Mit Intranetware und NDS sind wir wieder sichtbar

12.06.1996
MÜNCHEN: Die Schlagzeilen um Netzwerker Novell reißen nicht ab. "Novell ist ein Übernahmkandidat" hieß es auf der Comdex Anfang November in Las Vegas. "Novell verkauft kein einziges Paket Intranetware" war von Microsoft Deutschland zu erfahren. Andreas Zeitler hingegen, Geschäftsführer der Novell Deutschland GmbH in Düsseldorf, erklärt, daß ihm seine Arbeit wieder Spaß macht. Warum, erklärt er im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.?Herr Zeitler, auf Novells Zukunft mit Netware wollte in der Branche kaum einer mehr wetten. Auf NT dagegen sehr. Doch jetzt verbreiten Sie wieder Optimismus. Warum?

MÜNCHEN: Die Schlagzeilen um Netzwerker Novell reißen nicht ab. "Novell ist ein Übernahmkandidat" hieß es auf der Comdex Anfang November in Las Vegas. "Novell verkauft kein einziges Paket Intranetware" war von Microsoft Deutschland zu erfahren. Andreas Zeitler hingegen, Geschäftsführer der Novell Deutschland GmbH in Düsseldorf, erklärt, daß ihm seine Arbeit wieder Spaß macht. Warum, erklärt er im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.?Herr Zeitler, auf Novells Zukunft mit Netware wollte in der Branche kaum einer mehr wetten. Auf NT dagegen sehr. Doch jetzt verbreiten Sie wieder Optimismus. Warum?

ZEITLER: Seit der Auslieferung von Intranetware vor knapp drei Monaten sehen wir ein deutliches Anwachsen unserer Umsätze. Dieser Trend macht uns natürlich sehr froh. Wir haben gerade unser vierten Quartal abgeschlossen und stellen fest: Wir haben zirka 190 Millionen Dollar Umsatz mit Intranetware gemacht. Damit liegen wir bei unseren Verkaufszahlen um 38 Prozent höher als im dritten Quartal.

Aber was nach dem wirklich schwierigen Geschäftsjahr 1996 viel wichtiger ist: Mit Intranetware haben wir im boomenden Intranet-Markt ein sehr positives Feedback bekommen. Seitdem wir Intranetware auf den Markt gebracht haben, ist es wie umgedreht.

?Wie reagieren Handel und Ihre Partner auf Intranetware?

ZEITLER: Das Negativbild, das unsere Distributoren, unsere Partner und auch unsere Kunden von uns gehabt haben, da niemand wußte, was macht Novell? - das beginnt sich jetzt zu verändern. Wir können mit Intranetware jetzt sehr schnell erklären, was wir tun. Ganz im Gegensatz zu früher, wo wir mit "Persuasive Computing" oder "The Smart Global Network" zu überzeugen versuchten.

Der Name Intranetware dagegen ist genial. Niemand kommt an den Worten Intranet und Netware vorbei. Und jeder weiß damit sofort, was dieses Produkt macht. Das hat zur Konsequenz, daß ich wieder Positives verspüre, wenn ich mit Händlern, unseren Technologiecenter und mit unseren großen Endkunden spreche. Und das macht mich froh. Das ist anders als im zurückliegenden Jahr 1995/96. Das war ein hartes Jahr, das können Sie mir glauben.

?Machen Ihre Händler den Schwenk von Windows NT auf Intranetware so einfach mit? Ist Novell wieder ein Unternehmen mit klarer Ausrichtung?

ZEITLER: Intranetware ist für unsere Partner eine klare Sache. Und sie bewegen sich damit in einem Markt, der sehr stark wächst. Bis zum Jahr 2000 soll der Intranet-Markt auf zirka Milliarden Dollar weltweit anwachsen. Unsere Partner wissen jetzt wieder: Es gibt bei uns ein Produkt, das sie verkaufen können. Außerdem stimmt unsere Positionierung wieder. Und da auch unser Marketing aufgewacht ist, sieht man uns wieder. Deshalb reagieren natürlich unsere Distributoren und unsere Fachhandelspartner, die im letzten Jahr von uns nicht gerade das Beste gewohnt gewesen sind, positiv.

?Nehmen wir das Novell-Marketing. Im letzten Jahr haben Sie auf Marketing konsequent verzichtet. Seit knapp drei Monaten gibt es ein Novell-Marketing wieder. Was heißt das für Ihre Händler?

ZEITLER: Intranetware wurde von einem Marketingmann erfunden. Wir wollten ja ursprünglich Netware 4.11 auf den Markt bringen. Aber kurz vorher hat eine sechsmonatige Diskussion ihr Ende gefunden. Unser Marketingmann hat entschieden: Wir nennen Netware Intranetware, passen neue Funktionalität rein und wir bringen es genau jetzt auf den Markt. Auch wenn noch einzelne Module fehlen, die wir noch einbauen müssen.

