Mit Takt & Stil. Über den zeitgemäßen Umgang mit Fax, Frack und Fischbesteck

11.07.1997
MÜNCHEN: Rein fachliche Kenntnisse treten - heute als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt - immer mehr in den Hintergrund, menschliche und kommunikative Möglichkeiten bestimmen immer häufiger den Erfolg. Gepflegten Umgangsformen wird deshalb heute erneut ein hoher Stellenwert eingeräumt. Höflichkeit bedeutet Wertschätzung und erleichtert somit die Kommunikation.Für alle Personen, die repräsentieren müssen oder möchten, sind stilvolle Formen und ein überzeugendes Image neben der fachlichen Kompetenz unverzichtbar, um geschäftliche und private Kontakte noch erfolgreicher werden zu lassen. Situationsgerechtes Verhalten ist jedoch bei beruflichen oder offiziellen Anlässen nicht immer automatisch abrufbar. Die Umgangsformen verändern sich zudem genauso wie unser gesellschaftliches und privates Umfeld. Was gilt heute noch - was ist nicht mehr zeitgemäß?

MÜNCHEN: Rein fachliche Kenntnisse treten - heute als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt - immer mehr in den Hintergrund, menschliche und kommunikative Möglichkeiten bestimmen immer häufiger den Erfolg. Gepflegten Umgangsformen wird deshalb heute erneut ein hoher Stellenwert eingeräumt. Höflichkeit bedeutet Wertschätzung und erleichtert somit die Kommunikation.Für alle Personen, die repräsentieren müssen oder möchten, sind stilvolle Formen und ein überzeugendes Image neben der fachlichen Kompetenz unverzichtbar, um geschäftliche und private Kontakte noch erfolgreicher werden zu lassen. Situationsgerechtes Verhalten ist jedoch bei beruflichen oder offiziellen Anlässen nicht immer automatisch abrufbar. Die Umgangsformen verändern sich zudem genauso wie unser gesellschaftliches und privates Umfeld. Was gilt heute noch - was ist nicht mehr zeitgemäß?

Gute Manieren erleben eine Renaissance. Weshalb? Ganz offensichtlich sind gepflegte Umgangsformen zu einem beruflichen Auslesekriterium geworden. Sind Manieren und Karriere jetzt untrennbar miteinander verbunden? Das waren sie wohl schon immer. Früher, als die Berufe "vererbt" wurden, blieb man weitgehend unter sich, man/frau wußte, wie man miteinander umgeht. Heute kann zum Glück theoretisch jede und jeder alles erlernen. Nur passen dann manchmal die überlieferten Verhaltensnormen nicht mehr zum gewählten Beruf. Sie alle kennen das Szenario im Frühstücksraum eines gehobenen Mittelklassehotels, wochentags um halb acht Uhr: Zwei Endzwanziger betreten grußlos die Szene, altersgerecht aber eher auf "Nummer Sicher" gekleidet, trägt einer von ihnen noch die Badelatschen, die den Blick auf schlecht gepflegte Füße freigeben. Beide streben zielsicher zur Saftbar. Aha, Nachtdurst: Zwei Gläser werden im Stehen hinuntergegossen, das dritte an den Tisch getragen. Dazu häufen sie alles auf ihren Teller, was so ein unschuldiger, kleiner Frühstücksteller überhaupt fassen kann: Wurst, Käse, Marmelade, Butter, Brötchen, Majonaisenfisch ... In der Raucherecke fallen die beiden auf ihre Stühle: "Zweimal Kaffee - bringen Sie auch die Zeitung mit, Fräulein?" Nach hastigem Essen und schlürfendem Trinken wird sofort geraucht - und es war zu ahnen - das Handy gezückt, um die ersten Kontakte am Morgen herzustellen. Natürlich nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Irritierte Blicke von manch' anderem Frühstücksgast: "Manche Leute lassen aber auch keinen Fettnapf aus!" (Ein konstruierter Fall, glauben Sie? Keineswegs. Solche Szenen beobachte ich ständig im gesamten Bundesgebiet.) Ratlosigkeit auf hohem Niveau? Es haben sich zwar die alten Werte seit Beginn der 70er Jahre auf manchmal gar nicht so leisen Sohlen davongemacht - und mit ihnen, erfreulicherweise, auch die spießigen Rituale, der abgespreizte kleine Finger und der ganze Benimm-Mumpitz! An deren Stelle trat jedoch die Verunsicherung, was denn nun gilt in Sachen Takt, Stil und Etikette.

