Mitarbeitermotivation in einem mittelständischen Systemhaus

16.12.1999
REUTLINGEN: Jedes Unternehmen hat die Mitarbeiter, die es verdient, behauptet Bernhard Morgenstern. Wie man gute Mitarbeiter fördert, motiviert und an das Unternehmen bindet, beschreibt der Vorstandschef der Morgenstern AG in der folgenden überarbeiteten Fassung eines Vortrags, den Morgenstern auf der 23. Arbeitstagung des "Forum Bürowirtschaft" Anfang September 1999 in Wiesbaden hielt.

In Zeiten, in denen der Markt für hochqualifizierte Fachkräfte leergefegt ist, stellt sich die Frage, wie man Mitarbeiter im Unternehmen hält. Das Forum Bürowirtschaft hat mich sicher nicht ohne Grund gebeten, diesen Part zu übernehmen, obwohl oder gerade weil ich Schwabe bin.

Von einem Schwaben können Sie bekanntlich alles erwarten, nur nicht, daß er leichtfertig mit Geld umgeht. Also dürfte bereits jetzt klar sein: Mit hohen Gehältern alleine bindet man keine Mitarbeiter.

Der Unternehmensberater Roland Berger hat sich über Zukunftsperspektiven von Unternehmen folgendermaßen geäußert: "Fabrikbesitz und Immobilien werden in Zukunft ersetzt durch Kundenverbindungen und Know-how." Das sind eindeutige Mitarbeiterkompetenzen. Wo diese nicht erkannt werden, kann sich ein Unternehmen nicht weiterentwickeln. Positiv ausgedrückt bedeutet es: Mitarbeiterbindung ist eine wichtige Komponente für den Unternehmenserfolg.

Ein Unternehmer kann in seinem Unternehmen selbständig arbeiten und genießt große Handlungsspielräume und einen ebenso großen Vertrauensvorschuß bei seinen Mitarbeitern. Er revanchiert sich bei ihnen mit klaren Zielvorgaben bezüglich Bezahlung, Prämien, Incentives, mit Lob und mit Tadel. Diese Zielvorgabe stellt für die Mitarbeiter eine konkrete Standortbestimmung dar.

Das wäre so weit alles ideal, wenn es nicht auch Probleme gäbe. Betrachten wir mal den Vertrieb etwas genauer. Er stellt innerhalb von Systemhäusern den Schlüssel zum Unternehmenserfolg dar. Dennoch ist es schwierig, in ausreichendem Maße ideale Vertriebsmitarbeiter zu finden, sie über längere Zeiten zu halten und mit ihnen zusammen stets neue Erfolge einzubringen.

Die Qualitäten von Vertriebsmitarbeitern werden von uns genau analysiert und so umrissen: Sie sind flexibel, und wenn sie sehr gut sind, werden sie von Kunden abgeworben oder von der Industrie umgarnt. Es könnte noch schlimmer kommen, wenn sie von Mitbewerbern abgeworben werden oder eigene Firmen gründen. So haben inzwischen 34 frühere Mitarbeiter unserer Organisation eigene Firmen gegründet.

WANN KÜNDIGT EIN MITARBEITER?

In welchen Situationen, so haben wir uns schon häufiger gefragt, bestehen die größten Gefahren, gute Vertriebsmitarbeiter durch deren eigene Kündigung zu verlieren? Wir sind bei unseren Überlegungen zu einer Hitliste gekommen, auf deren Top-Positionen wir jedoch keinen Einfluß haben. Die Top-Drei sind

- Scheidung,

- Hochzeit und

- Geburt eines Kindes.

Bei den folgenden vier Ursachen kann ein Unternehmer sehr wohl eingreifen, wenn Abwanderungsgedanken der Mitarbeiter rechtzeitig erkannt werden.

Wir ermittelten als Gründe für den Bruch in der Zusammenarbeit zunächst die

- Zurückstufung eines Mitarbeiters, wenn Ziele nicht erreicht werden konnten. Weiter fanden wir heraus, daß

- nicht eingehaltene Zusagen gegenüber dem Mitarbeiter ihn zur Kündigung brachten. Des weiteren könnten ihn

- unklare, für ihn nicht nachvollziehbare Unternehmensziele verunsichert haben. Ein letzter kritischer Punkt liegt immer in der

- Beförderungen von Kollegen, wenn ein anderer Mitarbeiter selbst nicht aufsteigen konnte und diese Entscheidung des Managements nicht versteht.

DIE ROLLE DES CHEFS

Man sollte aber nicht ausschließlich nur die Mitarbeiter so genau analysieren, sondern immer wieder auch die Vorgesetzten. Also ergibt sich die Frage: Durch welche besonderen Eigenschaften muß sich ein guter Chef auszeichnen?

