Mit PC-Spielen erschließen sich auch dem Computerfachhandel neue Märkte

22.05.1998

MÜNCHEN: Im vergangenen Jahr wurden allein in Deutschland PC-Spiele und Edutainment-Software für 1,7 Milliarden Mark verkauft. Heuer wird dieses Marktsegment bereits die Zwei-Milliarden-Grenze überspringen. Deshalb sollte auch der Computerfachhändler mit seinen detaillierten Marktkenntnissen diese Chance nutzen und PC-Spiele in sein Sortiment aufnehmen.Wir beobachten die Orders unserer kleineren Händler sehr aufmerksam", erläutert Jörg Ziegenbein, der fürs Händlermarketing verantwortliche Manager bei der Bomico Unterhaltungssoft- und Hardware Vertriebs GmbH. Für ihn setzen die etwas kleineren Verkaufsstellen oft die entscheidenden Trends. "Diese Händler sind bei ihren Bestellungen sehr vorsichtig, Ladenhüter können sie sich am wenigsten leisten", argumentiert Ziegenbein weiter.

Know-how des Fachhändlers ist unbezahlbar

Der Computer-Shop um die Ecke kann nämlich mit PC-Spielen durchaus annehmbare Profite einfahren. Sicherlich, bei den Preisen kann er mit den großen Retailern, wie Saturn, Karstadt oder den Media Märkten nicht mithalten. Doch seine Stärken, wie die profundere Beratung und persönliche Kundenbetreuung, sollte er auf jeden Fall in die Waagschale werfen. Denn die neue Generation von Spielen stellt sehr hohe Anforderungen an die Hardware, da ist ein 166-MHz-Pentium oft schon zu lahm. Groß im Kommen sind momentan 3D-Grafikkarten, die zusätzlich zur vorhandenen Grafikhardware in den Rechner eingebaut werden. (siehe auch Artikel auf Seite 43). Hier kann eben der versierte Fachhändler mit seinem Know-how glänzen und dem potentiellen Kunden erklären, welche Spiele mit diesem 3D-Add-on-Board am besten laufen oder welche sonstigen Hardwareanforderungen erfüllt sein müssen. Diesen Service können die Großflächenvermarkter nicht bieten, obwohl man zugeben muß, daß Karstadt & Co. diesbezüglich mächtig aufgeholt haben. Um sich da noch hervorzuheben, muß der kleinere Händler mit zusätzlichen Dienstleistungen glänzen. Ein Beispiel für die persönliche Kundenpflege stellt das sogenannte Preview dar. Ähnlich wie bei der Vorpremiere von Kinofilmen werden hier ganz neue PC-Spiele einem ausgesuchten Publikum präsentiert und gleich zum Ausprobieren angeboten.

Diesen Service bietet ihren Händlern zum Beispiel die Bomico GmbH. "Zwei Wochen lang gehen wir auf Tour und besuchen jeden Tag einen anderen Händler", erläutert Ziegenbein das Konzept des Previews gegenüber ComputerPartner. Eine solche Aktion ist für den Distributor mit einem erheblichen Aufwand verbunden, nimmt doch eine Drei-Mann-Truppe das gesamte Equipment mit. "Wir können uns nicht auf die Hardware der Händler verlassen, da sie von Shop zu Shop stark variiert. Wir gehen auf Nummer sicher und nehmen jeweils sechs PCs und einen Beamer mit", so der Bomico-Manager weiter. Für diese Veranstaltung muß der Händler also nur seine Verkaufsräume zur Verfügung stellen. Außerdem trägt er natürlich Sorge dafür, daß seine besten Kunden am Preview teilnehmen können. Dies ist auch ein Grund, warum Bomico diese Veranstaltungen ausschließlich bei kleineren und unabhängigen Händlern durchführt, denn die kennen noch ihre Kunden persönlich oder verfügen über eine interne Kundendatenbank. So werden also vorwiegend die passionierten Spieler eingeladen, auf deren Urteil eben Verlaß ist.

