit welcher Dynamik der Chef aus dem Toilettenhäuschen kommt und uns Fernsehzuschauern und Verbrauchern verspricht: "Wir sind das Projekt 2003. Wir wollen ein billiges neues Jahr für alle." Man bekommt einen tollen Einblick in das Machtzentrum vom Media-Markt, wo alle nur an einer Sache arbeiten: die besten Preise für die Kunden zu machen. Am meisten hat mich dieser Blick fürs Detail beeindruckt. Wie vier Sekunden nach dem Chef eine junge und schöne Frau ebenfalls aus der Cheftoilette kommt - seine sehr persönliche Assistentin? -, das hat was. Genauso habe ich's mir vorgestellt. Also wirklich, Kompliment, sehr geehrter Herr Voigt, und vielen Dank für diesen Einblick in die Media-Markt-Chefetage.
Da der Mensch aber nicht nur von der Glotze allein leben kann, liest er auch die Zeitung. Zum Beispiel die "Welt am Sonntag" vom 5. Januar. Da steht auf der ersten Seite des Wirtschaftsteils ein siebenspaltiger Artikel mit der Schlagzeile "Für den Handel ist der Geiz nicht geil". Dazu ein schönes Foto eines Schaufensters, in dem ein großes Plakat verspricht: "Bis zu 100 % Rabatt", was ja ganz schön viel ist. In diesem Artikel geht es um das Thema, dass der Handel seine Ware immer billiger anbietet ("Aldisierung"), die Kunden aber trotzdem nicht kaufen. "Deutschlands Einzelhändler forcieren ihre eigene Krise", schreibt das Blatt und zitiert Holger Wenzel, den Hauptgeschäftsführer des HDE, der sagt: "70 Prozent der Einzelhändler schreiben rote Zahlen." (Ebenfalls ganz schön viel.)
Ich würde gerne erfahren, wie Sie die Lage beurteilen. Bringen Sie sich mit Ihren Preisoffensiven nicht selbst in Teufels Küche? Lassen sich die Leute durch niedrige Preise dazu verleiten, mehr einzukaufen? Oder kaufen sie wirklich nur, was absolut nötig ist? Und wenn das der Fall ist, würden sie dann nicht auch notwendigerweise den höheren Preis zahlen? Kann sich der Media-Markt (und andere auch) ein "billiges neues Jahr für alle" überhaupt leisten? Ist Geiz wirklich geil (vor allem aus der Sicht des Handels)? Droht in Deutschland eine Deflation?
Ich bin gespannt auf Ihre Einschätzung. Und, wie gesagt: Die Werbung ist klasse.
Mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking
*) Der Grund liegt darin, dass die dummen Menschen hauptsächlich RTL und Sat1, die klugen dagegen Arte und 3Sat schauen.