"Mit über 300 Sachen über die Ziellinie" - ein Tag im Leben von Gericom-Chef Hermann Oberlehner

14.08.2003
Kaum einer kennt ihn persönlich, nur wenige bekommen ihn zu fassen, und viele Termine laufen zwischen Tür und Angel ab. ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe begleitete den Workaholic und Gericom-Chef Hermann Oberlehner einen ganzen Tag durch den Motorrad-Weltmeisterschaftslauf am Sachsenring.

Kilometerlanger Stau auf der Autobahnzufahrt zum Sachsenring. Ingo Middelmenne, seit Mai der neue Leiter für Unternehmenskommunikation und Investor Relations bei Gericom, trommelt nervös mit den Fingern auf das Lenkrad. Um 9 Uhr beginnt der Motorrad Grand Prix, und seit einer Viertelstunde ist wieder Stillstand in der Autokarawane. Griff zum Handy: "Herr Oberlehner, sollen wir uns an den Polizeiwagen hängen, der uns eben überholt hat? Okay, dann los!" Middelmenne schert aus, und hinter ihm folgt der schwarze, schwere Mercedes mit Aachener Kennzeichen, in dem Middelmennes Chef auf dem Beifahrersitz sitzt. Der Fahrer des schwarzen Mercedes ist Vobis-Chef Jürgen Rakow. "Ich habe ihn gestern sogar noch um 22.25 Uhr von seiner Reise aus China am Flughafen abgeholt, denn sonst hat man keine Chance, ihn mal zu sprechen", weiß Rakow aus Erfahrung.

Das Überholmanöver hat bestimmt eine halbe Stunde Zeit eingespart. Zeit ist eines der Schlüsselwörter im Leben des Gericom-CEOs. Jeder Tag ist minutengenau durchgeplant. Kurzfristige Termine gibt es nur im äußersten Notfall. Das wichtigste Arbeitsgerät des oberen und mittleren Managements ist das Telefon, um mit dem Chef in Kontakt zu treten. Zumal er im Höchstfall nur einen oder zwei Tage pro Woche in der Firma ist.

Die beiden Autos schlängeln sich durch die Massen der Motorsport-Pilger, die sich langsam zu Fuß in Richtung Haupteingang des Sachsenrings schieben. Auch Oberlehner und seine Gäste haben heute ihre Anzüge zu Hause gelassen und mischen sich in ausgewaschenen Jeans unter das Volk. Am Wegrand steht ein Plakat, auf dem ein Mädchen im Minirock und bauchfrei für die abendliche Sachsenring-Party wirbt. "Natürlich gibt es auch im Motorradsport Boxenluder und alles was dazugehört. Wie bei der Formel 1", klärt Oberlehner seine Begleiter auf.

Tempo nicht nur auf der Rennstrecke

Das erste Ziel des heutigen Tages ist das Zelt des österreichischen Energiedrink-Herstellers Red Bull. "Wir arbeiten mit Red Bull zusammen", erklärt Middelmenne. Im Klartext heißt das, dass sowohl Gericom als auch Red Bull Sponsoren des Motorrad Grand Prix sind.

Schon vor dem Zelt stürmen drei Männer auf Oberlehner zu, um ihn nach einer kurzen Begrüßung aller Anwesenden gleich hinter eine dunkelblaue Glasscheibe im hinteren Teil des Red-Bull-Zeltes zu entführen. Gericom hatte für diesen Tag Mitarbeiter aus dem Retail-Bereich und Geschäftsfreunde eingeladen.

Gäste aus dem Fachhandels-Umfeld sind nicht vertreten. Doch der Notebook-Hersteller hat längst bemerkt, dass sich das ändern sollte. Noch im Laufe dieses Monats will Gericom drei neue Produkte vorstellen, die speziell auf den IT-Fachhandel ausgerichtet sind. Mit den Geräten will der Notebook-Hersteller diesem Vertriebskanal die Möglichkeit bieten, vor allem an die Mittelstandskunden heranzutreten. "Wir werden uns in Zukunft mehr um den IT-Fachhandel kümmern", plant der Gericom-Chef. Gleichzeitig will das Unternehmen zusammen mit Sinitec ein neues Serviceprogramm vorstellen, das auf Fachhandelskunden ausgelegt ist.

Einer der Männer, die Oberlehner in den hinteren Teil des Zeltes verschleppt hatten, entschuldigt sich bei Oberlehners Gästen mit einem Schulterzucken: "Dauert nicht lange - Geschäfte eben." Die Zeit vertreiben sich die Besucher des Red-Bull-Zeltes, indem sie die Trainings und die anschließenden Rennen verfolgen. Auf drei über der Bar angebrachten Großbildschirmen - Marke Gericom - können die Gäste das Geschehen auf der Rennstrecke verfolgen.

