Führungswechsel zum Jahresanfang

Mobilcom-Debitel vor dem Umbruch



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Das Retail-Geschäft der Freenet AG steht mit dem Abschied von Marketingleiterin Kerstin Köder und Mobilcom-Debitel-Geschäftsführer Hubert Kluske vor dem Umbruch. Der Kurs soll beibehalten werden, doch stehen bei Mobilcom-Debitel und Gravis kleinere Korrekturen an.
Freenet-Marketingleiterin Kerstin Köder und Mobilcom-Debitel-Geschäftsführer Hubert Kluske wechseln zu SAP bzw. TUI
Freenet-Marketingleiterin Kerstin Köder und Mobilcom-Debitel-Geschäftsführer Hubert Kluske wechseln zu SAP bzw. TUI
Foto: Mobilcom-Debitel

Verlassen zwei Führungspersonen ein Unternehmen zur gleichen Zeit, horchen Beobachter gern auf. Im Fall von Freenet-Marketingleiterin Kerstin Köder und Hubert Kluske, dem Geschäftsführer der zu dem TK-Konzern gehörenden Handelskette Mobilcom-Debitel, sollen aber ausschließlich persönliche Gründe den Ausschlag für die berufliche Weiterentwicklung gegeben haben: "Kerstin Köder und ich sind beide seit 19 Jahren bei Freenet, beziehungsweise Mobilcom-Debitel. Nach so langer Zeit haben wir uns unabhängig voneinander für eine neue Funktion außerhalb des Freenet-Konzerns entschieden", erklärt Kluske. Während der langjährige Chef der Mobilcom-Debitel Shop GmbH künftig beim Reiseveranstalter TUI Deutschland die Position des Chief Commercial Officer (CCO) bekleidet, wechselt Köder in eine europäische Marketingfunktion beim Softwareunternehmen SAP.

Wie Kluske im Gespräch berichtet, biete der anstehende Führungswechsel für Freenet-Chef Christoph Vilanek die Möglichkeit, die in den letzten Jahren im Handelsgeschäft des TK-Konzerns umgesetzte kanalübergreifende Vertriebsstrategie nun auch mit einer entsprechenden organisatorischen Neustrukturierung zu verbinden: "Nachdem wir die ersten Omnichannel-Erfahrungen gesammelt haben, wollen wir die Einheit von Retail und Online künftig auch personell stärken." Vilanek diskutiere deshalb derzeit mit dem verbleibenden Mobilcom-Debitel-Geschäftsführer Jochen Otterbach und weiteren Entscheidungsträgern die künftige Führungsstruktur und werde diese zum Jahresbeginn 2018 an den Start bringen. Die Entscheidung, ob man sich in der Führungsrolle für einen externen Neuzugang oder für Mitarbeiter mit Konzernerfahrung entscheide, sei noch nicht gefallen. Wichtiger als ein allzu strikter Zeitplan sei für Freenet-Chef Vilanek, dass es sich um eine Entscheidung mit Weitblick handle.

Neben eigenen Geschäften ist Mobilcom-Debitel auch mit Shop-in-Shops bei Saturn vertreten - die Kooperation wurde unlängst verlängert
Neben eigenen Geschäften ist Mobilcom-Debitel auch mit Shop-in-Shops bei Saturn vertreten - die Kooperation wurde unlängst verlängert
Foto: Media-Saturn

Weiter so - mit Anpassungen

In den vergangenen Jahren hatte Mobilcom-Debitel sein heterogenes Händler-Netzwerk aus Franchise-Shops, Partnergeschäften und ungebundenem Fachhandel auf die fortschreitende Digitalisierung ausgerichtet. Ein neues Shopfront- und -Backend wurde eingeführt, um kanalübergreifende Einkaufsfunktionen zu ermöglichen. Und um die Präsenz der stationären Shops im Web zu stärken, wurden einheitliche Websites und Online-Branchenbucheinträge erstellt. "Die Zuführung in die Geschäfte hat sich damit bereits stark verändert", berichtet Susanne Boldt, die bei Mobilcom-Debitel das Handelsmarketing leitet. "Nun testen wir, auch die Bestände über Google auffindbar zu machen." Dazu habe die TK-Kette zehn Shops an das Programm "Google Inventory Ads" angebunden. Wie der noch bis Mitte Dezember als Geschäftsführer amtierende Hubert Kluske ergänzt, habe man die Marketinganstrengungen grundsätzlich stark auf Online-Kanäle umgelenkt. "Das zeigt sich auch daran, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal am Black Friday teilnehmen." Der Aktionstag werde sowohl online wie auch offline bespielt. Fast zehn Monate habe man gearbeitet, damit die Angebote auf den Punkt funktionierten - und dabei auch gute Unterstützung von den Herstellern erhalten.

