Mobile Computing: Ein Markt wartet noch immer auf seinen Durchbruch

20.06.1997
SPITZINGSEE: Insgesamt rund 100 Teilnehmer fanden sich Anfang Juni am idyllisch gelegenen Spitzingsee in Oberbayern zur ersten Deutschen Mobile Computing Konferenz ein. Über drei Tage hinweg sollten Hersteller, Händler und Anwender die Möglichkeit haben, sich rund um das Thema mobile Datenverarbeitung zu informieren. Neben einer Bestandsaufnahme des aktuellen Marktgeschehens und Anwenderberichten, wagten die Referenten einen Blick in die Kristallkugel, um dem Auditorium die Zukunft des "Mobile Computing" näherzubringen.Der Markt klemmt", bringt Konferenz-Veranstalter Ralf Hinnenberg den aktuellen Stand in Sachen mobile Datenverabeitung einleitend auf den Punkt. Obwohl beeindruckende Fortschritte bei der Entwicklung leistungsfähigerer Notebooks zu verzeichnen seien und sich diese hinter einem Desktop-Rechner nicht mehr zu verstecken brauchten, sei der prognostizierte Boom bis dato ausgeblieben. Das Notebook-Geschäft sei ein Projekt-Geschäft geblieben, alle Anstrengungen der Hersteller, über Retailer auch die Privatkunden zu erreichen, seien bisher erfolglos geblieben.

SPITZINGSEE: Insgesamt rund 100 Teilnehmer fanden sich Anfang Juni am idyllisch gelegenen Spitzingsee in Oberbayern zur ersten Deutschen Mobile Computing Konferenz ein. Über drei Tage hinweg sollten Hersteller, Händler und Anwender die Möglichkeit haben, sich rund um das Thema mobile Datenverarbeitung zu informieren. Neben einer Bestandsaufnahme des aktuellen Marktgeschehens und Anwenderberichten, wagten die Referenten einen Blick in die Kristallkugel, um dem Auditorium die Zukunft des "Mobile Computing" näherzubringen.Der Markt klemmt", bringt Konferenz-Veranstalter Ralf Hinnenberg den aktuellen Stand in Sachen mobile Datenverabeitung einleitend auf den Punkt. Obwohl beeindruckende Fortschritte bei der Entwicklung leistungsfähigerer Notebooks zu verzeichnen seien und sich diese hinter einem Desktop-Rechner nicht mehr zu verstecken brauchten, sei der prognostizierte Boom bis dato ausgeblieben. Das Notebook-Geschäft sei ein Projekt-Geschäft geblieben, alle Anstrengungen der Hersteller, über Retailer auch die Privatkunden zu erreichen, seien bisher erfolglos geblieben.

Prognosen gingen nie in Erfüllung

Welche Rückschläge der Mobile-Computing-Markt immer wieder einstecken mußte, zeigt ein Blick zurück in der IT-Historie. Diesem Markt wurde unlängst sehr deutlich vor Augen geführt, daß zwischen Wunschdenken einerseits und nackter Realität andererseits, mitunter eine Riesenlücke klaffen können. So waren die frühen neunziger Jahre von einem Schlagwort geprägt, daß die Anbieter von IT-Waren zu förmlichen Begeisterungsstürmen hinriß: Mobilität. In Folge übertrumpften sich die auf den Plan gerufenen Hardwarehersteller mit ellenlangen Argumentationslisten, warum ein Anwender einem tragbaren Rechner den Vorzug gegenüber einem stationären PC geben sollte. Schlußendlich mündete die Euphorie in die kühne Behauptung, daß spätestens im Jahr 1996, spätestens aber 1997 jeder zweite ausgelieferte PC der Kategorie tragbarer Rechner angehören würde. Doch wie zwischenzeitlich hinlänglich bekannt, erwiesen sich die eifrig herbeiorakelten Zahlen als völlige Fehleinschätzung. Mit etwa 450.000 ausgelieferten Einheiten in 1996 liegt der Anteil am PC-Gesamtabsatz in Deutschland bei nur etwa 20 Prozent! Die moderaten Zuwachsraten, die sich nach Aussage der Marktforscher auch in nächster Zukunft eher im einstelligen Bereich bewegen dürften, machen deutlich, daß von einer Aufholjagd gegenüber den Tischrechnern keine Rede sein kann. Da genügt es auch nicht, wenn sich die Branche auf ein neues Modewort eingeschossen hat: Desktop Replacement.