Das Prewiev dient der Kundenbindung

Ein Preview dauert drei bis fünf Stunden und findet vorwiegend abends nach Geschäftsschluß statt. Die Präsentationsplattform variiert stark von Händler zu Händler: "Manche bauen eine richtige Action-Bühne auf, andere wiederum begnügen sich mit Tischen und Stühlen", berichtet Ziegenbein aus seiner Erfahrung. Nach einer kurzen Vorstellung und Einführung fangen die Eingeladenen sogleich mit dem Spiel an. Oft beteiligen sich noch weitere Firmen an diesen Veranstaltungen und statten die Rechner mit Zusatzhardware aus, beispielsweise mit Kopfhörern für Dolby-Surround-Effekte oder mit speziellen Spielsteuerungsgeräten. Den Spielabend irgendwann zu beenden, ist dann manchmal schwierig: "Oft müssen wir denen den Strom abdrehen, sonst würden sie die ganze Nacht durchspielen", macht der Manager die Begeisterungsfähigkeit der Spieler deutlich.

Bei den von Bomico veranstalteten Previews werden in der Regel drei verschiedene Spiele vorgestellt. Im Anschluß erhalten die Testspieler Fragebögen, in die sie neben einigen persönlichen Angaben ihre Spielbewertung eintragen können. Außerdem werden sie nach ihren Spielgewohnheiten und ihrer häuslichen Hardwareausstattung befragt. Auf diese Weise bekommen sowohl der Distributor als auch der Händler umfangreiche und aussagekräftige Daten zum momentanen Stand auf dem Spielemarkt.

Aus diesem Grund wird Bomico mit Anfragen seitens der Händler förmlich überschüttet. "Diese Nachfrage können wir nicht befriedigen. Eine Preview-Tour dauert zwei Wochen, also können wir ein neues Spiel maximal 14 Händlern präsentieren", erläutert Ziegenbein sein Dilemma.

Schulungen des Verkaufspersonals zahlen sich aus

Doch mit der Vorstellung der Neuerscheinungen allein ist es nicht getan. Das Verkaufspersonal aber auch die Fililalleiter müssen entsprechend geschult werden. An den von Bomico organisierten Schulungen nehmen 20 bis 40 Personen teil. "Wir stellen den Verkäufern unsere neue Spiele vor und bieten eine kurze Einführung. Daneben erklären wir ihnen bei Bedarf die genaue Funktionsweise eines PCs und seine Vorteile gegenüber der Playstation", beschreibt Ziegenbein diese Säule der Händlerbetreuung. "Die Schulungen sind für uns von strategischer Bedeutung, da wir den Beratungsbedarf bei unseren Kunden wachsen sehen, beispielsweise bei zusätzlichen Hardwareanschaffungen", so der Bomico-Manager weiter. Denn viele Spiele laufen erst mit einer 3D-Zusatzgrafikkarte vernünftig ab. Und welche Karte sich für welchen Rechner eignet und mit welcher Software kompatibel ist, das kann nur der Fachhändler dem Kunden hinreichend genug erklären.

Außer diesen Schulungen erhält der Händler umfangreiche Dekorationsmaterialien wie Deckenhänger, lebensgroße Plakate oder Pappmodelle der Spielhelden. Eine wichtige Rolle spielen ebenfalls Merchandising-Artikel wie T-Shirts, Kaffeetassen und änliches. Etwas besonderes hat sich der auf Sportsimulationen spezialisierte Spieledistributor Kingsoft GmbH einfallen lassen. Aus aktuellem Anlaß, nämlich zur diesjährigen Fußballweltmeisterschaft in Frankreich, wollen die Aachener bei der Einführung ihres Titels "Frankreich '98 - Die Fußball WM" ein besonderes Ambiente für die Repräsentation dieses Spiels den Händlern zur Verfügung stellen: einen Rasenteppich, auf dem die Demonstration des Fußballspiels besser zur Geltung kommen soll.

