Muntere Schaukelpartie in der Computerindustrie

14.12.2000
An den Wachstumsbörsen ist Ernüchterung eingekehrt. Auch das nächste Jahr dürfte eher schwierig werden. Geld verdienen mit IT-Aktien verdienen lässt sich gleichwohl. Eine Erholung der Kurse erscheint überfällig.

Im Prinzip haben es alle schon Ende 1999 gewusst, als die letzten Börsenausblicke geschrieben wurden: Das Jahr 2000 wird für die Computerindustrie vertrackt. Das Geschäft lief infolge des 2000er-Datumsproblems schleppend an. Zu befürchten war auch, dass die Wachstumsraten in verschiedenen Segmenten geringer als bisher ausfallen würden, zum Beispiel im PC-Sektor. Per saldo überrascht haben dann jedoch die vielen Dämpfer im zweiten Halbjahr, wo ebenfalls nur zaghaft in-vestiert wurde. Der Aufschwung soll nun nächstes Jahr erfolgen.

Weihnachtsgeschäft?

Ein dickes Fragezeichen steht noch hinter dem diesjährigen Weihnachtsgeschäft, von dem die IT-Branche und die Aktienexperten erneut gute Verkaufsresultate erwarten. Ob das Ergebnis, das Ende des ersten Quartals 2001 in den Bilanzen auftaucht, an die Rekorde der vergangenen Jahre herankommt, bleibt abzuwarten. Insgesamt klingen die Prognosen jedoch zuversichtlich.

Die Konjunktur dürfte trotz der Bremsspuren infolge des hohen Ölpreises halbwegs in Fahrt bleiben. Das ist die Basis für Anschaffungen im Segment Durable Equipments (langlebige Konsumgüter), wovon auch die Computerindustrie lebt.

Für den gesamten Bereich US-Hardware rechnet der US-Aktien-Research-Dienst Value Line/Standard & Poor’s (www.valueline.com) mit einem Umsatzplus von beachtlichen 14,5 Prozent, der Software- und Service-Sektor soll auf 20,1 Prozent kommen. Die ebenfalls zweistelligen Zuwachsraten in der Halbleiterbranche lassen auf noch einmal anziehende Chipkurse hoffen.

Die IT-Konzerngewinne insgesamt werden abermals steigen, jedoch weniger kräftig als bisher. Andererseits erscheint es derzeit recht schwierig, für einen längeren Zeitraum vernünftige Vorhersagen zu treffen. Schon für das zweite Halbjahr 2001 nehmen die Unwägbarkeiten beträchtlich zu. Falls Anzeichen einer Rezession auftauchen, würden die IT-Kurse erneut sinken.

Die weitere Kursentwicklung hängt aber nicht nur von der Konjunktur, den Unternehmensgewinnen sowie der Zins- und Währungsentwicklung ab. Ein schwächerer Dollar würde der US-Computerindustrie und den Aktien zugute kommen. Entscheidend ist, ob sich die Anleger erneut für Hightech-Papiere begeistern lassen. Infolge der riesigen Kursverluste ist der Imageschaden beträchtlich. Ihr Status als automatische "Reichmacher" ist dahin.

Die Performance im abgelaufenen Jahr war mehr als dürftig. Geht man von den höchsten Kurs- und Indexständen im März/April aus, verloren Nasdaq und Neuer Markt jeweils über 60 Prozent. Am meis-ten unter die Räder kamen überteuerte Internet-nahe Papiere mit Verlusten von an die 90 Prozent.

Höchstkurse unerreichbar

In den vergangenen zehn Jahren haben sich - bis Anfang 2000 - Käufe von Hightech-Aktien praktisch zu jedem Zeitpunkt gelohnt. Damit ist es nun vorbei. Die Höchstkurse vieler Papiere vom März/April werden lange Zeit unerreichbar sein.

Gegenwärtig notieren die Wachstumsbörsen auf dem Niveau vom Herbst 1999, als die extreme Spekulationswelle unter dem Schlagwort Internet einsetzte. Inzwischen ist die Euphorie weit gehend in Schall und Rauch aufgegangen.

Eine Bodenbildung der Aktienindizes an den Wachstumsbörsen hat noch nicht stattgefunden. Allerdings ist die Ausverkaufswelle trotz der aktuellen Unsicherheit im fortgeschrittenen Stadium angelangt. Zu Beginn des neuen Jahres könnten die IT-Kurse als Gegenreaktion auf die kräftigen Verluste um 20 bis 25 Prozent nach oben schnellen. Günstigenfalls reicht das Potenzial im ersten Quartal bis 5.000 Punkte im Nemax und bis 4.200 Punkte im Nasadaq-Index (derzeit 3.000 und 2.800 Punkte)

Viele Aktien sind inzwischen relativ preiswert geworden. Dies gilt vor allem für den Hardware- und für Teile des Software- und Service-Bereichs. Das Speichersegment mit EMC an der Spitze wird wohl erneut Rekordzahlen präsentieren, aber die Kurse sind für kleinste Enttäuschungen anfällig.

PC-Aktien wie Compaq, Dell, Gateway oder Apple dürften weiter hohen Schwankungen unterliegen, wobei Compaq und Gateway den Vorteil haben, an der Börse niedriger als die Konkurrenz bewertet zu sein. Linux-Papiere und teure Internet-nahe Titel werden es weiter schwer haben. Von den vielen jungen Firmen werden mehr denn je ein klares Geschäftsmodell und baldige Gewinne verlangt. Das gilt auch für die teuren Börsenfavoriten der Segmente IT-Sicherheit, Netzwerktechnik und Telekommunikation/Handy. Die Umsatzzunahmen sind immer noch stattlich, jedoch mit leicht sinkender Tendenz. (kk)

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