Japan und Amerika als große Vorbilder

Konkrete Antworten, warum der Verkauf tragbarer Rechner dem Desktop-Markt hinterherhinkt, konnte von den verantwortlichen Manager der anwesenden Notebookhersteller wie Toshiba, NEC, Compaq oder Sharp niemand liefern. Voller Neid blickt man statt dessen auf die Märkte in Japan oder den USA. Dort liegen die Verkaufsanteile der Notebooks weitaus höher. Im Land der aufgehenden Sonne liegt dieser bei 50 Prozent, in den Vereinigten Staaten wandert immerhin jeder dritte PC in Form eines Notebooks über die Ladentheke der Händler. Der Preis mag sicherlich eine Rolle dabei spielen, fallen diese in den USA beispielsweise rund 20 Prozent niedriger aus. Darüber hinaus gehende Erklärungsversuche, warum sich die deutschen Anwender beim Thema Mobile Computing so zurückhaltend zeigen, waren jedoch nicht zu vernehmen. Auch bot die Veranstaltung hierzu wenig Raum.

Maximale Größe der LCD-Diplays in Notebooks ist erreicht

So sinnierte die technikverliebte Branche viel lieber drüber nach, welche Zukunftstechnologien künftig in den Notebook-Markt Einzug halten könnten. Händler wie Anwender beschäftigt schon seit längerem die Frage, wie es mit der Größe der LCD-Bildschirme weitergehen wird. Mit 13,3 Zoll - wie derzeit bereits angeboten - in der Diagonalen stoßen die Anbieter nunmehr auf die Grenzen des "Formfaktors Notebook". Wird es also, so die Fragestellung, "überdimensionierte" tragbare Rechner mit einem 15-Zoll-LCD-Bildschirm oder mehr geben oder aber werden die Hersteller in naher Zukunft pfiffige Lösungen präsentieren, die ein Auf- und Zufalten des LCD-Panels erlauben? "Nein!", lautete unisono die Antwort der Hersteller-Riege. Man sehe hierfür keinen Markt und zudem betrachte man es als eine Art Rückschritt, die Abmessungen von Notebooks zu vergrößern, mehr Unhandlichkeit und eine Zunahme des Gewichts wären die Folge.

Künftige Monitore sind im Brillengestell untergebracht

Den von Big Blue favorisierten Lösungsweg schilderte Kevin Clark, Program Director Strategic Marketing des IBM-Geschäftbereichs Mobile Computing. Er glaubt, daß Anwender, die Wert auf große Bildschirme legen, künftig eine Brille mit eingebauten Mini-LCD-Panels auf der Nase tragen werden. Damit stünde dann der komplette natürliche Blickwinkel des Menschen zur Darstellung von Bildschirminhalten zu Verfügung. "Überhaupt wird sich das Notebook über kurz oder lang in seine Einzelkomponenten auflösen. Die fortschreitende Miniaturisierung und neue, leichtere Werkstoffe werden es erlauben, den Rechner in der Jackentasche verschwinden zu lassen oder am Gürtel zu tragen. Das Display ist dann in der Brille untergebracht, die Tastatur wird durch ein Mikrofon ersetzt", gewährt der Vordenker Einblick in die IBM-Forschungslabors. Prozessoren mit 800 MHz Taktfrequenz und mehr sowie Speichermedien, die ein Vielfaches der heute verfügbaren Kapazitäten bieten, würden eine Entwicklungen in diese Richtung untermauern. Einziger derzeitiger "bad boy", wie Clark es bezeichnete, sei die Akkutechnologie. Eine ebenso stetige Weiterentwicklung wie bei den anderen Komponenten sei hier nicht zu erwarten. Netzunabhängige Stromversorgung für mobile Rechner über mehr als zehn Stunden hinweg sei derzeit nicht in Aussicht. "Der einzige gangbare Weg besteht darin, daß Transportmittel wie Flugzeuge oder Züge mit Stromquellen ausgestattet werden, die den Anwender für den Anschluß ihres Notebooks zu Verfügung stehen", so der IBM-Manager.

