IoT in der Versicherungsbranche

Munich Re kauft Berliner IoT-Startup Relayr

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Die Transaktion soll dem Rückversicherer helfen, Lösungen zu entwickeln, die Technologie, Risikomanagement, Datenanalysen und Finanzinstrumente kombinieren. Sie lässt aus mehreren Gründen aufhorchen.

Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, kurz Munich Re, hat das Berliner IoT-Startup Relayr übernommen. Der Wert der Transaktion wird mit 300 Millionen Dollar angegeben. Die Übernahme ist aber nicht nur wegen des hohen Betrags interessant, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Möglichkeiten von IoT und die bevorstehenden Veränderungen für eine ganze Branche.

Das 2013 gegründete Unternehmen Relayr war 2014 bei einem Startup-Wettbewerb von Cisco erstmals einem größeren Publikum bekannt geworden. Damals wurde es für sein "Wunderbar" genanntes Starter-Set für das Internet der Dinge ausgezeichnet. Im selben Jahr nahm auch Conrad eine Kooperation mit dem jungen Unternehmen auf.

2015 gewann Relayr den im Rahmen der CeBIT abgehaltenen Startup-Wettbewerb CODE_n. "Mit der 'Wunderbar' wird das Internet der Dinge sehr leicht fass- und anwendbar für Programmierer. Und das ist auch wichtig, denn obwohl IoT gerade auch auf der CeBIT ein omnipräsentes Thema ist, sind die gefühlten Hürden für Entwickler noch sehr hoch", sagte damals Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender der GFT Group und Initiator von CODE_n.

IoT für jedermann zugänglich machen

Im November desselben Jahres investierten die Wagniskapitalgeber Kleiner Perkins Caufield & Byers sowie Munich Venture Partners insgesamt elf Millionen Dollar in das Unternehmen. Im Februar 2018 investierte zudem die Deutsche Telekom in Relayr, die inzwischen gemeinsame Angebote entwickelt hat. Damit hatte das Startup, das inzwischen über 200 Mitarbeiter beschäftigte, bis dahin rund 100 Millionen Euro erhalten.

Mit der "Wunderbar" - im Format einer Schokoladentafel verpackter, flexibler Sensortechnik - hat Relayr 2013 als Bastlerlösung angefangen (Bild: Relayr).
Mit der "Wunderbar" - im Format einer Schokoladentafel verpackter, flexibler Sensortechnik - hat Relayr 2013 als Bastlerlösung angefangen (Bild: Relayr).
Foto: Relayr

Das Angebot von Relayr zeichnet sich von Anfang an vor allem dadurch aus, das es IoT-Anwendungen besonders einfach ermöglicht. Der "Wunderbar" genannte Bausatz erinnerte zum Anfang an eine große Tafel Schokolade, lieferte aber umfangreiche Sensortechnik, etwa um Temperatur, Feuchtigkeit oder Bewegung zu messen. Die Sensoren konnten getrennt und an unterschiedlichen Gegenständen angebracht werden. Entwickler konnten die Sensoren über Anwendungen für Smartphones nutzen, auf deren Messdaten zugreifen und diese analysieren. Erstellt wurde so etwa eine App, um die Temperatur im Weinkeller zu kontrollieren und die Feuchtigkeit im Gewächshaus zu überprüfen.

Indem Relayr eine Open-Sensor-Cloud-Plattform bereitstellte, ermöglichte es die App-Programmierung ohne Kenntnisse der Elektrotechnik. Damit wurden mehr Menschen in die Lage versetzt, eigene Anwendungen zu programmieren, und damit konnten Entwickler schnelle Erfolge vorweisen. Das Konzept fand schnell auch bei großen Firmen Anklang. Schon 2015 gehörten Bosch Siemens Hausgeräte, die Stadtverwaltung von Paris und Cisco zu den Kunden der Berliner. Inzwischen hat Relayr eine eigene Middleware, ein Edge Device Management, sowie Tools für IoT Analytics und Monitoring entwickelt und ist damit endgültig in der B2B-Welt angekommen.

Mit Cisco ins Enterprise-Umfeld vorgedrungen

Die Verbindung zu Cisco war besonders eng und vielfältig und trug wahrscheinlich auch wesentlich zum schnellen Erfolg bei. Seed-Investor Josef Brunner, der spätere CEO von Relayr, und Privatinvestor Tom Noonan hatte zuvor das Energiemanagement-Unternehmen JouleX gegründet und 2013 an Cisco verkauft. Aber auch Harald Zapp, Gründer und erst COO, dann CEO bei Relayr, war zuvor viele Jahre in leitenden Positionen bei dem Netzwerkanbieter tätig.

Das damals noch überschaubare Relayr-Team auf der CeBIT 2015, in der hinteren Reihe ganz rechts Gründer Harald Zapp.
Das damals noch überschaubare Relayr-Team auf der CeBIT 2015, in der hinteren Reihe ganz rechts Gründer Harald Zapp.

Unter dem Dach von Munich Re soll Relayr weiterhin unabhängig arbeiten und seine Firmenkultur beibehalten. Der 1880 gegründete Versicherungskonzern hofft dennoch, dass ein paar Funken der Innovationskultur von Relayr auf ihn überspringen und sein Geschäft für die Zukunft fit machen. Relayr wiederum hat nun einen finanzstarken Partnern im Rücken, der ihm auch Zugang zu neuen Kunden verschaffen kann. Außerdem denkt man auch über neue, gemeinsame Geschäftsmodelle nach.

Neue Versicherungstarife mit IoT

Josef Brunner, der aktuelle CEO von Relayr, betont die nach der Übernahme bestehenden Möglichkeiten, Technologie mit Finanz- und Versicherungsangeboten zu kombinieren. Dadurch biete die Akquisition eine großartige Möglichkeit, ein in seiner Kategorie weltweit führendes Angebot zu entwickeln.

Am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen, dass Versicherungsprämien in der Industrie konkreter an denen durch die IoT-Installationen von Relayr kontrollierten Risiken ausgerichtet werden: Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied bei dem Rückversicherer, erklärt, dass IoT das Potenzial habe, die traditionellen Konzepte bei Versicherungen und Rückversicherungen durch neue Geschäftsmodelle, Services und Wettbewerber komplett umzukrempeln. So gesehen ist die Übernahme von Relayr auch eine Maßnahme zur Selbsterhaltung. Die Zusammenarbeit der beiden begann schon 2016. Die Münchner wissen also genau, was sie sich an Bord geholt haben.

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