Mut zur Farbe: bunte Gehäuse beim Consumer immer beliebter

06.08.2000
Ein hochwertiges PC-Gehäuse erleichtert die Konfiguration und verbessert den Gesamteindruck. Insbesondere im Retail-Markt gewinnen bunte Chassis zunehmend an Bedeutung.

Für viele ist das Gehäuse eine Komponente, an der sich sparen lässt. Doch damit kann sich der Integrator eine eigene Identität schaffen und sich vom Mitbewerb abgrenzen. Letztendlich fällt es vielen Assemblern aber schwer, Geld in das Chassis zu in-vestieren.

"Der Gehäusemarkt in Deutschland ist fast ausschließlich in asiatischer Hand", erklärt Michael Berg, Senior-Product-Manager Components bei Computer 2000. "Die deutschen Niederlassungen der Hersteller verkaufen fast alle direkt an die Kunden. Die Gehäuseanbieter können mit den Produkten derzeit noch genügend Margen machen, um die Logistik- und Vertriebskosten zu decken. Der Fachhandel übersieht aber, dass es sich bei den asiatischen Anbietern in der Regel nur um Zwischenhändler handelt."

Diese so genannten "Hersteller" agieren meist völlig unabhängig von den eigentlichen Produzenten der Gehäuse und bieten außer einer eigenen Frontblende eventuell noch die Möglichkeit der speziellen Konfiguration mit einem Netzteil an. Ansonsten werden die Produkte nur durchgeschoben, Extrawünsche nur selten erfüllt.

"Der Gehäusemarkt sieht im Vergleich zum Komponentengeschäft recht positiv aus", berichtet Peter Haussmann, Product-Line-Manager bei Ingram Macrotron. "Besonders Produkte im I-Mac-Stil werden immer stärker nachgefragt." Laut C2000-Mann Berg bleibt der Fachhandel sehr lange einem Gehäuse und Design treu. Zudem sollte es günstig und groß sein. "Daher ist es schwer, mit Attributen wie Qualität, Liefertreue, Fracht- und Einkaufskostenersparnis zu überzeugen", klagt der Manager.

"Neben dem Design und der Verarbeitung achtet der Händler vor allem auf das Netzteil", ergänzt Haussmann. "Am gefragtesten sind Midi- und Big-Tower-Chassis." Während bei Standardkomponenten ab einem gewissem Preispunkt der Absatz deutlich abnehme, sei das bei Gehäusen nicht der Fall. "Es kommt immer darauf an, welche Anforderungen der Kunde stellt. Für gute Qualität wird auch ein höherer Preis bezahlt", erklärt der Ingram-Macrotron-Manager.

Das Netzteil ist der Kostentreiber

Es gibt verschiedene Kunden- und Qualitätsansprüche", konstatiert Berg. "Hochwertige Gehäuse sind selten gefragt, eher schon Features wie abnehmbare Seitenwand und herausnehmbare Mainboard-Platte. Hierin unterscheidet sich ein gutes Chassis von einem schlechten. Die mechanischen Anforderungen sind aber nur die eine Seite, bessere EMV-Absicherung mit Gehäuseseitenteilen, die über Federn eine elektrische Verbindung mit dem Gehäuse schließen, und besonders abgeschirmte Slot-Bleche sind die andere Seite. Ein guter Teil der Kos-ten für ein Gehäuse kommt vom Netzteil. Hier gibt es sehr große Unterschiede, der einzige wirklich nachvollziehbare ist aber nur das Geräusch des Netzteillüfters. Ansonsten muss sich der Fachhandel auf die Wattzahlangabe auf dem Netzteil verlassen."

Lowcost-Gehäuse können Wiederverkäufer bereits ab 50 Mark beziehen. Gute Qualität ist bereits ab 100 Mark zu haben. "Ein gutes Gehäuse unterscheidet sich von einem schlechten vor allem in der Verarbeitung der Kanten, der Passgenauigkeit der Bauteile und durch das Netzteil", erklärt Haussmann.

Die Wahl des richtigen Chassis hat Vorteile. Eine geräumige Inneneinrichtung erleichtert das Assemblieren. Hierzu zählt auch eine ordentliche Verarbeitung der Bleche. Die Qualität eines PC-Systems lässt sich oft bereits beim ersten Einschalten des Rechners feststellen. Ein laut dröhnendes Gerät hinterlässt keinen guten Eindruck. Das Vertäfeln der Seitenabdeckung oder Haube auf der Innenseite mit Korkplatten senkt den Lärmpegel deutlich.

Barebones nur bei Spezialsystemen bevorzugt

Ein "Barebone"-Gehäuse ist bereits mit Standardkomponenten wie einem Motherboard und einem Diskettenlaufwerk bestückt. Gerade der Hauptplatineneinbau nimmt einen Großteil der Konfigurationszeit ein. Doch insgesamt nehmen nur wenige Händler diesen Service in Anspruch. "Leergehäuse werden immer noch bevorzugt, weil die meisten Kunden selber entscheiden wollen, welche Komponenten eingesetzt werden sollen", konstatiert Haussmann. C2000-Manager Berg schätzt das Verhältnis auf rund 70: 30 zugunsten von Leergehäusen.

Vorkonfektionierte Chassis kommen in erster Linie bei speziellen Serien und Geräten zum Einsatz. "Booksize-PCs lassen sich beispielsweise im Moment ausschließlich als Barebone verkaufen, weil der Fachhandel nie sicher sein kann, die passenden Riser-Cards zu bekommen", erklärt Berg. Marktbeobachter sehen für Booksize-PCs langfristig gute Absatzmöglichkeiten. "Vereinzelt herrscht bereits eine rege Nachfrage, aber Booksize hat sich noch nicht wirklich durchgesetzt", resümiert Haussmann. "Es wird ein interessantes Thema bleiben. Gründe dafür sind vor allem die Platz- und Kostenersparnis."

Bunte Gehäuse kämpfen nach wie vor um die Gunst der Käufer. Im professionellen und gewerblichen Umfeld wird Grau auch weiterhin die Trendfarbe bleiben. Nicht weil es sonderlich schön ist oder so gut zu den Büromöbeln passt, nein, weil der PC einfach schon immer so ausgesehen hat und sich die Unternehmen lieber an ein gediegenes Design halten. Bei Endanwendern sieht das anderes aus. Apples I-Mac ist dafür ein gutes Beispiel. Allerdings sind nur wenige Kunden wirklich bereit, für einen bunten PC mehr Geld auszugeben.

Bei Ingram Macrotron sehen die Verantwortlichen durchaus ein Absatzpotential. "Immer mehr Jugendliche haben heutzutage einen PC, der attraktiv aussehen soll. Auch arbeiten heute schon immer mehr Kinder in den ersten vier Schuljahren mit PCs, die dann natürlich nicht langweilig aussehen dürfen, damit das Interesse am PC geweckt wird", äußert sich Haussmann. "Der Retail- und Consumer-Markt wird im nächsten Jahr so weit sein, bunte Gehäuse zu akzeptieren", glaubt Berg. "Für den Fachhandel ist das aber noch kein Thema. Der braucht sein graues, gediegenes PC-Gehäuse - weil er es ja möglichst noch in fünf Jahren verkaufen will." (kfr)

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