So vergeht die Zeit. Irgendwann taucht Oberlehner hinter der Wand wieder auf, packt seine Gäste ein und geht zügig in Richtung Fahrerlager - ab und zu einen Blick nach hinten werfend, ob auch alle mit seinem Tempo mithalten können. Der Geruch von Motoröl und das Dröhnen der Motoren, das in den Katakomben noch verstärkt wird, kommt immer näher. "Ja, früher bin ich selbst Motorrad gefahren, eine KTM", erzählt Oberlehner unterwegs. "Die Motoren hab ich mir als gelernter Kfz-Mechaniker natürlich selbst auffrisiert, und dann sind wir Bergrennen gefahren", schwelgt der Manager in Erinnerungen.

Zeit in den Bergen verbringt der begeisterte Skifahrer auch heute noch. Seine zwei Wochen Urlaub, verteilt auf Sommer und Weihnachten, genießt er in seinem Haus in Tirol, in der Nähe von Kitzbühel. "Ein Urlaub in Italien an überfüllten Stränden wäre Stress. Es ist für mich das Schönste, vier Stunden auf eine Hütte zu klettern und nach einem guten Mittagessen wieder herunterzugehen. Danach bin ich ein neuer Mensch."

Auf dem Weg zum Kawasaki-Team gibt Oberlehner seinen Gästen einen kurzen Vorgeschmack auf das, was sie erwartet. "Ihr könnt euch direkt an den Start stellen. Die Motorräder fahren dann nur ein paar Meter weit an uns vorbei. Das ist ein Supergefühl, wenn die Maschinen mit über 300 Stundenkilometer an einem vorbeirauschen - üüüüber 300 Stundenkilometer! Das muss man sich mal vorstellen!", schwärmt er mit leuchtenden Augen.

Im Kawasaki-Fahrerlager angekommen, wird Oberlehner wie ein alter Bekannter und guter Geschäftspartner hofiert. Der Rennstall-Chef persönlich führt die Maschinen vor und beantwortet die technischen Fragen. Wenige Minuten danach geht es schon wieder weiter.

Oberlehner hat einen Termin beim Vorstand von "Dorna". Das ist die weltweit arbeitende Grand-Prix-Vermarktungsagentur und der organisatorische Hauptpartner des Veranstalters ADAC. Bei diesem Termin geht es um Sponsoring-Gelder. Oberlehner parkt seine Gefolgschaft in einem Besprechungsraum und ist verschwunden. Aus den angekündigten 5 Minuten werden 45 Minuten. Dann kommt er mit eiserner Miene zurück. "Die wollen ein rotes Notebook - Ferrari-Rot", murmelt er kopfschüttelnd und geht in Richtung Honda-Fahrerlager. "Wir sind in diesem Jahr in das Motorrad-Sponsoring eingestiegen", berichtet er auf dem Weg dorthin.

Im Winter sponsert Gericom den Speed-Skisport und im Sommer sind es Teilnehmer des Motorrad Grand Prix. Hauptsache schnell und publikumswirksam - langsame und langweilige Sachen mag der Österreicher nicht. "Notebooks, Bildschirme und die gesamte IT sind nicht besonders aufregend. Ich schaffe in unserem Sponsoring einen Ausgleich dazu", begründet der Manager das Engagement.

Auch privat lebt Oberlehner die Gegensätze aus. Er liebt die Ruhe und Abgeschiedenheit beim Bergwandern in Tirol. Wenn es allerdings um die Fortbewegung auf vier Reifen geht, fährt er einen Porsche 911 Turbo und einen amerikanischen Riesenjeep der Marke Hummer. Auch die Leidenschaft für Motorräder ließ ihn sein Leben lang nicht los. "Aber heute reicht es nur noch zu so mancher Probefahrt", muss er sich zufrieden geben. Um Rennluft zu schnuppern, holt er sich durch das Grand-Prix-Sponsoring einen Teil davon in seine Nähe.

Gericom taucht im Motorrad Grand Prix an verschiedenen Stellen als Sponsor auf. Für Österreich sponsert der Notebook-Hersteller das KTM-Team, und für die italienischen Fans steht Nieto Fonsi auf der Sponsoring-Liste. In Deutschland unterstützt Gericom das Kawasaki-Team und im Speziellen den 23-jährigen Fahrer Alex Hofmann, der in der 500-ccm-Klasse startet. Derzeit rangiert er in der Grand-Prix-Gesamtwertung auf Platz 22 von 25. "Probleme mit den Reifen", entschuldigt er sich, als er beim Mittagessen im Kawasaki-Zelt kurz den Tisch des Sponsors besucht. Oberlehner fachsimpelt: "Welche Reifenmarke ist denn derzeit die beste?" Der Techniker in ihm ist wieder zum Leben erwacht.

