Monatliche Zahlungen bis ins biblische Alter

30.08.2001
In Teil zwölf unserer Serie zur privaten Altersvorsorge stellt Werner Staudte* eine in jüngster Zeit immer beliebter werdende Anlageform vor: die zusätzliche Rentenversicherung.

Der Begriffe gibt es viele: Sofortrente, Ansparrente, Zielrente, Zusatzrente oder Zukunftsrente. Sie meinen alle dasselbe - die private Rentenversicherung als regelmäßiges zusätzliches Einkommen für die eigene Altersversorgung und die Hinterbliebenen. Die Privatrente hat in der jüngeren Vergangenheit eine steile Karriere gemacht. Immer mehr Menschen entscheiden sich statt für eine Kapitalversicherung für die Rentenversicherung.

Noch 1990 führte die private Rentenversicherung in der Assekuranz ein Schattendasein. Ihr Anteil am eingelösten Neugeschäft der Branche betrug damals nach der Zahl der Verträge 2,5 Prozent und nach der Versicherungssumme 4,9 Prozent. Seitdem ist die private Rente auf einem unaufhaltsamen Vormarsch. 1999 war die "Einzel-Rentenversicherung" nach der Vertragszahl mit 19,3 Prozent und nach der abgeschlossenen Versicherungssumme sogar mit 24,7 Prozent am gesamten Neuge-schäft der Lebensversicherungsgesellschaften beteiligt.

Mit dem Einkommen steigt die Rentenlücke

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft spricht von einem "Boom bei den Rentenversicherungen", der sich durch die dann wieder aufgegebenen Steuerpläne der Bundesregierung allein nicht erklären lässt. Wohl eher ist der Erfolg auf die Tatsache zurückzuführen, dass heute wohl in das Bewusstsein der meisten Bundesbürger die Gewissheit gedrungen ist: Bei der gesetzlichen Rente ist nur eines sicher: die Rentenlücke. Und die wird umso größer, je höher das Einkommen während der Berufstätigkeit ist.

Dr. Bernd Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft, formuliert seine Bedenken so: "Das versprochene Rentenniveau von 67 Prozent bei gleichzeitiger Stabilisierung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 22 Prozent bis 2030 ist keine rechnerische, sondern ausschließlich eine politische Größe. Damit können die demografischen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft nicht generationengerecht gemeistert werden. Die Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung wird schneller das Gegenteil beweisen, als den Akteuren lieb ist."

Zudem, so Michaels weiter, "führen die meisten Erwerbsbiografien der mittleren und jüngeren Generation zu weit geringeren gesetzlichen Renten als 67 Prozent". Dass diese Erkenntnisse immer stärker Allgemeingut werden, ist wohl der Hauptgrund für den Vormarsch der privaten Rente. Der wird freilich in jüngster Zeit durch die bevorstehende Pflicht zur privaten Vorsorge über die "Riester-Rente" etwas gebremst.

Trotzdem hat sich die Welt gewandelt. Während in der Vergangenheit in erster Linie junge und ältere Singles sowie ältere Verheiratete, bei denen die Absicherung der Familien keine oder nur noch eine geringe Rolle spielt, zur privaten Rentenversicherung tendierten, neigen heute auch schon die Ernährer von Familien im jüngeren oder mittleren Alter zur Privatrente. Sie decken die Absicherung der Angehörigen im Falle eines vorzeitigen Todes von Vater oder Mutter über eine preisgünstige Risikolebensversicherung ab und sorgen lieber für ein stattliches zusätzliches Einkommen im Alter über die private Rentenversicherung.

