Mobbing - wenn Menschen Menschen krank machen

04.03.1998

MÜNCHEN: Erschreckende Zahlen gehen durch die Presse. Ungefähr sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland hassen ihre Kollegen, und eineinhalb Millionen Menschen leiden unter Psychoterror am Arbeitsplatz. Was aber tun, wenn man selbst Mobbing-Opfer wird oder man ein derartiges Vorgehen bei Kollegen beobachtet. Ziehen Sie die Notbremse, denn in einer solchen menschenverachtenden Umgebung kann niemand zufrieden leben und arbeiten - egal, ob Opfer, Beobachter oder gar "Mittäter".Wie äußert sich Mobbing ("to mob", engl. - belästigen, anpöbeln, attackieren)? Schikane am Arbeitsplatz durch Ignorieren, Einschüchtern und Bloßstellen - von der gezielten Verunsicherung einzelner Kollegen bis hin zur körperlichen Gewalt. Gespräche hören auf, wenn der/die Betroffene ins Zimmer kommt, die Tür wird vor der Nase geschlossen, Arbeitsabläufe werden unzureichend erklärt. Die Betroffenen werden zu unsinnigen Arbeiten verdonnert, oder die Arbeit wird ihnen ganz entzogen. Menschen sollen ausgestochen werden durch Falschinformation, Denunziation, Bloßstellen vor anderen, sexuelle Belästigung, Rufmord, Abmahnung und durch heimliche Mißhandlung. Ältere Mitarbeiter werden hinausgeekelt. Der Psychoterror zieht sich oft über Jahre hin und kommt in allen Berufssparten vor. Es gibt keinen typischen Täter, kein typisches Opfer.

Ursachen für Mobbing

Fast immer finden sich die Ursachen im Betrieb selbst; ein unangepaßter Führungsstil und eine schlechte Organisation führen zu einem angespannten Betriebsklima. Demotivierte, gestreßte Mitarbeiter entladen ihre ungelösten Konflikte und Aggressionen auf einen Sündenbock oder werden selber krank. Neid und Mißgunst sind im Spiel. Der Leistungsdruck wächst - immer weniger Menschen arbeiten immer mehr: Und so hat ein kranker Betrieb auch kranke Mitarbeiter. Mobbing sollte immer Chefsache sein - und wenn der Chef selber mobbt? Manche Belegschaften sollen durch gezieltes Mobbing auch "verschlankt" werden!

Das Reaktionsspektrum der Menschen auf diese Angriffe reicht von hoher Leidensfähigkeit bis Aggression. Es kommt zu Schlafstörungen, Magen- und Rückenbeschwerden, allgemeinen Verspannungen, psychosomatischen Krankheiten, Minderwertigkeitskomplexen, Scham, Depressionen, Angst, Persönlichkeitsveränderungen, Selbstmordgefahr. Es wird geschätzt, daß zwanzig Prozent aller Selbstmorde auf Mobbing zurückzuführen sind. Gemobbte Menschen werden arbeitsuntauglich und kosten das Unternehmen ein Vermögen! Aber auch der Mobber kostet Geld - er mobbt, anstatt seine Arbeit zu machen.

Gegenmaßnahmen für den Gemobbten

- Bei den ersten Anzeichen fragen, was los ist.

- Sich selbst prüfen: Könnte ich Anlaß sein?

- Auch wenn's schwer fällt: Gespräche mit den Mobbern führen.

- Durchhalten!

- Arbeitnehmertreter, Sozialberatung oder Vertrauensleute im Betrieb ansprechen. Die Gewerkschaften bieten Rechtsberatungen an, Anwalt konsultieren, Rat beim "Mobbing-Telefon" holen.

- Mit den Vorgesetzten der Mobberin/des Mobbers Schlichtung herbeiführen. Den Personalrat/Betriebsrat zum Gespräch hinzuziehen.

- Mobber zur Rechenschaft ziehen.

- Im Konflikt souverän bleiben.

- Nicht das ganze Leben nur um die Mobbing-Situation kreisen lassen!

Gegenmaßnahmen im Unternehmen

- Vorgesetzte sollten einzelne Mitarbeite weder bevorzugen noch benachteiligen; Informationen, die sie über Mitarbeiter oder von ihnen erhalten, müssen gleich wichtig genommen werden. Gegebenenfalls muß genau ergründet werden, warum sie ihnen zugetragen wurden.

- Eingestehen, daß nicht immer alles reibungslos funktioniert, es darf auch mal über Fehler geredet werden!

- Es wird nicht nach Schuldigen gesucht, sondern nach Ursachen.

- Eine faire Streitkultur nebst Problemlösekompetenzen und Konfliktverarbeitungsmechanismen sollten entwickelt werden.

- Kollegen werden nicht als Gegner gesehen; Mitarbeiter werden als Partner betrachtet.

- Achtung und Pflege der Menschenwürde!

- Personalräte sollten Mobbing-Seminare durchführen lassen und Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing treffen.

- Mehr Verständnis für die Betroffenen zeigen, nicht an deren Glaubwürdigkeit zweifeln.

- Das Lernen durch Vorbilder ist auch im Unternehmen am wichtigsten: Stimmt die Führungskultur, dann wird Verhalten Top-Down beispielhaft vorgelebt.

Sagen Sie: "NEIN!" Lassen Sie Mobbing nicht geschehen! Zeigen Sie Solidarität mit den Betroffenen!

*Susanne Helbach-Grosser, Institut TAKT & STIL Beratungs-Service in Schwäbisch Gmünd.

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