Unabdingbar ist, daß er seine Mitarbeiter mag, sonst kann kein Vertrauen entstehen. Ein Chef muß gerecht sein, ausgleichend und soziale Kompetenz besitzen. Dabei soll er stets zuverlässig sein. Der ideale Chef ist also eine starke Persönlichkeit, kompetent, erfahren, ideenreich, standfest, und von ihm erwartet sein Team klare Zielvorgaben. Jeder muß wissen, woran er ist. Im übrigen gilt: Jeder Chef hat die Mitarbeiter, die er verdient!

WEITERBILDUNGS- UND AUSBILDUNGSSYSTEM

Im kaufmännischen Bereich unseres Unternehmens sehen wir eine dreistufige Ausbildung vor, die den Kompetenzbereich "Unternehmensberater für Bürokommunikation" anstrebt. Voraussetzungen für diesen Ausbildungsweg sind, daß ein Auszubildender mindestens 21 Jahre alt ist, Abitur oder Fachhochschulreife mitbringt und Bundeswehr- beziehungsweise Zivildienst abgeleistet hat. Er sollte sich stark für Vertriebsdinge interessieren und sich für diesen Einsatz auch eignen. Wer eine Ausbildung in unserer Organisation anstrebt, sollte bereits ein überzeugendes persönliches Auftreten besitzen und nicht zuletzt auch einen Führerschein der Klasse III.

Wir sprechen damit Abiturienten, Studienabbrecher, junge Akademiker und Umschüler an, natürlich nicht nur männliche Bewerber, sondern auch junge Frauen. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Ausbildung erfolgen.

Innerhalb von zwei Jahren Ausbildungsdauer bilden wir unsere neuen Mitarbeiter in unserer betriebseigenen kaufmännischen Berufsschule zum Groß- und Außenhandelskaufmann aus. Dieser Ausbildungsgang endet mit der Prüfung an der IHK. In den anschließenden Ausbildungsstufen erwarten wir von unseren Mitarbeitern sehr großen Einsatz, denn die weitere Ausbildung ist nur berufsbegleitend möglich. Das Ziel des zweiten Ausbildungsabschnittes ist der IHK-zertifizierte Abschluß als Handelsfachwirt, der wiederum nach zwei Jahren erreicht sein sollte.

Die letzte Ausbildungsstufe ist gleichzeitig der größte Brocken und diejenige Ausbildungsphase, die unseren Mitarbeitern am meisten abverlangt. In Verbindung mit der Fachhochschule Nürtingen können sie Diplombetriebswirt (FH) werden (mit einem berufsbegleitenden Studium und Externenprüfung).

Zwar wird für diese Qualifizierungsstufe eine Ausbildungsdauer von acht Jahren zugrunde gelegt, wir gehen aber von einer realistischen Zeitspanne von neun bis zehn Jahren aus, zumal diese Ausbildungsstufe wie bereits erwähnt neben den normalen Berufsanforderungen noch durchgestanden werden muß.

Für unsere technischen Auszubildenden haben wir schon vor gut zehn Jahren ein erfolgreiches Konzept entwickelt, mit dem wir sie berufsbegleitend in drei Stufen zunächst zum Büroinformationselektroniker ausgebildet haben. Nach dem zweiten Abschnitt waren sie dann Meister für Büroinformationselektronik und nach der letzten Stufe Betriebswirt im Handwerk. Hierbei waren die Einstellungskriterien weniger hoch aufgehängt, da von den Auszubildenden in diesem Modell auch handwerkliche Fähigkeiten erwartet wurden.

An die Stelle dieses technischen Ausbildungsmodells trat inzwischen die Ausbildung in den Informations- und Kommunikationstechnologien (ITK), ein Berufsbild, das besser zu dem Schwerpunktbedarf Vertriebskaufleute paßt.

AUSBILDUNG VON FÜHRUNGSKRÄFTEN

Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß wir Mitarbeiter, die für Führungsaufgaben qualifiziert werden sollen, zu Diplombetriebswirten (FH) ausbilden mit dem Ziel, sie im Unternehmen im Rahmen einer langfristigen Personalentwicklung entsprechend ihrer Möglichkeiten einzusetzen.

Wie bei guten Sportvereinen legen auch wir Wert auf unsere Eigenentdeckungen. Das führt dazu, daß wir Mitarbeiter, die persönlich ein geeignetes Potential zur Führungskraft mitbringen, in unserem Manager-Entwicklungsprogramm (MEP) zu tragenden Säulen unserer Organisation ausbilden.