Unternehmens-Image ist gefragt

Jedes Unternehmen bietet mit seinen Produkten oder Leistungen auch sein Image an. Da die Produkte immer ähnlicher werden, gilt es, sich wenigstens mit einem guten Service abzuheben. Die viel zitierte Corporate Identity beinhaltet auch die Unternehmenskultur. Das bedeutet natürlich auch die persönliche Kultur der Personen, die ein Unternehmen prägen. Dazu gehört ein sicheres, korrektes Auftreten der leitenden Mitarbeiter. Gerade sie sind auf fundiertes Etikettewissen angewiesen. Ihr optimaler Führungsstil beeinflußt nicht nur den Absatzerfolg des Unternehmens, sondern hat sozusagen Vorbildcharakter für alle Mitarbeiter. Gibt es Unsicherheiten auf dem Gebiet der Umgangsformen, werden sie als Schwäche verstanden - sie stören den Berufsalltag und werden von außen sehr wohl wahrgenommen. Wenn man bedenkt, daß die Tätigkeit einer Führungskraft zu zirka 60 Prozent aus Kommunikation besteht, wird deutlich, was mit Begriffen wie Höflichkeit, Fingerspitzengefühl, Umsicht, Fairness gemeint ist. Wie kann ich von den Mitarbeitern beziehungsweise Mitarbeiterinnen zuvorkommendes Verhalten erwarten, wenn dies nicht vorgelebt wird. Personalentscheidungen fallen heute vermehrt bei sogenannten Probe-Essen, in die immer öfter auch die Ehefrau oder der Ehemann mit einbezogen werden. Das gegenseitige Kennenlernen in ungezwungener Atmosphäre ist meines Erachtens eine hervorragende Einrichtung. So bietet sich die Gelegenheit, von zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit Repräsentationsaufgaben betraut werden sollen, einen Gesamteindruck zu bekommen.

Erfolgreich mit Stil

Höflichkeit ist nicht nur ein Türenöffner, wir nehmen den umgänglichen Zeitgenossen auch automatisch als intelligenter, gebildeter und erfolgreicher wahr: Gutes Elternhaus, gute Schulen, gute Ausbildung. Das kann jedoch manchmal zu einer falschen Interpretation führen. Vielleicht besuchten unsere beiden Hauptdarsteller aus dem Frühstücksraum zum erstenmal (solch) ein Hotel, benahmen sich ungezwungen wie zu Hause und nicht wie Gäste auf einer öffentlichen "Bühne"? Leider werden wir nicht nur nach unseren Fähigkeiten beurteilt: Unser ganzes Image sendet Botschaften aus - und ein gutes Image ist ehrlich.

Den erfolgreichen Menschen erkennt man auf den ersten Blick. Es ist nicht schwer, hinter sein Geheimnis zu kommen: Er hat gute Manieren, ist offen und wirkt echt und überzeugend. Er setzt seine Umgangsformen nicht als Strategie ein, vielmehr passen sie genau zu seiner individuellen Persönlichkeit. Denn: Wer mit sich selber pfleglich umgeht, wird es auch mit anderen tun! Alles bildet ein harmonisches Ganzes - komplizierte Situationen werden mit Contenance und Humor gemeistert. Aber es geht um mehr. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Ansichten so eng aufeinanderleben, wie wir heute, fördert ein höfliches Verhalten das Vertrauen und entkrampft Konfliktlagen. Wer sich darauf verlassen kann, daß auch der Gesprächspartner die Regeln für bestimmte Situationen beherrscht und einhält, kann sich entspannt auf sein Gegenüber einlassen.

Etikette-Know-how einst und heute

Modernes Etikette-Know-how hat zum Glück nichts mehr mit den steifen Regeln von einst zu tun - es ist menschenzugewandt, beziehungspflegend, situationsabhängig und vor allem nachvollziehbar. Was heißt das? Sofern jemand im Elternhaus nicht so genau hingehört hat, lassen sich die allgemeingültigen Anstandsregeln in Seminaren erlernen und sind in Sachbüchern nachzulesen. Heute müssen keine sinnentleerten Regeln mehr gepaukt werden, alles ist einfacher geworden, zugleich aber auch anspruchsvoller denn je - gutes Benehmen verlangt uns mehr Wahrnehmung ab, mehr Einfühlungsvermögen. Nur angemessenes Benehmen ist gutes Benehmen, und was angemessen ist, hängt von der Situation ab.

Darum sollte oft die Frage an sich selbst gestellt werden: "Wo gehe ich hin - was möchte ich erreichen?" Das Daneben-Benehmen auf dem ach so spiegelglatten Parkett läßt sich ganz gut vermeiden, indem wir uns selbst nicht so wichtig nehmen und echtes Interesse am anderen zeigen.

Lassen wir also unser Image für uns arbeiten. Warum sollen wir es uns denn unnötig schwer machen? Wie wir uns kleiden (unsere Verpackung spricht Bände über unser Gespür für Professionalität, Qualität und Kreativität), auftreten (noch bevor das erste Wort fällt, finden Prozesse des Einordnens statt, mit Worten kann man lügen - mit dem Körper nicht), sprechen (zögernde, den Augenkontakt vermeidende Sprache wirkt nicht selbstbewußt), aussehen (ungepflegte Haare, abgekaute Fingernägel, Schmuckimitate zwecks Angabe, schlampige Unterlagen) und uns benehmen (Tischmanieren, Distanzverhalten etc.) - durch all das teilen wir anderen Menschen noch ohne jeden persönlichen Kontakt mit, wer wir sind, welchen Lebensstil und Hintergrund wir haben. Eins steht fest:

Ob im Business oder privat, Manieren haben wieder Konjunktur.

Susanne Helbach-Grosser gründete 1993 das Institut Takt & Stil Beratungs-Service in Schwäbisch Gmünd. Sie vermittelt in offenen und firmeninternen Seminaren die aktuellen gesellschaftlichen Spielregeln.

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