digital@M

München setzt auf eigenständige Digitaltochter

Jens Dose ist Editor in Chief von CIO. Seine Kernthemen drehen sich rund um CIOs, ihre IT-Strategien und Digitalisierungsprojekte.
Mit digital@M hat die Stadt München als erste öffentliche Verwaltung eine eigene IT-Beratung gegründet. Geschäftsführer und CIO Peter Janze soll helfen, die Digitalisierung der Kommune voranzutreiben.

"Die Idee hinter digital@M ist es, digitales Know-how im kommunalen Bereich aufzubauen und zu bündeln," erklärt Peter Janze. Engagiere die Stadt externe Berater für Projekte, müssten die sich meist erst aufwändig in die Besonderheiten der Kommune einarbeiten. Zudem gehe die erarbeitete Kompetenz möglicherweise wieder verloren, wenn die Ansprechpartner beim Dienstleister wechseln. Beide Probleme solle digital@M lösen, zeitgleich sollen auch die externen Beratungskosten deutlich gesenkt werden.

Die Stadt München will sich umfassend digitalisieren.
Die Stadt München will sich umfassend digitalisieren.
Foto: S-F - shutterstock.com

Ausschreibungspflichten für Projekte und isoliert arbeitende IT-Abteilungen in den Referaten hindern behördliche IT-Entscheider oft daran, Vorhaben schnell umzusetzen. Die Stadt München gründete daher 2018 ein zentrales IT-Referat unter der Leitung von CIO Thomas Bönig. Dort sollen die IT-Kompetenzen der Stadt zusammenfließen, die bisher in den einzelnen Referaten verteilt waren. Ziel ist es, die vorhandene IT-Expertise bestmöglich zu nutzen und Prozesse end-to-end zu steuern. Die Referate sind nun sozusagen die Kunden der IT-Abteilung.

Unabhängige Digitaltochter

Im nächsten Schritt gründete die Stadt Anfang 2019 die digital@M GmbH als 100-prozentiges Tochterunternehmen. Dieses bildet zwar eine von drei Säulen des neuen IT Referats, ist jedoch organisatorisch nicht direkt in der städtischen Organisation verankert. Vielmehr können Janze und sein Team als eigenständiger Dienstleister agieren.

Hauptaufgabe von digital@M ist es, wichtige Digitalisierungsmaßnahmen der Stadt mit Beratung und Fach-Know-how zu unterstützen. Die beiden anderen Säulen des Münchner IT-Referats sind IT@M, zuständig für IT-Services, Infrastruktur und Betrieb, sowie der Bereich STRAC (IT-Strategie, IT-Steuerung & IT-Controlling).

Geschäftsführer und CIO Peter Janze erreichte beim CIO des Jahres 2018 einen Platz unter den Finalisten in der Kategorie Public Sector.
Geschäftsführer und CIO Peter Janze erreichte beim CIO des Jahres 2018 einen Platz unter den Finalisten in der Kategorie Public Sector.
Foto: digital@M

Laut Janze ist München die erste Stadtverwaltung Deutschlands, die eine eigene Digitaltochter gegründet hat. "Kommt die Stadt mit einem Auftrag auf uns zu, können wir gleich anfangen zu arbeiten, ohne langwierige Vorlauf- oder Einarbeitungszeit," erklärt er einige wesentliche Vorteile des Konstrukts. Das sei gerade bei komplexen und übergreifenden Projekten wichtig, in denen häufig auch politische Prioritäten eine Rolle spielen.

München ist momentan der einzige Auftraggeber von digital@M. Die Stadt wird jedoch auch weiterhin andere externe Berater über Ausschreibungen beauftragen. Die Digitaltochter agiert eigenständig und muss wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen können.

Agilität statt Amtsschimmel

"Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer GmbH sind wir nicht vollständig den umfassenden Regularien und Formalitäten wie in Behörden unterworfen; so können wir unabhängiger und agiler arbeiten," erklärt Janze. "Wir haben das Unternehmen auf der grünen Wiese und ohne klassische Abteilungsstruktur aufgebaut. Methoden wie Scrum und Design Thinking sind Teil unserer täglichen Arbeit, um neue Ideen und Ansätze zu fördern."