Unser Ziel ist, die Bereiche Vertrieb, Technik und Verwaltung mit Führungskräften aus den eigenen Mitarbeiterkreisen zu besetzen, da solche Manager am besten Stärken und Schwächen ihrer Firma einschätzen können. Aus ihrer eigenen Erfahrung fällt es ihnen nicht schwer, Problembereiche und Erfolgspotentiale ihres Unternehmens zu beurteilen.

Der Themenplan für die MEP wurde erstmals 1992 aufgestellt und seither weiterentwickelt. Er verdeutlicht die volle Bandbreite dessen, was wir von unseren Führungskräften erwarten:

- Projektmanagement

- Betriebs- und Volkswirtschaft

- Recht (speziell BGB, HGB und Arbeitsrecht)

- Finanzierungsmodelle (Leasing, Miete, Mietkauf, ...)

- Kostenrechnung, Controlling

- Kalkulation, Kostenverantwortung

- Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Berichtswesen

- Moderation und Präsentation, Verhandlungsführung

- Mitarbeiterführung und Motivation

- Grundlagen der Betriebspsychologie und -soziologie

- Fit & Gesund

Unser Weiterbildungs- und Ausbildungssystem findet seinen Niederschlag in der Firma. Die Auswirkungen unseres Fortbildungskonzeptes lassen sich an vielen Stellen unserer Organisation beobachten. Berufsbegleitende Ausbildungsgänge wie betriebsinterne Schulungsinitiativen bedeuten, daß die Mitarbeiter sich immer wieder begegnen, egal in welcher Funktion das geschieht.

Daher haben wir einen großen kommunikativen Durchsatz, da verschiedene Abteilungen und Geschäftsbereiche sich ganz selbstverständlich austauschen und sich auf dem Laufenden halten. Durch diese Durchlässigkeit entstehen persönliche Entwicklungsmöglichkeiten für jede Mitarbeiterin, für jeden Mitarbeiter. Ich bin in all den Jahren noch niemandem begegnet, der diese Chancen nicht motivierend fand.

Wachstum ist nur möglich, wenn gute Mitarbeiter vorhanden sind und alle wissen, wie man die Potentiale am besten einsetzt. Weiteres Wachstum ist garantiert, wenn die Ausbildungssysteme mit den Mitarbeitern mitwachsen. Unverzichtbare Grundlage einer langfristigen Mitarbeiterbindung ist die betriebliche, systematische und qualitativ ausgefeilte Personalentwicklung.

Wir verstehen darunter, daß jeder Mitarbeiter im Rahmen seiner Begabungen, Fähigkeiten und Qualifikationen, Aufgaben und Verantwortung im Unternehmen übernimmt und dieser Prozeß ständig weiterentwickelt wird.

MITARBEITERSOZIAL- UND BETEILIGUNGSSYSTEM

Von unseren Mitarbeitern erwarten wir nicht nur eine große Bereitschaft zur Fortbildung und daß sie ihre eigene Qualifikation selbständig ausbauen, wir versuchen auch, sie nicht nur während ihrer Berufstätigkeit optimal abzusichern. So schließen wir für alle Mitarbeiter eine Unfallversicherung ab, die sie rund um die Uhr, also auch in ihrer Freizeit, schützt. Eine Lebensversicherung/Direktversicherung für alle Mitarbeiter soll auch die Fälle abdecken, die wir am wenigsten einkalkulieren können, mit denen wir aber auch leben müssen. Außerdem stellt diese betriebliche Altersversorgung eine unverzichtbare Ergänzung zu der immer schwieriger werdenden gesetzlichen Sozialversicherung dar. Für die Zukunft planen wir sogar die Einrichtung einer firmeneigenen Unterstützungskasse. Bei guten Erträgen beteiligen wir unsere Mitarbeiter auch am Unternehmenserfolg durch Ausschüttungen von Jahreserfolgsprämien. Bei unserer eigenen Immobilien GmbH & Co. KG gibt es ebenfalls eine Mitarbeiterbeteiligung. Die Führungskräfte halten 49 Prozent der Anteile an dieser KG und haben somit eine zusätzliche Altersversorgung aus der Immobilienrendite.

Unser Lohn- und Gehaltssystem wird sich in Zukunft noch flexibler an die individuellen Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter anpassen (Cafeteria-Prinzip).

Wir planen den Börsengang. Wenn dieser vollzogen sein wird, dann ist es uns nicht nur möglich, Prämien nicht nur über Aktien auszuzahlen, wir werden Stock-Option-Pläne erstellen, die einerseits von allen Mitarbeitern genutzt werden können, andererseits aber auch von Führungskräften. Dieses System ist zukunftsweisend und trägt fast schon automatisch zu einer Kapitalerhöhung bei.

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