Zahlung bis ins biblische Alter

Wie unterscheidet sich die private Rentenversicherung von der normalen Lebensversicherung? Die kapitalbildende Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, auch kurz Kapitalversicherung genannt, sieht je nach Vereinbarung im Alter von 60, 63 oder 65 Jahren die einmalige Auszahlung der Versicherungssumme und der Überschussanteile vor. Falls der Versicherungsnehmer vorher stirbt, wird die Versicherungsleistung an die Hinterbliebenen überwiesen. Die Kapitalversicherung ist damit zugleich Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die Rentenversicherung zahlt dagegen lediglich im Erlebensfall des Versicherungsnehmers, aber dann eine lebenslange Rente bis ins bib-lische Alter. Die Rentenversicherung ist die einzige Vorsorgemaßnahme, die für den Kunden leistet, egal, wie alt er wird. Das erklärt auch, warum die auszuzahlenden Summen der beiden Versicherungsarten unterschiedlich hoch sind und bei der Rentenversicherung - wenn man statt der Rente das Kapital wählt - mehr herauskommt. Das liegt einfach daran, dass bei der Kapitallebensversicherung das Todesfallrisiko, also die Zahlung an die Hinterbliebenen, mitfinanziert werden muss. Bei der privaten Rentenversicherung existiert dieses Risiko nicht.

Bei der privaten Rentenversicherung gibt es verschiedene Formen und Möglichkeiten. Grundsätzlich ist zwischen der Sofortrente und der aufgeschobenen Rente zu unterscheiden. Bei der ersten wird ein größerer Einmalbeitrag aus einer Kapitalversicherung oder Erbschaft eingezahlt, und die Rentenzahlung beginnt sofort. Bei der aufgeschobenen Rente gibt es eine Ansparzeit mit regelmäßigen Monatsbeiträgen oder einem Beitragsdepot. Letzteres wird wiederum mit einem großen einmaligen Betrag eingerichtet, der attraktiv verzinst wird. Daraus werden dann die Beiträge entrichtet.

Die Garantiezeit, in der die Privatrente auch bei vorzeitigem Tod während des Rentenbezugs noch weiter gezahlt wird, kann individuell vereinbart werden und liegt häufig bei zehn Jahren. Meist wird auch eine Beitragsrückgewähr eingeschlossen, die gilt, wenn der Tod schon vor Beginn der Rentenzahlungen eintritt. Dann gibt es zumindest für die nahen Angehörigen die bisher entrichteten Beiträge zurück. Schließlich kann auch eine Witwen- oder Witwerrente vereinbart werden.

Hier einige Beispielrechnungen für entsprechende Verträge (basierend auf R+V-Tarifen):

- Privatrente mit Beitragsrückgewähr und Garantiezeit gegen laufende Beitragszahlung

Mann, 35 Jahre alt

Rentenbeginn: mit 65 Jahren

Garantiezeit: 10 Jahre

Monatsbeitrag: 100 Euro

Anfangsrente: 577 Euro

- Privatrente mit Beitragsrückgewähr und Garantiezeit gegen Einmalbeitrag

Mann, 56 Jahre

Rentenbeginn: mit 60 Jahren

Garantiezeit: 10 Jahre

Einmalbeitrag: 40.000 Euro

Anfangsrente: 230 Euro

- Sofort beginnende Privatrente mit Garantiezeit gegen Einmalbeitrag

Mann, 63 Jahre

Garantiezeit: 15 Jahre

Einmalbeitrag: 50.000 Euro

Anfangsrente: 249 Euro

- Privatrente mit Beitragsrückgewähr und Garantiezeit aus Beitragsdepot

Mann, 35 Jahre

Rentenbeginn: 65 Jahre

Garantiezeit: 10 Jahre

Beitragsdepot: 50.000 Euro, verzinst mit fünf Prozent. Daraus werden fünf Jahre lang rund 11.000 Euro Beitrag jährlich gezahlt.

Anfangsrente: 1.891 Euro

- Privatrente mit Hinterbliebenenrente gegen laufende Beitragszahlung

Mann, 40 Jahre

Rentenbeginn: mit 65 Jahren

Monatsbeitrag: 500 Euro

Anfangsrente: 1.674 Euro

Mitversichert: 60 Prozent davon als Hinterbliebenenrente

Die Anfangsrente, von der hier so viel die Rede ist, soll ein weiteres Tarifbeispiel - diesmal für eine Frau - verdeutlichen. Frauen leben statistisch länger als Männer. Deshalb sind ihre Privatrenten für den gleichen Beitrag geringer als die der Männer. Wenn beispielsweise eine 32-jährige Frau bei der WWK eine private Rentenversicherung abschließt, die mit fünf Jahren Garantiezeit im Alter von 65 Jahren fällig wird, und dafür im Monat 128 Euro Beitrag zahlt, bekommt sie nach dem Tarif mit "wachsender Plusrente" im ersten Rentenjahr voraussichtlich monatlich 912 Euro. Daraus sollen nach den Berechnungen der Gesellschaft ab dem sechsten Jahr 987 Euro und vom elften Jahr an sogar 1.042 Euro werden.

