Mit Hardware-Verkauf lässt sich nichts mehr verdienen

12.10.1998

MÜNCHEN: Die Bastion wackelt - aber sie fällt (noch) nicht: CAD, lange Zeit Domäne und Biotop leistungsstarker Unix-Rechner, wurde mittlerweile auch von der Wintel-Allianz als lohnendes Ziel ausgemacht. Um rund 300 Prozent konnten auf Windows NT basierende Workstations in 1997 zulegen. Mit etwa 20.500 Systemen konnten sie sich einen Anteil von 31 Prozent in einem noch immer wachsenden Markt sichern.Zwar konnten die Unix-Systeme von Hewlett-Packard, Digital Equipment, IBM, Silicon Graphics (SGI) und Sun Microsystems ihre führende Position noch behaupten, doch sank 1997 erstmals die Zahl der ausgelieferten Risc-Systeme von zuvor 51.000 auf 45.000, ein Rückgang von zwölf Prozent. Im gleichen Zeitraum wuchs der Markt in Deutschland um 16 Prozent. Der steile Anstieg der NT-Auslieferungen erfolgte somit eindeutig zu Lasten der Unix-Rechner, die nach Einschätzung der Marktforscher von IDC ab dem Jahre 2000 nur noch in einigen Nischen zu finden sind.

"Sowohl Unix als auch NT werden im Workstation-Markt weiterhin ihre Berechtigung haben", legt sich Uwe Stein, Leiter Absatzmarketing der Workstation 2000 Computer GmbH in München, auf die weitere Entwicklung fest.

SUN - Allein gegen alle

Dieser Einschätzung haben bereits viele Hersteller Rechnung getragen. So haben alle traditionellen Unix-Anbieter mit Ausnahme von Sun Microsystems inzwischen beide Plattformen auf der Preisliste. "Wir sind in der glücklichen Lage, dem Markt sowohl Unix- als auch NT-basierte Maschinen und zudem noch Integrationsberatung anbieten zu können. Ich bin der Meinung, daß wir mit nur einer Plattform schlecht beraten wären", erklärt Manfred Willem, Marketing-Manager Technical Computing bei HP, die Strategie der Böblinger.

Michael Schroeder, Produktmanager bei Sun Microsystems, sieht das völlig anders: "Zweigleisigkeit kommt für uns nicht in Frage. Wir bleiben Unix treu." Was angesichts der riesigen Nachfrage nach NT-Workstations zunächst nach Harakiri klingen muß, findet bei vielen Kunden durchaus Zustimmung. "Gerade dieses eindeutige Bekenntnis zu Unix finden viele Käufer gut, weil sie damit wissen, woran sie sind", gibt Stein seine Erfahrungen wieder.

Die relativ trostlose Situation im Consumer-Markt hat einige Anbieter dazu bewogen, ebenso den professionellen NT-Anwendungsbereich zu bedienen. Dell und vor allem auch Vobis, das bisher eher Computer an Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller lieferte, versuchen, mit maßgeschneiderten High-end-Lösungen Marktanteile zu erobern. Nicht ohne Erfolg, wie das Beispiel Dell zeigt: Bereits kurze Zeit nach ihrem Einstieg in den Workstation-Markt belegten die Texaner hinter HP, Sun, Compaq und IBM Rang fünf. Heiner Bruns, Produktmanager bei Dell Computer GmbH in Langen, lüftet das Geheimnis des Erfolgs:

"Das direkte Geschäftsmodell ist für den Workstation-Markt wie maßgeschneidert. Jedes Gerät wird auftragsbezogen gefertigt, was unsere Lagerhaltungskosten minimiert."

Das Ende guter Margen

Der starke Auftritt der NT-Anbieter hat die Preise allerorten purzeln lassen. Längst sind sich Unix-Systeme und NT-Rechner preislich nähergekommen. Jene Zeiten, als Unix-Anwender für ihre Applikationen schlichtweg das Doppelte wie ihre unter Windows konstruierenden Kollegen auf den Tisch legen mußten, gehören der Vergangenheit an.

Jedoch beginnen NT-Lösungen in einem deutlich niedrigeren Preis- und Leistungsbereich als Unix-Systeme und sind vor allem bei Einstiegs- und Midrange-Anwendungen bevorzugte Plattform. In der Oberklasse, bei sehr rechen- und grafikorientieren Applikationen, sind sie bisher noch eher selten zu finden, Tendenz jedoch steigend.

Der Preiskrieg findet - wie fast immer - auf dem Rücken der VARs statt. "Der Value Added Reseller muß die Lösung in den Vordergrund schieben. Wenn er die vermarkten kann, dann kann er auch gutes Geld verdienen", ist sich Stein sicher.

Schlechte Zeiten also für Kistenschieber, die keinen Mehrwert bieten können. HP-Manager Willem glaubt, daß in zwei bis drei Jahren keine Margen mehr mit dem Verkauf reiner Hardwarelösungen zu erzielen sind. "Was dann zählt, sind Dienstleistungen", gibt er die Marschrichtung für Händler und Systemhäuser vor. Stellt sich für den Händler die Frage, ob der Verkauf von Hardware noch ein lohnendes Geschäft ist. (uk)

Dell-Manager Bruns: "Das direkte Geschäftsmodell ist für den Workstation-Markt wie maßgeschneidert."

Sun-Manager Schroeder: "Zweigleisigkeit kommt für uns nicht in Frage. Wir bleiben Unix treu."

HP-Marketier Willem: "In zwei bis drei Jahren wird es bei dem Verkauf der reinen Hardware kaum noch Margen geben."

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