Innenleben der Notebooks ist viel zu komplex

Welches Scherflein Prozessorkrösus Intel in Sachen künftiger Notebook-Technologie beitragen will, erörterte dessen Technischer Leiter Marketing, Gerhard Baum. "Wir wollen, daß das Notebook dem Desktop ebenbürtig wird", verspricht der Intel-Manager. Man sei bestrebt, den Zeitversatz bei der Verfügbarkeit der neuesten Prozessortechnologie für Notebooks zu minimieren. Nach wie vor vergehen mehrere Monate, bis die speziell für Notebooks konzipierten CPUs die Hersteller tragbarer Rechner erreichen. Baum fordert deshalb, daß die Hersteller etwas entwickeln sollen, das "einem Motherboard irgendwie ähnlich kommt". "Die derzeitige Architektur der Notebooks ist viel zu komplex", fügt er hinzu. Der Marketier stellt in Aussicht, daß Intel demnächst speziell für Notebooks konzipierte, steckbare Prozessorkarten anbieten wird. Damit soll es den Produzenten leichter fallen, das Innenleben der Notebooks zu konstruieren. Single-Chips werden aber auch in Zukunft erhältlich sein.

Ernsthafte Probleme bereitet der Chip-Anbieter den Hersteller auch mit der einhergehenden Zunahme der Wärmeentwicklung der immer flotteren CPUs. Hier signalisierte Baum den Anbietern, daß seitens Intel die Zusage gegeben werden könne, daß sich die Leistungsaufnahme - und damit die abgebende Wärme - bis ins Jahr 2000 von derzeit acht Watt nicht höher werde. Möglich werde dies, so Baum weiter, durch eine weitere Reduzierung der Stromaufnahme der Prozessoren. Die Befürchtung der Hersteller, künftig stromfressende Ventilatoren zur Kühlung der CPUs einbauen zu müssen, scheint vorerst ausgeräumt zu sein.

Powermanagement soll verbessert werden

Durchdachter, und damit die netzunabhängige Betriebsdauer der Notebooks verlängernd, soll das Anfang 1998 verfügbare Power Management System werden. Diese Technologie hört dann auf den Namen ACPI (Advanced Control and Power Management). "Bisher läuft eigentlich nur eine Eieruhr ab. Wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist, werden bestimmte Funktionen einfach abgestellt. Mit ACPI wird es nicht mehr vorkommen, daß der Rechner während eine Präsentation vorgeführt wird, einfach einschläft", schmunzelt der Intel-Manager. Die nächsten Betriebssystemversionen der Softwareschmiede Microsoft werden ACPI unterstützen.

Weniger gut dürften die Anbieter von PC-Karten auf Intel zu sprechen sein. Baum machte keinen Hehl daraus, daß künftige Prozessorgenerationen Modemfunktionalität in sich tragen werden. Notebookzubehör dieser Kategorie dürfte damit eher zu einer vom Aussterben bedrohten Gattung gehören.

Boom beim Absatz von Organizern prognostiziert

Auch das Thema Organizer kam bei der Konferenz nicht zu kurz. Eine Diskussion zum Thema "Vom Portable zum Handheld PC" sorgte für heftige Auseinandersetzungen. Mittelpunkt der Wortgefechte bildete - wie könnte es anders sein - Windows CE samt zugehöriger Handhelds, die in Kürze im deutschen Markt angeboten werden (siehe hierzu Schwerpunkt in ComputerPartner 4/97). Während der leidgeprüfte Sharp-Produktmanager Hans Mendrock, der für die Organizer der ZR-Serie zuständig ist, ein Lied davon zu singen weiß, wie zäh sich diese digitalen Assistenten in Deutschland vermarkten lassen, bejubelt die Fraktion der anwesenden Handheld-PC-Anbieter bereits jetzt die in Aussicht gestellten, gigantischen hohen Absatzzahlen. "Zur Zeit könne CE-Geräte sicherlich nicht viel mehr als leisten als ein herkömmlicher Organizer. Aber die Folgegenerationen werden eine Art eigenständigen Mini-PC darstellen. Wir sind überzeugt, daß wie pro Monat zwischen 1.000 und 2.000 Geräte absetzen werden", gibt sich Stefan Lodes, Produkt Marketing Manager bei der Packard Bell NEC Deutschland GmbH in München, siegessicher. Das Unternehmen hat vor kurzem mit der Auslieferung der knapp 1.700 Mark teuren Geräte begonnen, die allerdings noch mit der englischsprachigen Erstversion von Windows CE daherkommen. Sein Branchenkollege von der Dornacher Compaq Computer GmbH, Hartmut Woerlein, setzt hinsichtlich der erwarteten Verkaufszahlen sogar noch eins oben drauf. "Die Macht, mit der Microsoft Windows CE vorantreibt, ist nicht zu unterschätzen. Wir werden mit sehr aggressiven Preisen - geplant sind unter 800 Mark - starten. Wenn der Preis dann bei unter 600 Mark angekommen ist, schätzen wir, daß wir pro Monat 6.000 bis 7.000 Geräte verkaufen werden", tönt der Compaq-Mann. Das sind Zahlen! Zum Vergleich: Im vergangen Jahr gingen laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg lediglich 27.000 Geräte, die in die Kategorie erweiterbare Organizer fallen, über die Ladentheke der Händler.