Die Versicherungsgesellschaften weisen allerdings darauf hin, dass die Rechnungen Unsicherheiten enthalten. Sie basieren auf den in der Vergangenheit erwirtschafteten Überschüssen. Da aber die Situation am Kapitalmarkt in den vergangenen Jahren zu nachhaltig gesunkenen Erträgen für neue Kapitalanlagen geführt hat, kann eine Reduzierung der künftigen Überschussanteile nicht ausgeschlossen werden.

Deshalb ist es ratsam, die versprochene Anfangsrente ein wenig näher zu untersuchen. Nehmen wir das Beispiel der stolzen Monatsrente von 1.891 Euro aus dem Beitragsdepot von 50.000 Euro. Der garantierte Anteil an diesem monatlichen Salär, der auf jeden Fall gezahlt wird, beträgt lediglich 656 Euro. Dazu kommt eine anfänglich beispielhaft hochgerechnete Überschussbeteiligung von 1.235 Euro. Wenn nun die Nettorendite der Kapitalanlagen nur um einen Prozentpunkt fällt, schrumpft die anfängliche Gesamtrente drastisch von 1.891 auf 1.472 Euro. Und dieser Wert muss noch keine Untergrenze darstellen.

Allerdings kann es am Kapitalmarkt auch wieder in die andere Richtung gehen. Ein Prozentpunkt mehr Rendite lässt die anfängliche Monatsrente gleich auf 2.435 Euro in die Höhe schnellen. Es bleibt also zum Teil ein Glücksspiel, wie hoch die Rente ausfällt. Aber eben, im Unterschied zur Spielbank oder dem Aktienmarkt, nur zum Teil. Und solange die Versicherungsgesellschaften noch Nettoverzinsungen in der Nähe von acht Prozent erzielen, besteht wenig Gefahr für die versprochenen Überschüsse.

Den Mund zu voll genommen?

Dennoch mehren sich die Stimmen, welche die Gesellschaften warnen, bei der Privatrente den Mund zu voll zu nehmen. Gerade bei geringen Vertragslaufzeiten älterer Kunden, also speziell bei den Sofortrenten, nimmt nach einer Studie, welche die Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH gemeinsam mit der Fachhochschule Köln erstellt hat, der Anteil der plausiblen Prognosen ab.

Auch in einer aktuellen Untersuchung der Stiftung Warentest wurde einigen Rententarifen ein "Mangelhaft" bescheinigt. Wer an seinem 65. Geburtstag auf einen Schlag rund 50.000 Euro bei einer erfolgreich agierenden Versicherung einzahlt, kann nach den Feststellungen der Tester bis zu seinem Tod mit einer privaten Zusatzrente von anfangs etwa 360 Euro pro Monat rechnen. Gerät der gleiche Kunde dagegen an ein Unternehmen, das nicht so gut wirtschaftet, kommen monatlich leicht 50 Euro Rente weniger heraus.

Zu diesem Thema passt ein Schlusswort vom Marktführer Allianz: "Erfolgreiche Vorsorge setzt zweierlei voraus: die Eigenverantwortung des Einzelnen und die Leis-tungskraft des Unternehmens, dem er seine private Vorsorge anvertraut. Entscheidend ist, welche Sicherheiten das Unternehmen langfristig dem Kunden bieten kann. Denn für die Altersvorsorge zählt nicht nur die Gegenwart, sondern in entscheidenden Maße, ob das Unternehmen in 20, 30 und mehr Jahren sichere und hohe Leistungen erbringen kann."

* Werner Staudte ist freier Wirtschaftsjournalist in Dietzenbach.

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