Die mittlerweile fast 30 Mitarbeiter von digital@M vereinen Aspekte der modernen Arbeitswelt mit den Anforderungen der öffentlichen Verwaltung. Der Frauenanteil liegt bei über 50 Prozent, das Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Neben Beratern sind beispielsweise auch Experten für kommunale Fachverfahren Teil des Teams. "Diese Kollegen sprechen einen anderen Personenkreis an als klassische Berater," sagt Janze. "Sie kennen die Welt der Stadtverwaltung und können mit den städtischen Mitarbeitern auf Augenhöhe sprechen." Sie brächten nicht nur das technische Know-how mit, sondern auch Softskills und Empathie, um eventuelle Konflikte zu lösen. So könne sein Team auf allen Ebenen und quer durch die Organisation der Stadt tätig zu sein.

Das Team von Janze setzt auf agile Methoden und Skillsets, die auf die Besonderheiten kommunaler Einrichtungen zugeschnitten sind.
Das Team von Janze setzt auf agile Methoden und Skillsets, die auf die Besonderheiten kommunaler Einrichtungen zugeschnitten sind.
Foto: digital@M

Ohne Marketing keine Innovation

Solche sozialen Kompetenzen sind für Janze wichtig, um die Digitalisierung in Behörden voranzutreiben. "Viele Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen sind verschiedenen Veränderungen gegenüber skeptisch eingestellt," sagt er. "Wir müssen ihnen vermitteln, dass ihnen niemand ihre Aufgaben und Tätigkeiten wegnehmen möchte." Vielmehr gehe es darum, gemeinsam neue Arbeitsweisen zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, ihre Aufgaben besser und schneller bei höherer Qualität zu erledigen. Dafür brauche es Feingefühl und die richtige Sprache.

Wichtig ist für den Geschäftsführer auch, Marketing für die Digitalisierung zu machen. Hierzu hat die Stadt eine Digitalstrategie bis 2025 erarbeitet. Darin sind sowohl Strategien für den Digitalausbau als auch Informationsmaßnahmen für Verwaltungsangestellte und Bürger beschrieben. So gibt es etwa ein Intranet mit Blogs und Chats der Stadtverwaltung, das Informationsportal münchen.digital für Bürger sowie regelmäßige Informationsveranstaltungen.

Besonders wichtig ist den Verantwortlichen auch die "Digital Carta" mit dem Motto "Der Münchner Weg der Digitalisierung für und mit den Menschen". Darin legt die Stadt unter anderem verschiedene Rahmenbedingungen fest, denen sie bei ihrer Transformation folgt. Darin steht etwa, dass für Mitarbeiter intern Perspektiven geschaffen werden sollen, statt Aufgaben auszulagern. Weiterbildung und Qualifikationen müssten mit einer adäquaten Aufwertung und besseren Tätigkeiten einhergehen.

S/4 HANA und Windows 10

Eines der größten Projekte, bei denen digital@M die Stadt unterstützt, ist die Migration der SAP-Anwendungen auf S/4 HANA. Davon sind im Schwerpunkt die Bereiche Finanzen, Personal, Logistik und Immobilien betroffen. Die Migration der bisherigen LiMux Client-Systeme auf Windows 10 ist ein weiteres Großprojekt.

Auch weitere Vorhaben wie eine E-Invoicing-Plattform, Drohnen für den Feuerwehreinsatz oder "Pepper"-Roboter für Services in den Bürgerbüros werden laut Janze ebenfalls evaluiert. Bis davon etwas umgesetzt werde, dauere es aber noch. Interessant ist auch der automatische Kindergeldantrag direkt nach einer Geburt. Dafür ist unter anderem eine zentralisierte digitale Bürger-ID nötig. Wann und wie diese eingeführt wird, liegt jedoch nicht nur bei der Stadt, sondern hängt von landes- und bundespolitischen Entscheidungen ab.

Beim Thema Cloud stehe München noch am Anfang, berichtet Janze. Hier gelte es vorerst, verschiedene Optionen zu evaluieren. Vor allem die Sicherheit der Bürgerdaten spielt dabei die größte Rolle. Mit Blick auf Datenschutzaspekte könnte die europäische Cloud-Initiative Gaia-X oder eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Freistaat für die Stadt eine Alternative sein.

Ein wichtiges Thema für Janze ist auch künstliche Intelligenz beziehungsweise Machine Learning. Einsatzbereiche wie automatische Dokumentenerkennung bei Anträgen, intelligente Verkehrssteuerung oder Smart-City-Initiativen seien denkbar. Noch aber fehle es an Grundlagen wie etwa der Automatisierung von Fachverfahren.

Zur Startseite