Schon wieder klingelt sein Handy: "[...]Sind Geschäftsführer dabei? [...] Wie viele Verkaufsleiter sind da?" Die Gäste aus dem Retail-Geschäft scheinen jetzt am Sachsenring angekommen zu sein. "Ich habe noch zwei Karten, dann nehme ich die Gäste nachher mit zum Start", gibt er die kurze Anweisung via Mobiltelefon.

Aber erst wird gegessen. Die zehn Minuten Pause müssen sein. Pausen sind rar gesät in Oberlehners Leben. "Ich schlafe zwischen drei und vier Stunden pro Nacht", erzählt er. Die restliche Energie tankt er dort, wo sich ihm eine Möglichkeit bietet. "Das ist überall", sagt er. "Wenn ich zum Beispiel in China im Taxi sitze, nutze ich die Zeit, um kurz zu schlafen." Außerdem lebe er "extrem gesund". Viel Fisch steht auf seinem Speiseplan und kein Schweinefleisch und natürlich "fast kein Alkohol", betont er.

Nach dem Mittagessen, überwiegend bestehend aus Salat und Obst, geht es wieder zurück zum Fahrerlager. Dieses Mal zu Suzuki. Unterwegs wieder Motorrad-Kunde für die Gäste: "Die derzeit schnellste Straßenmaschine der Welt ist eine Suzuki. Über 300 Stundenkilometer schafft sie!" Und da ist es wieder, das Funkeln in seinen Augen. Während Oberlehner und Rakow die Rennmaschinen im Stall unter die Lupe nehmen, rollen draußen die Fahrer der 250-ccm-Klasse an den Start. Sich zu unterhalten ist zwecklos. In etwa 20 Metern Entfernung lassen sie die Motoren ihrer startklaren Maschinen aufheulen - als wollten sie ihren Konkurrenten Angst einflößen.

Oberlehner geht mit seinen Gästen direkt an den Rennbahnrand, um den Start zu verfolgen. Gänsehaut-Feeling ist angesagt, als alle Maschinen mit Vollgas in die erste Runde preschen. Danach sekundenlange Taubheit.

Soziale Kontakte und das Telefon

Nach dem Start setzt sich die Gruppe in Bewegung zum Gericom-Stand. Wo der Stand ist, weiß auch der Chef nicht so genau. Also: Knopf ins Ohr und die Nummer einer Mitarbeiterin wählen. "Was soll das!", wettert er in seiner österreichischen Muttersprache vor sich hin, "mir gehört eine ganze Tribüne, da wird doch der Stand auch zu finden sein." Inzwischen hat das Barometer seinen Tageshöchststand von 32 Grad erreicht, und dort, hinter der Kurve, ist am Ende des Geländes auch der Gericom-Stand. Hier findet das erste Treffen mit der eingeladenen Retail-Mannschaft statt.

Aber nicht nur die Ein- und Verkäufer einiger Media-Märkte scharen sich um Oberlehner. Auch ein Teil seiner Mitarbeiter hängt aufmerksam an seinen Lippen. Mit den Retail-Leuten ein wenig Smalltalk und an seine Mitarbeiter ein paar Anweisungen. Jung sind seine Mitarbeiter. "Es ist schwer, in diesem Business gute Leute zu finden", sagt der Gericom-Chef. Und der Firmensitz Linz sei auch nicht gerade sehr anziehend. Trotzdem hat er es geschafft, einige ehemalige Mitarbeiter von Unternehmen wie Medion, Actebis oder FSC aus Deutschland wegzulocken. "Junge Leute brauchen, um zu lernen und die sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten, viele Meetings. Die halten wir oft auch am Abend ab", erklärt Oberlehner mit einem Augenzwinkern.

Neben diesen, ihm wichtigen sozialen Kontakten läuft bei Gericom sehr viel Unternehmenskommunikation über Telefonkonferenzen ab. In jeder Abteilung hat der Chef zwischenzeitlich einen Mitarbeiter, der sein Ansprechpartner ist. "Fünf Personen arbeiten mir zu", erklärt er das Prinzip. Um diesen Status zu erreichen, habe Gericom in den vergangenen Monaten das Personal in der oberen Führungsebene erheblich aufgestockt. Während der Chef sich mit den Retail-Leuten unterhält, versuchen die Hostessen, jeden Besucher, der am Stand vorbeikommt, von den Vorzügen der hier ausgestellten Gericom-Notebooks zu überzeugen. Sie drücken den Besuchern ein Flugblatt mit den neuesten Modellen und speziellen Sachsenring-Angeboten in die Hand. "Wir garantieren die tiefsten Preise Europas!", ist darauf zu lesen.