Weltraumtrip im X-Wing-Modell

Eine entsprechende Umgebung für Weltraumspiele zu schaffen, dürfte sich zwar etwas schwieriger gestalten, doch die Softgold GmbH, eine Tochter der FunSoft Holding, hat sich tatsächlich daran gewagt. Der Spieledistributor aus Karst hat das sogenannte X-Wing-Fahrzeug aus der Star Wars-Reihe im Maßstab eins zu zwei nachgebaut. "Dieses Modell eines Weltraumkreuzers mit des Ausmaßen zwölf mal fünf Meter haben wir auf einen Sattelschlepper montiert und sind damit durch ganz Deutschland zu unseren Großkunden, also den Karstadts und Media Märkten, hingefahren", beschreibt Michael Nürnberg, der Marketingleiter bei Softgold, die gelungene PR-Aktion. In das X-Wing-Modell hat der Distributor gleich mehrere PCs installiert, und so konnten potentielle Kunden gleich vor Ort und in einer ansprechenden Umgebung die neuesten Spiele aus der Weltraumsaga ausprobieren.

Trotz dieser umfangreichen Unterstützung seitens der Distributoren sollte sich der Fachhändler aber nur auf wenige PC-Spiele konzentrieren. Mit den Highlights geht er erstmal auf Nummer sicher. Welche Spiele ganz oben in der Gunst des Massenpublikums stehen, bekommt der Händler aus diversen Fachzeitschriften heraus. Zusätzlich sind die durch Media Control ermittelten Charts jederzeit online abrufbar, zum Beispiel unter http://www.vud.de/charts.html.

Deutsche mögen Tabellendschungel

Außer diesen Top-Sellern gibt es zumindest in Deutschland bestimmte Präferenzen bei PC-Spielen zu beobachten. Besonders gut verkaufen sich hierzulande alle Arten von Wirtschaftssimulationen oder diverse Aufbauspiele, als Beispiel sei hier nur der Titel "Siedler" genannt. Spiele, bei denen es nur so vor Tabellen und Grafiken wimmelt, sind bei den Deutschen offenbar sehr beliebt. Aber auch Sportsimulationen, insbesondere Fußball und Golf erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit, vor allem bei den 30jährigen.

Es sind nämlich nicht nur die 18jährigen PC-Freaks als ausgeprägte Spielernaturen auszumachen, auch ältere Anwender kommen vermehrt zum Zuge. Für Hermann Achilles, den Geschäftsführer des Verbandes der Unterhaltungssoftware Deutschland e. V. (VUD), spielt der Preis für ein PC-Spiel eine ganz wichtige Rolle: "100 Mark sind nicht eben wenig, die Käufer sind deshalb nur in der Unterzahl Kids." Hauptnutzer von PC-Spielen sind nach wie vor Männer, aber laut VUD "kommt auch die Damenwelt - wenn auch sehr langsam - auf den Geschmack".

Eine ähnliche Markteinschätzung vertritt Thomas Maier, Geschäftsführer der PC Fun Computerspielevertriebs GmbH in München: "Es sind keinesfalls nur Kids, die bei uns einkaufen. 80 Prozent unserer Kunden sind über 20 und mindestens die Hälfte über 30 Jahre alt. Bei Sportsimulationen tendieren die etwas Älteren zur Formel 1, während bei den Jüngeren Fußballspiele ganz hoch im Kurs stehen."

Doch nicht alle Marktbeobachter teilen diesen Optimismus. So ist beispielsweise Liane Lahl, PR-Managerin beim Münchner Home-Software-Anbieter Systema Verlag GmbH, vom Gegenteil überzeugt: "Der reine Spielemarkt wird nicht mehr wachsen. Dafür erwarten wir eine stärkere Nachfrage nach Edutainment- und vor allem Infotainment-Angeboten, also nach Nachschlagewerken, Ratgebern, Sprachkursen und Lexika. Der Spielemarkt als solcher ist ausgereizt, reine Unterhaltung nicht mehr gefragt."