Nicht nur mit der kanalübergreifenden Verkaufsstrategie, auch mit dem neuen Angebotsschwerpunkt auf TV-Vermarktung zeigt sich Kluske zufrieden: "Wir liegen über den Planzahlen. Gerade bei der DVB-T2-Vermarktung, aber auch beim IP-TV ist es sehr respektabel, was wir hingekriegt haben." Die Angebote passten gut zu der in den letzten Jahren betriebenen Strategie, Mobilcom-Debitel nicht nur als Mobilfunk-Vermarkter, sondern als Digital-Lifestyle-Anbieter zu positionieren, der zu TK-Hardware und -Verträgen auch ergänzende Services wie Security-, Entertainment- oder Cloud-Dienste mit festen Laufzeiten verkaufe. Nicht bewährt habe sich das Abomodell hingegen im Bereich Smart Home. "Wir verkaufen weiterhin Wearables und Smart Home Anwendungen in unseren Geschäften, auch die Sprachassistenten Google Home und Amazon Echo haben wir in unserem Angebot - aber eben nicht mehr als Abomodell." Während es in der Theorie vielversprechend geklungen habe, neue Technologien auf diese Weise zu vermarkten, sei das in der Praxis von den Kunden nicht angenommen worden.

Jochen Otterbach ist Mitglied der Geschäftsführung von Mobilcom-Debitel und von Gravis
Jochen Otterbach ist Mitglied der Geschäftsführung von Mobilcom-Debitel und von Gravis
Foto: Gravis

Kurskorrekturen auch bei Gravis

Über ähnliche Lerneffekte, berichtet auch Jochen Otterbach, der als Geschäftsführer nicht nur für Mobilcom-Debitel, sondern auch für das 2012 übernommene Gravis zuständig ist. Die Apple-Kette war seit 2013 dazu übergegangen, sich mit Shop-in-Shops auch gegenüber anderen, ähnlich hochwertig ausgerichteten Herstellern wie Sony und Samsung zu öffnen. "Inzwischen können wir sagen, dass das bei den Kunden von Gravis nicht funktioniert hat", erklärt Otterbach. Zwar werde man deshalb nicht wieder zum reinen Apple-Anbieter werden und habe beispielsweise mit Microsoft-Hardware sehr gute Erfahrungen gemacht. Aber die bisherigen Sony- und Samsung-Flächen wolle Gravis künftig anderweitig verwenden. In der Münchner Filiale testet die Handelskette nun eine Sonderfläche mit hochwertigen Zubehörartikeln des Lieferanten Strax, der den Bereich in diesem Jahr auch für Mobilcom-Debitel übernommen hat. "Ganz wichtig bleibt für uns auf jeden Fall das Thema Vorauswahl. Das ist etwas, was bei unseren Kunden sehr gut funktioniert - und was im Übrigen auch für Apple-Produkte gilt: Auch hier machen wir nicht jede Aktion mit, wenn ein Gerät nicht unserem Profil entspricht."

Eine gewisse Kurskorrektur deutet Otterbach zudem im Hinblick auf die stationäre Strategie von Gravis an. Nach der Übernahme von 12 re:Store-Standorten war das deutschlandweite Ladennetz zeitweise auf 46 Geschäfte angewachsen. Seitdem wurden einzelne Standorte u.a. in Berlin-Steglitz und in der Hamburger City aufgegeben, so dass Gravis auf 42 Stores kommt. Die Verkaufsfläche der Filiale am Firmensitz am Ernst-Reuter-Platz in Berlin wurde zudem von zwei auf ein Stockwerk reduziert. "Die Zukunft liegt für uns eher in mittelgroßen Shops", erklärt der Gravis-Geschäftsführer dazu. Festhalten wolle man an der Einbindung der Stores in die Online-Strategie des Apple-Händlers, wie das beispielsweise bei der dezentralen Organisation von Same-Day-Lieferungen deutlich werde. Als ein Zeichen dafür verstanden wissen will Otterbach, dass E-Commerce- und Marketing-Leiter Henrik Voss künftig auch für die Stores von Gravis zuständig ist: "Das war im Zuge unsere Omnichannel-Aufstellung der logische Schritt." (mh)

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