Jeder PC-Besitzer ist potentieller Organizer-Kunde

An Gründen, die einen derartigen Absatzschub rechtfertigen könnten, mangelt es den Windows-CE-Vertretern freilich nicht. "Erstmals kommen Organizer auf den Markt, die sich in die etablierte DV-Struktur etablieren lassen. Beispielsweise macht es dann für Versicherungagenten Sinn, sich von ihren antiquierten Tarifrechnern zu trennen und auf einen Handheld umzusatteln. Bisher hätte die Alternative Notebook geheißen, aber es ist doch völlig klar, daß wir es hier mit ganz anderen Preisen zu tun haben", argumentiert Woerrlein. Er ist der Meinung, daß letztendlich jeder PC-Besitzer potentieller Kunde für ein derartiges Gerät sei und gibt die Formel aus: "Der Handheld verhält sich zum normalen PC wie das Fahrrad zum Auto. Manche brauchen eben beides."

Wichtig erscheint es den Anbietern von Organizern, daß Kunden softwareseitig auf vertikale Lösungen zurückgreifen können. Sie wissen nur zu gut, daß etwa 70 Prozent des Mobile-Computing-Marktes in Deutschland durch reines Projektgeschäft begründet sind. VARs aller Coleur, die sich in diesem Marktsegment bereits engagieren oder Fuß fassen wollen, sind deshalb begehrte Ansprechpartner der Anbieter. "Die Bereitstellung von geeigneten Entwicklungswerkzeugen und technische Unterstützung hat deshalb einen hohen Stellenwert bei uns", erklärt Lodes, der bei der Vermarktung vornehmlich auf seine Systempartner setzen will. Auch Compaq nennt als künftigen Absatzkanal Systemhäuser und stellt in Aussicht, daß es für sie ein spezielles VAR-Programm geben wird, wenngleich Woerrlein klarstellt, daß "an der Hardware über kurz oder lang sicherlich nichts zu verdienen ist". Mit dieser Aussage gibt der Compaq-Manager bereits zu verstehen, daß diese Händlergruppe davon ausgehen kann, nicht allzu lange eine gewisse Art eines exklusiven Verkaufsrechts genießen dürfen. Denn es ist davon auszugehen, daß Preise für diese Handheld PCs sehr schnell unter Druck geraten werden. Schließlich werden außer den beiden genannten Herstellern auch Hewlett-Packard, Philips, Casio, Hitachi und LG den deutschen Markt beackern. Daß die Geräte ziemlich fix in die Retailkanäle gespült werden, gilt als sehr wahrscheinlich. "Ich will nicht ausschließen, daß wir zu einem späteren Zeitpunkt auch die Media-Märkte dieser Welt bedienen", gibt denn auch Lodes kleinlaut zu. Zu einer ähnlich klingenden Formulierung kann sich auch Woerrlein durchringen.

Sharp schließt Schwenk zu Windows-CE nicht länger aus

Trotzdem versucht Microsoft mit Windows CE, eine Art Standardbetriebssystem bei den Organizern zu etablieren, setzen Hersteller wie Sharp, Psion oder U.S. Robotics mit ihrem Palm Pilot auf propietäre Lösungen. So will Organizer-Newcomer U.S. Robotics dieses Jahr seinen weltweit einmillionsten Pilot ausliefern und künftig auch Business-Applikationen und Erweiterungen wie Modem für seine Geräte anbieten.

Daß die genannte Riege der Hersteller durch den Markteintritt der Windows-CE-Maschinen mit deutlichem Wettbewerbsdruck rechnen, ist ein offenes Geheimnis.

So will Sharp-Manager Mendrok dem derzeitigen Gerangel um Windows CE eher Positives abgewinnen, indem er es für gut heißt, daß das Thema Organizer dadurch neuen Auftrieb erhält.

Insgeheim liebäugelt man in Hamburg offensichtlich bereits mit einer Kursänderung. Kommentar Mendrok: "Wir halten uns die Option, auf Windows CE umzusteigen, offen." (cm)

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