Kundschaft ist gut informiert

Der Beratungsbedarf beim Spielekauf wird ebenfalls unterschiedlich eingeschätzt. "Erklärungen zum Spiel selbst sind gar nicht mehr nötig", meint Birgit Hoffmann, geschäftsführende Gesellschafterin des Düsseldorfer Spieledistributors New Software GmbH. "Potentielle Kunden haben sich bereits aus diversen Fachzeitschriften über das betreffende Spiel informiert und besitzen bereits einige Titel, so daß sie eigentlich schon beim Betreten des Geschäfts ganz genau wissen, was sie haben wollen und was sie erwartet."

Das könnte sich jedoch schon bald ändern. Dann nämlich, wenn sich der PC - ähnlich wie in den USA - auch bei uns als Alltagsgegenstand im Haushalt durchsetzt. Dann werden auch Hausfrauen und Rentner irgendwann mal die Lust verspüren, ihren PC nicht nur für Textverarbeitung zu nutzen, sondern sich vielleicht mal zur Entspannung ein Spiel zu Gemüte zu führen.

Ein weiterer großer Schub könnte von der besseren Verfügbarkeit des Internet herkommen. Wenn wirklich jeder stundenlang auf der Datenautobahn surft, nichts läge dann näher, statt nur mit der Maus zu klicken auch mal den Joystick in die Hand zu nehmen. Über interaktive Internet-Spiele könnten einsame User dann auch viel besser zusammenfinden als nur durch öde E-Mails.

Das PC-Spiel - ein ganz gewöhnlicher Konsumartikel

Und auch für den Fachhändler dürfte sich das Geschäft mit Computerspielen lohnen. Denn im Gegensatz zu einem Textverarbeitungsprogramm ist ein Spiel schnell veraltert, und der Anwender möchte ein neues haben. "Der Appetit kommt mit dem Konsum", äußert sich Hans-Joachim Oehlmann, der für das Händlermarketing verantwortliche Manager der Osnabrücker FunSoft-Tochter Profisoft GmbH, gegenüber ComputerPartner. Seiner Meinung nach sind auch deswegen Großflächenvermarkter beim Verkauf von Unterhaltungssoftware so erfolgreich. "Mit Spielen kann der Händler eine hohe Kundenfrequenz und starke Käuferbindung erzeugen", so Oehlmann weiter.

Computerspiele mutieren offensichtlich zu einem ganz normalen Konsumartikel. Denn auch im Konsolen-Bereich (Playstation, Nintendo 64) tut sich einiges. Hat der Handel 1997 bereits 800 Millionen Mark mit Video-Games umgesetzt, erwartet man für dieses Jahr den Sprung über die Milliardengrenze. (rw)

Klasse statt Masse: Der Absatz von reinen PC-Spielen in Waren- und Kaufhäusern ist rückläufig.

Liane Lahl, PR-Managerin bei der Systema Verlag GmbH: "Der reine Spielemarkt wird nicht mehr wachsen".

Hermann Achilles, Gewschäftsführer des Verbandes der Unterhaltungssoftware Deutschland e.V. (VUD): "Die typisch deutschen Spiele, wie Fußball- oder Wirtschaftssimulationen, können es hierzulande mit den großen internationalenHighlights aufnehmen."

Jüngere Käufer tendieren eher zu Action- und Adventure-Spielen, wohingegen das ältere Publikum (bis 35) die etwas seriöseren Simulationen, Strategie- und Sportspiele bevorzugt. Grundlage dieser Statistik sind 233 PC-Spiele, die von der Fachzeitschrift "GameStar" zwischen Oktober 1997 und April 1998 getestet wurden.

Weltweit stellt Deutschland nach den USA den bedeutendsten Markt

für PC-Spiele dar. In Europa liegt es unangefochten an der Spitze. Großbritannien an zweiter Stelle folgt erst mit großem Abstand.

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