?Wie setzen Sie den neuen Auftritt bei Händlern und Kunden um?

ZEITLER: Unser Marketingauftritt ist uns weltweit in den nächsten Monaten 20 Millionen Dollar wert. Auf Europa entfallen um die acht Millionen Dollar. Das ist die größte Kampagne, die wir jemals gemacht haben. Und wir werden also auch unsere Anzeigenkampagne weiterführen, die wir jetzt seit zwei Monaten draußen haben. Sie ist erfolgreich, weil einfach wir wieder sichtbar sind.

?Wie begründen Sie die Freigabe von NDS?

ZEITLER: Wir liefern den NDS-Sourcecode kostenfrei an Betriebssystemhersteller. Als erster wird Sun NDS in Solaris einbauen. Bei HP und SCO gibt es seit einem Jahr bereits eine Vorstufe. In den nächsten vier Wochen wird es noch zwei Ankündigungen von uns und von großen Betriebssystemherstellern geben. Das ist der Weg nach vorne.

? Ist IBM darunter?

ZEITLER: Das könnte sein.

?Welche Zielsetzung haben Sie bei Intranetware und NDS?

ZEITLER: Wir haben zwei wichtige Zielsetzungen. Die erste ist, daß unsere Kunden auf Intranetware umsteigen. Wir haben 70 Millionen Anwender, das ist unsere Stärke. Die zweite Zielsetzung ist: "Sorge dafür, daß NDS das Industriedirectory wird", also zum Standard in Netzwerken wird. Und da wir heute 70 Millionen Anwender von NDS haben und sobald wir die großen Betriebssystemhersteller unter Dach und Fach haben, wollen wir bis Ende 1997 100 Millionen NDS-Anwender haben. Schaffen wir den Standard, können wir mit Produkten, die auf NDS aufsetzen, unser Geld verdienen.

? An der NDS-Vergabe wurde kritisiert, daß NDS proprietär ist, da einige wichtige Standards wie zum Beispiel X.500 fehlen. Wird Novell diese Kritik aufnehmen?

ZEITLER: Wir haben ganz klar gesagt, daß NDS in den nächsten 12 Monaten alle Industriestandards unterstützen wird. Anders geht es nicht. Und wenn diese Standards implementiert sind, dann glaube ich, gibt es keinen Grund mehr daran zu zweifeln, daß wir zumindest eine gute Chance haben, NDS als industrieweites Directory zum Standard zu machen.

? Ist es wirklich opportun, wie Microsoft eine herstellereigene Software zum Standard zu erklären?

ZEITLER: Diese Strategie hat uns Microsoft vor vielen Jahren vorgemacht. Und damit ist Windows und MS-DOS damals zum Standard geworden. Das gleiche machen wir jetzt auch, nicht weil es Microsoft gemacht hat, sondern weil wir hier ein Stück Technologie haben, das niemand anders hat. NDS ist, wie ich meine, allen anderen zur Zeit voraus in punkto Stabilität, Sicherheit und Skalierbarkeit. Was dazu kommt, ist, daß unsere großen Kunden jetzt allmählich begreifen, daß sie ohne NDS oder ohne Directory kein Intranet und Intranet erhalten.

?NDS haben Sie ja schon vor einem Jahr parallel zu Netware verkauft.Nur ohne größeren Erfolg...

ZEITLER: Nein, wir haben NDS, das seit der Version 4.0 Bestandteil von Netware war, nicht extra verkauft und nicht einzeln angeboten. Wir haben NDS auch nicht vermarktet. Das war ein Fehler. Wir hätten NDS schon viel früher vermarkten sollen, so wie Intel Inside.

?Ohne OEMs hat NDS keinen Erfolg. Wie bekommen Sie genügend OEMs?

ZEITLER: Wir sind in Verhandlung mit einigen Anbietern. Denn es ist für NDS entscheidend, daß es uns gelingt, es wirklich auf allen Plattformen flächendeckend zur Verfügung zu stellen.

?Wie werden Sie Intranetware gegen Windows NT positionieren?

ZEITLER: Was wir bei einigen unserer großen Kunden hören, ist: NT ist heute von der Skalierbarkeit noch nicht da, wo ein großer Anwender es haben will. Es frißt eine Menge Hardware, weshalb einige Hardwarehersteller nach wie vor sich NT sehr gerne bedienen. Sie können damit mehr verkaufen. Aber für den Kunden ist NT als Serverplattform eine nicht optimale Alternative. Und immer mehr unserer Kunden, die fast alle mit NT experimentiert haben, sagen, unsere Experimente sind im Endeffekt ergebnislos verlaufen. Wir können und wir werden nicht flächendeckend auf NT gehen. Ich weiß heute keinen einzigen großen Anwender in Deutschland, der flä

chendeckend auf NT geht. Es gibt natürlich Firmen, die NT als Applikationsserverplattform einsetzen, etwa dann, wenn SAP R3 ins Spiel kommt. Aber als Netzwerksbetriebssystem-Infrastruktur ist es, im Vergleich zu unserem Produkt ganz klar schlechter. Das sehen wir an den Upgrade-Anfragen von unseren Großkunden. Die haben alle NT evaluiert und sind alle zu dem Schluß gekommen, NT ist als flächendeckend eingesetztes Betriebssystem für Netzwerke nicht tauglich. Dagegen sagen uns viele Anwender: Jetzt habt ihr ein vernünftiges Produkt, damit können wir etwas anfangen.

