Multi-Channel-Vertrieb: Wer es richtig versteht, kann davon nur profitieren

21.02.2002
Nicht alle profitieren vom mehrgleisigen Vertrieb. In einer Studie stellt das Handelsforschungsinstitut E-Commerce-Center Handel die provokante Frage, ob die Vorteile des Multi-Channel-Vertriebs überschätzt werden. Keineswegs, lautet die Antwort für den IT-, CE- und Möbelhandel. Hier wachse sogar der Druck, einen zweiten Vertriebsweg einzuschlagen.

Wie die Zahl der vielen Dotcom-Pleiten nach dem E-Commerce-Hype beweist, hat sich das Internet als einziger Vertriebskanal für die meisten Anbieter nicht ausgezahlt. Sehr viel mehr Chancen haben dem E-Commerce-Center Handel (ECC Handel) zufolge dagegen Händler mit mehreren Vertriebswegen. Die Überlegenheit von Multi-Channel-Anbietern belegen auch zwei Studien in den USA. So bestreiten diese laut Bain & Company 60 Prozent des B2C-Commerce und können nach einer Studie von Shop.org auch mit mehr Kundenloyalität und höheren Umsätzen rechnen als Anbieter, die nur über einen einzigen Vertriebsweg verfügen.

Eine ECC-Umfrage unter 1.239 Internetnutzern für zwölf verschiedene Branchen zeigt allerdings, dass sich Online-Shopper zwar gerne in Ladengeschäften des einen Anbieters informieren, ihre Online-Einkäufe dann aber zu 97,4 Prozent im Webshops eines anderen Anbieters tätigen. Besonders problematisch sei diese Form des "Trittbrettfahrens", wenn sich die Kunden von einem Verkäufer persönlich beraten lassen.

Insgesamt kommt die ECC-Studie zu dem Schluss, dass die Vorteile von Multi-Channel-Anbietern aus Kundensicht "eher bescheiden" ausfallen. Für den Handel sind die Vorteile von verschiedenen Vertriebswegen jedoch sehr stark branchenabhängig. Der IT-, CE- und Möbelfachhandel könne eigentlich nur profitieren. Mehr noch: Hier wachse der Druck, einen weiteren Vertriebskanal einzurichten. Bei den E-Commerce-Vorreitern Bücher sowie Bild- und Tonmedien komme den Multi-Channel-Käufen dagegen erstaunlicherweise eine relativ geringe Bedeutung zu.

EP-Netshop: "Auf die volle Integration kommt es an"

Von den Ergebnissen der Studie zeigt sich EP-Netshop-Geschäftsführer Michael Krumpholz in keiner Weise überrascht. Damit widerspricht er den Autoren der Untersuchung. Auch die Einschätzung, dass der Selbstabholung in Ladengeschäften nach dem Einkauf im Internet "keine empirische Bedeutung" zukomme, kann er nicht teilen. Im Gegenteil, viele Online-Kunden würden es gerade schätzen, dass sie ihre Produkte zwar im Internet bestellen, aber dann bei einem Electronic-Partner-Händler in der Nähe bezahlen und abholen können.

Ein einfacher Online-Shop zusätzlich zum Ladengeschäft ist für Krumpholz kein echter Multi-Channel-Vertrieb: "Worauf es ankommt, ist die volle Prozessintegration. Und da sind wir ziemlich einzigartig in Deutschland. Es gibt einfach zu wenig Multi-Channel-Konzepte." Welches Geschäftsmodell die Anbieter letztendlich wählen, hänge von der Produktpalette ab. Bei CE- und IT-Produkten sowie Zubehör biete sich der mehrgleisige Vertrieb geradezu an.

Seit der EP-Netshop vor genau einem Jahr online gegangen ist, hat die EP-Verbundgruppe von ihren rund 3.000 Händlern schon 560 Mitglieder für das eigene Multi-Channel-Konzept gewinnen können. "Ich würde mir natürlich wünschen, dass es mehr werden. Aber wer sich als EP-Netshop qualifizieren möchte, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Wichtigste Voraussetzung ist Beratungs- und Servicekompetenz."

Anfangs waren nicht alle EP-Netshop-Partner begeistert von der Idee, erzählt Krumpholz. "Doch schließlich konnten wir sie durch Leistung überzeugen." Überzeugt hat letztendlich auch der wirtschaftliche Gewinn, wie der EP-Händler Frank Brückner neun Monate nach Start des Konzepts bestätigte.

Über die Höhe der Umsätze will Krumpholz noch keine Aussagen machen, aber er schätzt, dass ein Drittel der Kunden, die sich auf den EP-Seiten informieren, direkt im Internet ordert, während zwei Drittel dann doch bei einem Mitglied vor Ort kaufen. Frank Roebers, Chef der Franchise-Kette PC-Spezialist, ist da sehr viel konkreter: "Wenn wir den gesamten Außenumsatz unserer Partner von etwa einer Milliarde Euro im Jahr 2000 als Grundlage nehmen, liegt der B2C-Umsatz bei unter einem Prozent. Langfristig wollen wir den Online-Umsatz aber deutlich steigern und unsere Marktposition darüber ausbauen."

Was das E-Commerce-Konzept von EP auszeichne und von Kunden besonders geschätzt werde: "Bei jedem Online-Kauf wird dem Kunden automatisch ein Netshop-Händler vor Ort zugewiesen, an den er sich in Service-, Support- und Reparaturfragen wenden kann", so Krumpholz. Zugleich betont er, dass der Vorteil des eigenen E-Commerce-Konzepts nicht zuletzt in dem flächendeckenden Angebot von EP-Netshops liegt. Einzelne Ladengeschäfte hätten es da schon sehr viel schwerer und sollten ihren Einstieg in den Multi-Channel-Vertrieb in Nischenbereichen suchen.

www.ecin.de/marktbarometer

www.ep-netshop.de

www.pcspezialist.de

ComputerPartner-Meinung:

Auch wenn sich immer mehr Kunden online informieren, spielt das reale Kauferlebnis immer noch die zentrale Rolle. Die Krux: Man kann nicht IT- und Multimedia-Produkte verkaufen und keinen Online-Shop haben. Daher wächst der Druck auf die Branche. Doch auch ein Online-Shop zusätzlich zum Ladengeschäft macht noch lange keinen Multi-Channel-Vertrieb. Dazu gehört, wie EP zeigt, schon etwas mehr, nämlich ein großes Netz von Outlets und ein Konzept, das den Kunden die Wahlmöglichkeit lässt, wie und wo sie kaufen und bezahlen möchten. (kh)

Zur Startseite