Zwischenzeitlich ist es kurz vor 15 Uhr, und das Hauptrennen der Moto-GP-Königsklasse steht bevor. Oberlehner macht sich mit seinen Gästen wieder auf den Weg, zurück zur Rennstrecke. "Stop!" Mit erhobener Hand hält ein Security-Mitarbeiter einen der Retailer auf. "Das falsche Ticket. Hier kommen Sie nicht weiter." Oberlehner verdreht die Augen und schickt den Rest der Gruppe schon mal voraus. Um das richtige Ticket für seinen Gast kümmert er sich persönlich.

"Über die Jahre hinweg glaubt man, man kann selbst alles besser machen als andere. Das ist das Problem. Aber zwischenzeitlich gibt es bei Gericom eine klare Trennung: Ich bin zuständig für den Einkauf, den Verkauf und für neue Produkte. Um die Finanzen kümmere ich mich überhaupt nicht", erklärt der Manager die neue Aufstellung. Dazu habe er das obere Management um sechs neue Leute aufgestockt. Mit ihnen sollen auch die Geschäfte in den USA und China weiter ausgebaut werden. In der Zwischenzeit bereitet sich Alex Hofmann auf seinen Start in der Königsklasse vor. Minuten vor dem Start wieder lautes Aufheulen der Motoren und der Geruch von heißen Reifen und Abgasen. Das Rennfieber hat die 91.800 Zuschauer wieder fest im Griff. Während sich Sete Gibernau und Valentino Rossi über 30 Runden ein spannendes Rennen um den ersten Platz liefern, fährt der von Gericom gesponserte Fahrer Alex Hofmann lange Zeit an 18. Stelle. "Kawasaki kann nur bei Regen fahren. Die haben Probleme mit den Reifen", fachsimpelt ein Rennbegleiter. Im Laufe der letzten Runden versammeln sich die Gericom-Gäste wieder im Red-Bull-Zelt, um den Ausgang des Rennens an den Bildschirmen zu verfolgen. Hofmann hat es immerhin noch auf Platz 17 geschafft. Keine Leistung, für die man Lorbeeren bekommt, aber in seiner künftigen Karriere steht ihm trotzdem noch alles offen.

Auch sein Sponsor Gericom hatte sich von einem wenig beachteten österreichischen B-Brand-Hersteller von Platz nirgendwo im zweiten Quartal 2001 an die Spitze des deutschen Notebook-Marktes katapultiert. Mit Konzentration auf die Kernaufgabe und der blitzschnellen Reaktion im richtigen Moment ist alles möglich. So wachsen IT und Motorsport wieder zusammen.

Doch neben Gasgeben und Mit-Volldampf-durchs-Ziel-Rauschen sind beide Branchen nicht vor Unfällen gefeit. So auch vor rund einem Jahr, als hartnäckige Branchengerüchte über Bilanzfälschungen und Liquiditätsprobleme den Kurs der Gericom-Aktie auf Talfahrt brachten. Dieser Vorfall hat Oberlehner persönlich weh getan. "Meine Mutter rief mich an und fragte, was da los sei. Nachbarn und Bekannte hätten sie darauf angesprochen, ob die Behauptungen stimmten. Denn es gibt viele Menschen in Österreich, die ihr Geld in das Unternehmen gesteckt haben, weil sie meiner Person vertrauen." Kein Wunder also, dass der Gericom-CEO damals die Sache nicht nur persönlich in die Hand, sondern sie auch im wahrsten Sinne persönlich nahm.

Im Red-Bull-Zelt verfolgt Oberlehner den Zieleinlauf, während er seinen Investor-Relations-Chef Middelmenne zu sich winkt. Gemeinsam wird gezählt, wie oft und wo während der von RTL übertragenen Siegerehrung das Gericom-Logo auf dem Fernsehschirm auftaucht. Ein paar Minuten später führt der Fernsehreporter ein Interview mit dem Kawasaki-Fahrer Alex Hofmann. Er sitzt auf einem Stuhl vor seinem Fahrerlager und richtet seinen Kopf mit der Gericom-Mütze in Richtung Kamera - alles in Nahaufnahme. Oberlehner sieht es nicht mehr. Er ist schon wieder unterwegs zu dem schwarzen Mercedes, der ihn zurück in Richtung Flughafen fahren wird. (bw)

www.gericom.com

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