?Bei DEC kann man sich durchaus vorstellen, daß NT auf der Workstation-Seite in mehrere Versionen zerfällt, sobald NT 80 Prozent des Workstation-Marktes hat.

ZEITLER: Das habe ich auch gehört. Also ich verstehe es nicht, ehrlich gesagt. Unsere Zielsetzung ist, NT-Plattformen zu managen, das wir besser können als Microsoft selbst. Und das werden wir auch konsequent weiter betreiben.

Und dann ist es mir eigentlich egal, ob da irgendwo ein NT steht als Applikations-Server. So lange der Kunde versteht, daß er im Zuge der Intranets beziehungsweise Anbindung ans Internet bei unternehmensweiten Netzen ein Directory braucht und daß Netware das beste und sicherste System ist. Dann kann er ruhig ein NT einhängen. Natürlich nehmen wir NT ernst, weil es von Microsoft kommt. Das ist so ziemlich der einzige Grund. Wir haben mit NDS ein Stück Technologie, das Microsoft noch lange nicht haben wird. Und bis die soweit sind mit ihrem Directory, sind wir schon viel, viel weiter. Diesen Vorsprung, den wir haben, werden wir auch halten.

?Wie sieht die Zukunft von Intranetware aus?

ZEITLER: Ich kann nichts über neue Versionen sagen. Aber wir werden in den nächsten 30 Tagen die NDS-Strategie vollständig ausrollen. Doch soviel jkann ich sagen: Wir werden auf jeden Fall die Release-Zyklen von Netware auf zirka neun Monate verkürzen. Im Intranet-Business sind, wie Netscape uns vorgemacht hat, die Release-Zyklen kurz. Was wir bestimmt nicht mehr machen werden, ist so etwas wie der Wechsel von Netware 3 auf 4. Der hat uns ja fast umgebracht.

Bei Intranetware werden wir sukzessive Funktionalität dazugeben und die Dinge beseitigen, die wir noch beseitigen müssen. Da geht es sicherlich auch um offene Standards. Wir werden in Zukunft in den neuen Versionen noch sehr viel Wert drauf legen, daß wir offene Standards noch besser unterstützen.

?Herr Zeitler, welche konkrete Händlerunterstützung planen Sie?

ZEITLER: Wir haben im letzten Jahr die Dreistufigkeit eingeführt. Wir haben dieses Konzept implementiert. Und es war relativ erfolgreich. Wir haben jetzt 2.500 Händler. Jetzt werden wir daran arbeiten, daß wir die Händler besser informieren und einbinden. Wir werden jetzt ein groß angelegte Kampagne machen: Wir schulen alle Händler auf Intranet. Was ist ein Intranet? Wie verkaufe ich es dem Kunden? Welche Vorteile hat er davon? Wie verkaufe ich ihm Intranetware? Wie, mit welchen Argumenten hole ich ihn von der bestehenden Netware-Installation auf Intranetware?

Dafür gibt es den Reseller-Kit, den wir Mitte Dezember an zirka 3.500 Händler ausschicken werden. Das ist unser Intranet-Starter-Kit, wo wir den Händlern Material an die Hand geben, damit sie verstehen, was ein Intranet ist. Wir werden den Aufwand sehr stark erhöhen. Wir werden extrem viel Geld in die Händlerbetreuung stecken. Dafür haben wir jetzt eine eigene Abteilung gegründet, die sich um nichts anderes kümmert. Und deshalb kann der Handelskanal von uns mehr Unterstützung erwarten. Jetzt sind wir nicht mehr mit uns selber beschäftigt, sondern wir gehen wieder nach draußen.

Kurzum: Ich bin rundum zufrieden, da ich das Gefühl habe, daß wir die Chance haben, das Ganze umzudrehen. Mit einem vernünftigen Management an der Spitze und einem vernünftigen Produkt. Und wir haben endlich eingesehen, daß unser Marketing stark verbesserungswürdig war. Die ersten Erfolge sehen wir bereits. Jetzt ist es wieder so, wie ich es mir eigentlich vorstelle und bei meinem Eintritt bei Novell vorgestellt habe. (wl)

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